Instrumentenbau: Von nebenan – aber auch einzigartig

Der Instrumentenbau ist ein sehr altes und hoch komplexes Handwerk. In Nordrhein-Westfalen gibt es einige, teilweise in aller Welt bekannte Beispiele dieser Zunft. Kurt hat sich auf den Weg gemacht und exemplarisch drei sehr verschiedenen Instrumentenbauer in NRW besucht.

Die folgende Grafik zeigt zunächst, wie viele Instrumentenbauer es insgesamt in Nordrhein-Westfalen gibt und wie diese sich in den verschiedenen Sparten aufteilen (Stand 2015, Quelle: Handwerkskammer NRW).


Orgelbau Klais, Bonn

In der Bonner Innenstadt befindet sich in einem schönen Ziegelgebäude eine der renommiertesten Orgelbauwerkstätten der Welt. Die Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG fertigt seit ca. 125 Jahren hochwertige Instrumente, zum Beispiel für die Elbphilharmonie, das Konzerthaus Dortmund, den Kölner Dom und andere Kirchen und Konzertsäle auf der ganzen Welt. Philipp Klais ist Orgelbauer in vierter Generation und Kurt hat mit ihm gesprochen:


Gitarrenbauer Roland Scharbatke, Iserlohn

Roland Scharbatke bei der Arbeit.

„Die Nächste wird die Beste”

Die Werkstatt von Zupfinstrumentenmacher Roland Scharbatke liegt im obersten Stock des alten Stadttores in der Iserlohner Innenstadt. Wenn die vollgekritzelte Eingangstür ins Schloss fällt, tut sich eine eigene Welt auf. Ein Mikrokosmos ohne Stadtlärm, mit quietschenden, schweren Eichendielen und dem behaglichen Geruch von Holz in der Luft. Das Atelier ist nicht besonders groß, aber sehr gemütlich und fast wohnlich. Ein Ambiente, das wie geschaffen ist für den Gitarrenbau.
Roland Scharbatke erzählt, er habe zuerst seinen Meister als Tischler gemacht. Doch Möbel und Treppen waren ihm nicht filigran und anspruchsvoll genug.

Scharbatke: Irgendwann hatte ich das Gefühl im Tischler-Handwerk ausgelernt zu haben und dann kam ich auf die Idee Instrumente zu bauen, weil ich dort weiter lernen konnte. Vor allem was die Feinheit und die Materialqualität angeht ist das eine Steigerung. Außerdem wollte ich immer selbstständig sein und das war als Instrumentenbauer viel einfacher.

kurt: Ist der Gitarrenbau dann für Sie eher Kunst als Handwerk?

Scharbatke: Eine Steigerung in der handwerklichen Arbeit, was die Genauigkeit oder die Erfahrung anbelangt. Instrumentenbauer verstoßen eigentlich gegen jede Regel im Tischler-Handwerk. Wenn mein Tischler-Meister sehen würde, wie Gitarrenbauer arbeiten, würde er die gar nicht ernst nehmen und als Bastler bezeichnen. Aber ich habe die Fertigkeiten aus dem Tischler-Handwerk mit rüber genommen. Alle berühmten Gitarrenbauer, wie z.B. Antonio Torres, dem Stradivari des Gitarrenbaus, waren Tischler.

kurt: Sie benutzen sehr exklusive und teure Hölzer, die teilweise unter Artenschutz stehen. Wie funktioniert das?

Scharbatke: Meine ganzen Holzbestände habe ich schon in den 80er-Jahren gekauft und musste sie beim Bundesamt für Naturschutz anmelden. Wenn ich bei einer Gitarre z.B. Rio-Palisander verwende, muss das Instrument fotografiert werden. Die verbrauchte Menge an Palisander wird dann von meinem legalen Vorrat abgezogen. Erst dann bekomme ich die offizielle Bescheinigung für das fertige Instrument, die immer beim Instrument bleibt, ähnlich wie ein Fahrzeugschein beim Auto.

kurt: Sehen Sie denn abgesehen vom schwindenden Vorrat an besonderem Holz Ihr Handwerk in Gefahr, weil die Massenproduktion übermächtig wird?

Scharbatke: Nein. Immer wenn es so eine Entwicklung wie die Massenproduktion gibt, wird auch eine kleine Nische bleiben, die von genug Kunden honoriert wird. Alle Gitarren, die ich baue, kann ich auch verkaufen. Ich baue immer zwei Gitarren gleichzeitig. Das hat sich so eingestellt, weil es einfach von der Hand geht. Die Bestandteile, zum Beispiel Hälse, Decken, Zargen oder Böden fertige ich in Kleinserien. Aus diesen fertigen Bestandteilen baue ich dann die Gitarren. Ich bin sozusagen mein eigener Zulieferer. Eine Gitarre von vorne bis zum Schluss als Einzelstück zu bauen, wäre unbezahlbar. Ich baue auch nicht besonders viele Instrumente und jedes davon ist vorbestellt.

kurt: Wenn die Instrumente vorbestellt sind, sind das dann Maßanfertigungen?

Scharbatke: So würde ich es nicht nennen. Das ist eher eine Markenentscheidung. Sie bestellen eine Scharbatke-Gitarre und müssen dann ein bis zwei Jahre warten. Vergleichbar mit dem Autokauf. Ich kann mich für ein Modell entscheiden und habe dann nur Einfluss auf die Farbe oder die Ausstattung. Das Modell bleibt aber das gleiche.

kurt: Der Kopf der Gitarre ist Ihr Markenzeichen. Woran erkennt man eine Scharbatke?

Scharbatke: Meine Köpfe sind oben sehr gerade und ich lasse die Mechanik ein, die sonst nur aufgeschraubt wird. Oft wird mein Stil mit Bauhaus oder Art Déco verglichen. Normalerweise sieht man an der Krone einer Gitarre, wer sie gebaut hat. Diese Unterscheidung war mir aber zu wenig, deshalb habe ich mir den ganzen Kopf vorgenommen.

Gitarrenbauer Scharbatke erklärt die Besonderheiten seiner Gitarrenköpfe.

Ich will versuchen das Instrument aus dieser Folklore-Ecke herauszuholen. Einerseits sind da die Gitarristen gefragt, indem sie andere Stücke spielen, die nichts mit Folklore zu tun haben und ich versuche es in der Ästhetik. Meine Vorbilder kommen nicht aus dem Instrumentenbau, sondern aus der Architektur oder Kunst. Ich versuche der Gitarre eine Ästhetik zu geben, wie bei einem Steinway-Flügel – schwarz, schlicht und ergreifend.

Da ist dann doch die Antwort auf die Frage, ob er sein Handwerk als Kunst versteht. Als Kunst. Und das auf eine ganz eigene Art. Zwischen den Fragen erzählt Roland Scharbatke sehr enthusiastisch alles über den Werkstoff Holz. Über verschiedene Holzarten, deren Eigenschaften, über Markstrahlen, Fasern, Spiegel und wie Holz gespaltet oder gesägt werden muss. Jede Erklärung unterstreicht, dieser Mann lebt für und mit dem Werkstoff Holz.

Schließlich öffnet der Meister einen Koffer mit einer fertige Gitarre. Tatsächlich sieht sie sehr elegant, schlicht und hochwertig aus. Er schlägt nur ein paar Saiten an und es ist sofort zu hören, dass man den Klang nicht mit einer „normalen“ Gitarre vergleichen kann. Er ist viel obertonreicher und strahlender als erwartet, weshalb diese Instrumente Konzertgitarren sind.

kurt: Wie erreichen Sie denn diesen tragfähigen, strahlenden Klang?

Scharbatke: Das hat in erster Linie etwas mit Erfahrung zu tun. Ansonsten spielt Statik und Schwingungsverhalten eine große Rolle, was ich durch eine eigene Leisten-Konstruktion an der Deckeninnenseite erreiche. Ich glaube nicht daran, dass Klang berechnet werden kann. Jedes Holz ist anders. Intuition ist wichtig. Oder besser gesagt, die Intuition wird durch Erfahrung zielgerichteter und genauer. Man muss das Material zu 100 Prozent kennen und wissen wie es reagiert. Es ist immer ein Balanceakt.

kurt: Merken Sie denn schon beim Bau einer Gitarre, wie sie später mal klingen wird?

Scharbatke: Ja. Wenn ich zum Beispiel Decken mache, werden einige schon frühzeitig aussortiert, sodass nur wenige übrig bleiben. Bei denen weiß ich dann hundertprozentig, dass sie gut klingen werden. Es ist auch schon einige Male in der frühen Bauphase vorgekommen, dass ich eine Gitarre gar nicht zu Ende gebaut habe. Da gehe ich kein Risiko ein.

kurt: Gibt es denn Lieblinge unter ihren Gitarren oder die eine, die Sie eigentlich nicht hergeben wollen?

Scharbatke: Nein eigentlich nicht. Ich gebe die Instrumente gerne ab, weil ich ja will, dass sie gespielt werden. Es ist ganz merkwürdig, man denkt immer: die nächste wird noch besser. Deshalb ist die vorige nicht schlechter, aber man denkt immer man bekommt noch so ein Tacken mehr Erfahrung. Die nächste wird immer die Beste.

Roland Scharbatke ist Perfektionist. Sonst wären seine Gitarren wahrscheinlich auch nicht so besonders. Mit seiner Ruhe und dem tiefen Verständnis zum Material wird in seiner Werkstatt der Instrumentenbau zur echten Handwerkskunst.


Geigenbau Luthiera, Wuppertal

Sarah C. Meyer ist eine junge Geigenbauerin, die ihre Werkstatt erst vor wenigen Monaten in einem alten Postamt in Wuppertal eröffnet hat. Die Besonderheit: hier darf man sich als Kunde selbst am Instrumentenbau versuchen. Sarah Meyer bietet Kurse und Workshops an, bei denen man kleinere Reparaturen unter Anleitung selbst erledigen darf. Kurt hat sich dieses Angebot genauer angeschaut und mitgeholfen einen Geigenbogen mit neuen Haaren zu bespannen.


Fotos und Beitragsbild: Samuel Binder-Köhrer

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1 Kommentare

  1. says: Markus Richter

    Vielen Dank für den interessanten Artikel über Instrumentenbau. Es ist schön zu wissen, dass sogar einige sehr gewöhnliche Instrumente wie Gitarren immer noch von Hand gefertigt werden. Die Arbeit des Gitarrenbauers scheint sehr faszinierend zu sein. Es ist sicherlich eine sehr beliebte Entwicklung für Tischler.

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