Kommentar: Wie Langenscheidt der Jugend die Identität raubt

Sprache schafft Identität. Ob Landessprache oder Dialekt – wer dieselbe Ausdrucksweise benutzt, fühlt sich auf gewisse Art verbunden. Junge Leute können sich durch Jugendsprache von der älteren Generation abgrenzen. Aber was, wenn die Alten anfangen, deine Sprache, mit der du dich von ihnen abgrenzen willst, zu beeinflussen?

Der Langenscheidt-Verlag hat mit einem genialen Marketing-Gag eine Methode gefunden, jugendlichen Menschen ihre Redesart  zu verderben. Seit 2008 wählt eine 21-köpfige Jury bestehend aus Jugendlichen, Jugendmedienvertretern und Sprachwissenschaftlern das Jugendwort des Jahres. Die Jury kriegt mediale Aufmerksamkeit und Langenscheidt durch die Onlineabstimmung rund eine Millionen Aufrufe auf ihrer Website. Nach der Bekanntgabe des Jugendwortes des Jahres wird dieses von absolut jedem Medienunternehmen  aufgegriffen – und alle freuen sich.

Um so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu erzeugen, provoziert man für gewöhnlich mit der Kür eines möglichst furchtbaren Wortes wie im letzten Jahr: „I bims“. Dieses Jahr gibt es allerdings eine Trendwende: Das Jugendwort des Jahres klingt mehr nach einem Begriff aus dem letzten Jahrhundert: „Ehrenmann“ oder auch „Ehrenfrau“ – ein Begriff für jemanden, auf dessen Wort man sich verlassen kann und der ein hohes Ansehen genießt.

Mir fallen dazu drei Dinge ein. Erstens: Das kommt doch aus dem Mafia-Jargon. „Uomini d’onore“ bedeutet auf italienisch „Männer der Ehre“ und die Mitglieder der sizilianischen Mafia „Cosa Nostra“  bezeichnen sich selbst so.

Zweitens: Ehrenhaftigkeit ist ein subjektives Attribut, jeder versteht etwas anderes darunter und so könnte die Person, die in den Augen des einen ein Ehrenmann ist, der Meinung anderer zufolge ein regelrechtes Schlitzohr sein. Gerade in einer Generation, die zumindest laut eines weiteren Vorschlags gerne „breiert“ – was so viel heißt wie “sich übergeben und dann weiterfeiern” – ist die einheitliche Definition eines Ehrenmannes wohl eher kompliziert.

Drittens: Zu mir hat das noch nie jemand gesagt. Ich hoffe, dass das nicht an meiner Art liegt, sondern vermute, dass ich mit 23 Jahren wohl einfach nicht mehr “fresh” und “fly” genug bin, um den Geist der Jugendsprache zu verstehen. Langenscheidt schreibt: „Ein Jugendwort ist allgemein ein Wort, das vor allem Jugendliche zwischen elf und 19 Jahren verwenden.“ Aha! Habe ich altes Haus wohl verpasst.

Sheeeesh! Die Lauchs von Langenscheidt suchen immer lan wacke Wörter aus – küss dein Auge für die verbuggte Darstellung der Jugendkultur, manchmal sollte man lindnern.

Auf Deutsch: „Dein Ernst?! Die Trottel von Langenscheidt suchen immer krass uncoole Wörter aus – vielen Dank für die fehlerhafte Darstellung der Jugendkultur, manchmal sollte man etwas lieber gar nicht machen, als es schlecht zu machen“.

Liebe Sprachexperten und Langenscheidt-Jury: Jugendsprache soll vereinfachen. Man verwendet Anglizismen, lässt Artikel oder Präpositionen fallen. Aber man macht die Sache nicht komplizierter, als sie ist. Sich jedes Jahr über zehnsilbige Begriffe aus dem Beamtendeutsch aufzuregen ist okay. Aber jedes Jahr eine Liste mit Wörtern, die keiner versteht – außer den Sprachwissenschaftlern, die sie erfunden haben – zu veröffentlichen, es “Jugendsprache” zu nennen und dafür dann die “Props” abzustauben ist “verbuggt” und macht die eigentliche Jugendsprache kaputt.

Wer braucht überhaupt ein Jugendwort des Jahres? Können Jugendliche nicht einfach sprechen, wie sie möchten? Laut des Verlages soll das Jugendwort des Jahres „darauf aufmerksam machen, wie kreativ junge Menschen mit Sprache umgehen.“ Alles klar! Um zu zeigen, wie kreativ Erwachsene mit Sprache umgehen, küre ich das Wort „Burkiniverbot“ zum Erwachsenenwort des Jahres. Enttäuschend wäre die Ideenlosigkeit beim Kleinkinderwort des Jahres, wenn es zum wiederholten Mal „Mama“ lauten würde. Favorit für den Jugendsatz des Jahres ist übrigens: „Was ist das Jugendwort des Jahres für ein Mist.“.

Beitragsbild: Eneas De Troya , lizenziert nach Creative Commons

Bearbeitung: Jan-Lukas Schmitt

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