Silvester: Schon mal ans Bett gedacht?

Spätestens wenn das Halloween-Kostüm wieder verstaut ist, verfallen die Menschen kollektiv in Panik, den perfekten Silvesterabend verbringen zu müssen. Panisch gehen die ersten Nachrichten an Freunde raus, die Ausschau nach dem schillerndsten Glitzerkleidchen beginnt und die Suchleiste im Browser wird dominiert von Suchanfragen nach perfekten Partylocations. Einen Ort vergessen die meisten in ihrer Planung komplett: Das Bett. Dabei ist es doch für viele das ganze Jahr der allerbeste Ort auf der Welt. Warum nicht auch an Silvester? Ein Einblick in die Gedankenwelt des vergessenen Bettes.

Das ganze Jahr über sehnst du dich nach mir. Jeden Tag kannst du es kaum abwarten, mich am Abend endlich wiederzusehen. Ich habe schon oft gehört, wie du mich deinen Lieblingsort genannt hast. Das war Balsam für meine Matratze. Aber einmal im Jahr, am letzten Tag des Kalenders, fällst du mir ins Lattenrost: Dann bin ich unerwünscht, langweilig und ein Ausdruck sozialer Unfähigkeit. Einfach nur, weil es der letzte Tag des Jahres ist. Sobald die Halloween-Dekoration die Straßen verlassen hat, verschwendest du die ersten Gedanken daran, wie du mir entkommen könntest am letzten Tag des Jahres – du willst überall sein, aber nicht bei mir. Ich bin dann nicht gut genug.

Einmal im Jahr: Überfüllte Schuppen und Hauspartys bei Fremden

Du verbringst Silvester in einem dieser völlig überfüllten Schuppen mitten in der Stadt, die du das ganze Jahr auch besuchen könntest, es aber nie tust. Diese Schuppen, die gefühlt mehr Leute fassen als ein Fußballstadion und riechen wie ein Bierfass von innen. Die, die die eigentlich viel zu schlechten Mainstream-Songs des vergangenen Jahres so laut aus den Boxen dröhnen lassen, dass beim Verlassen des Raumes nur ein Piepen im Ohr übrigbleibt. Dafür musst du dann ordentlich zahlen: Während des Jahres sind die üblichen sieben Euro Eintritt zu teuer. Aber an Silvester klingen 15 Euro verlockender als ein Abend mit mir – autsch. Aber es ist ja der letzte Tag des Jahres, der muss pompös sein. Vielleicht zieht es dich auch zu einer dieser Hauspartys bei einem der Cousins des Kumpels des Bruders deiner besten Freundin. Dessen Wohnung viel zu klein ist, um den gesamten Studiengang plus Anhang aufzunehmen. Wo du niemanden kennst und die, die du kennenlernst, deinen Namen am nächsten Morgen gemeinsam mit ihren peinlichen Sprüchen und dem zwanzigsten Glas Vodka-Energy vergessen haben. Wo fremde Typen die Mädels drei Mal anquasseln und dann beim vierten Mal schon wieder ignorieren, dass sie absolut nicht nach dem Feuerwerk mit ihnen nach Hause wollen. Eigentlich willst du lieber zu mir, aber heute feierst du dem neuen Jahr entgegen – und da bin ich unerwünscht. Weil sich alle so sehr auf das neue Jahr freuen, sind die Mädels damit beschäftigt inklusive Hübsch-mach-Filter auf Instagram & Co. mitzuteilen, wie viel Spaß sie haben. Ohne Filter geht es nicht: Denn die falschen Wimpern sitzen nach zig Tequila-Shots nicht mehr an der richtigen Stelle.

Besonders, besonderer, Silvester

Ich akzeptiere dich auch ohne Filter. Aber zu mir willst du heute nicht. Du suchst dir lieber stundenlang das perfekte Glitzeroutfit aus, das aussieht, als würdest du das Lametta des Weihnachtsbaums wiederverwenden. Ich bin nur noch die Ablage für schimmernde Kleidungsstücke. Die könntest du das ganze Jahr tragen – wenn sie dir wirklich gefallen würden. Und warum das alles? Für einen Tag, der ist wie jeder andere. An dem morgens die Sonne aufgeht und abends wieder untergeht. Für einen Tag, der auch nur 24 Stunden dauert und dessen Folgetag kein neues Leben mit sich bringt. Aber dieser Tag ist ja der letzte des Jahres, deshalb muss er was Besonderes sein, sagen alle. Besonders aufregend, besonders krachend, besonders anders als das, was dir sonst gefällt und du tun würdest, wenn es keinen gesellschaftlichen Druck gäbe. Aber das blendest du aus, redest es dir schön und sagst: „Im Bett kann ich doch immer sein.“ Genau. Bei mir kannst du immer sein – auch am letzten Tag des Jahres.

 

Beitragsbild: Unsplash/Muillu, Noah Carter

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