Darum wird es in NRW vorerst keinen LGBTI-Unterricht geben

Schülerinnen und Schüler in Schottland haben bald ein neues Thema auf dem Lehrplan: Als erstes Land der Welt wird dort in Zukunft LGBTI unterrichtet. Das heißt, Schüler lernen mehr über Rechte von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen sowie deren Identitäten und Geschichte. In NRW wird es so ein Fach wohl erst einmal nicht geben. 

Die schottische Regierung hat die Einführung des LGBTI-Unterrichts in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe namens „TIE“ („Time for Inclusive Education“) beschlossen. Für die LGBTI-Community bedeutet das einen enormen Erfolg, sie setzt sich seit Jahren für eine verbesserte Integration der Thematik in das Bildungssystem ein. Eine Studie der TIE zeigt, wie wichtig Aufklärung und der Kampf gegen Diskriminierung sind: Demnach sind neun von zehn LGBTI-Schülern in Schottland schon mit Homophobie konfrontiert worden. 27 Prozent der Befragten unternahmen einen Selbstmordversuch aufgrund von Anfeindungen und Mobbing.

Was bedeutet LGBTI?
Die Abkürzung LGBTI kommt aus dem Englischen und meint Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Intersexual Persons, also Menschen, deren Sexualität und Geschlechtsidentität nicht klassisch-traditionell sind. Deren Rechte werden in verschiedenen Organisationen und Kampagnen vertreten wie beispielsweise von TIE in Schottland.

Was genau soll denn jetzt zukünftig unterrichtet werden? 

In Schottland soll der Kampf gegen Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen behandelt werden. Staatliche Schulen sind angehalten, verstärkt gegen Homo- und Transphobie vorzugehen, mehr Aufklärung zu leisten und betroffene Schüler besser zu unterstützen. Die Inhalte werden dabei fachübergreifend vermittelt, also nicht in einem gesonderten Schulfach. Die weltweit einzigartige und verbindliche Verankerung der Lernziele in den Lehrplänen ist laut Jordan Daly, Mitgründer von TIE, ein historischer Moment für das Land. Er sagte gegenüber dem Guardian:

In einer Zeit weltweiter Unsicherheit sendet dies eine starke Nachricht an alle jungen LGBTI-Menschen da draußen: Ihr werdet hier in Schottland wertgeschätzt.

Wie sieht’s in Deutschland aus?

In Deutschland gibt es keinen verbindlichen LGBTI-Unterricht. Laut Autonomem Schwulenreferat der TU Dortmund sind queere Themen im Kontext der Sexualerziehung zwar in einigen Bundesländern in die Lehrpläne integriert, eine Ausweitung sei aber wünschenswert. In Nordrhein-Westfalen sind LGBTI-Themen nach Angaben des Bildungsministeriums seit rund zwei Jahren Teil der Lehrerausbildung. Außerdem gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Projekt “Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie”, das sich für die Akzeptanz von unterschiedlichen Lebensweisen einsetzt und gegen die Diskriminierung von LGBTI-Personen an NRWs Schulen vorgehen soll.

Betrachtet man Deutschland im Allgemeinen, liegt es im oberen Mittelfeld eines Europa-Rankings von LGBTI-Menschenrechten. Die Organisation “Rainbow Europe“, erstellt dieses Ranking jährlich für alle europäischen Länder. Laut der britischen Zeitung The Herald gilt dagegen Schottland, betrachtet man das Land unabhängig von Großbritannien, seit Jahren als LGBTI-freundlichstes Land. Hier sitzen mit 7,8 Prozent zum Beispiel weltweit die meisten LGBTI-Personen im Parlament.

Könnte man in NRW ein LGBTI-Schulfach einführen?

In Nordrhein-Westfalen gibt es aktuell keine Bestrebungen, LGBTI-Rechte und -Geschichte explizit zu unterrichten. Das sagte David Kölle, ein Sprecher der Ministeriums für Schule und Bildung in NRW, auf Anfrage. Allerdings gebe es in den Lehrplänen bereits durchaus Raum für LGBTI-Themen im Rahmen der sogenannten “Kompetenzorientierungen”. In diesen Zielen wird festgelegt, was im Laufe einer Schullaufbahn, beispielsweise der Gymnasialzeit, an Kompetenzen vermittelt werden soll. Entgegen des allgemeinen Glaubens werden in den Lehrplänen nämlich keine konkreten Inhalte bestimmt. Um Schülern zum Beispiel das Kompetenzziel “Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie” nahezubringen, könnte eine Lehrkraft auch auf LGBTI eingehen.

Grund dafür ist die sogenannte pädagogische Freiheit, die auch gesetzlich verankert ist. Demnach ist es den Lehrkräften beziehungsweise dem Leitbild der jeweiligen Schule überlassen, wie sie die entsprechenden Kompetenzziele im Detail umsetzen. Es sei laut Autonomem Schwulenreferat wichtig, rechtzeitig mit Schülern zu sprechen, um durch die Wissensvermittlung Vorurteilen und Diskriminierung vorzubeugen. “LGBTI-Phobie ist immer noch verbreitet und richtet gerade in Schulen und beim Erwachsenwerden großen Schaden an.”

Was ist überhaupt nötig, um ein neues Schulfach einzuführen?

Laut Bildungsministerium ist die Einführung eines neues Schulfachs rechtlich gesehen recht einfach. Hierfür muss theoretisch “nur” die Stundentafel in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung geändert werden. Allerdings muss vorher eine Reihe von Bedingungen geprüft und im zuständigen Landtagsausschuss beschlossen werden: Gibt es überhaupt ausgebildete Lehrer für das geplante Schulfach oder müssen Ressourcen im Haushalt für neue Lehrerstellen bereitgestellt werden? Welche Inhalte sollen konkret gelehrt werden? Außerdem wird entschieden, ob durch das neue Fach der Unterrichtsumfang, also die „Arbeitszeit“ der Schüler erhöht werden soll, oder diese Zeit dann in einem oder mehreren anderen Fächern reduziert wird. Wie lange dieser Prozess durchschnittlich dauert, kann das Bildungsministerium nicht eindeutig sagen. “Das hängt eben sehr von dem Fach ab, das eingeführt werden soll”, sagte Kölle. Gebe es beispielsweise keine Lehrkräfte für das betreffende Fach, könne sich alles ganz schön ziehen. Die Einführung des islamischen Religionsunterrichts etwa startete Anfang 2011 mit einem Umsetzungsvorschlag. Im Dezember desselben Jahres verabschiedete der Landtag ein entsprechendes Gesetz, ab 2012/13 wurde dann der Lehramtsstudiengang “Islamische Religionslehre” angeboten. Bis heute kann das Fach nicht an allen Schulen des Landes unterrichtet werden.

Die Einführung des LGBTI-Unterrichts bei uns bleibt aber nur theoretisch: In NRW gibt es im Gegensatz zu Schottland keine Pläne, LGBTI-Unterricht einzuführen.

 

 

 

 

 

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