Müde, gereizt und einfach nicht in der Lage, sich zu konzentrieren – so fühlen sich viele Menschen nach der Zeitumstellung auf die Sommerzeit. Auch Schlafmediziner warnen vor den negativen Auswirkungen. Zeit also, die Umstellung abzuschaffen. Ein Kommentar.
Vor etwa hundert Jahren wurde zum ersten Mal an der Uhr gedreht, nämlich 1916 im Ersten Weltkrieg. Damals mit dem Ziel, Energie zu sparen. Heute zieht dieses Argument schon lange nicht mehr. Denn Energie lässt sich mit der Zeitumstellung gewiss nicht sparen – die Stromkosten sinken zwar minimal, aber dafür steigen die Heizkosten dank der langen, dunklen und kalten Morgen stetig an. Das bestätigt das Umweltbundesamt.
Zwar ist die Sommerzeit schon über 100 Jahre alt, aber keines Falls ein fester Bestandteil in Schlaf- und Wohnzimmern. Erst seit 1980 existiert die halbjährliche Spielerei an der Uhr in Deutschland und führt zur allgemeinen Verwirrung – wird die Uhr vor- oder zurückgestellt? Wird es draußen früher oder später dunkel?
84 Prozent wollen die Abschaffung der Zeitumstellung
Nun hat sich das Europäische Parlament vor Kurzem für eine Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. Natürlich handelt es sich dabei nur um eine Empfehlung, der jedes Land folgen kann, wenn es möchte. Bevor es diese Empfehlung aussprach, wurde von der EU-Kommission eine EU-weite, repräsentative Online-Umfrage durchgeführt. 84 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Abschaffung aus.
Normalerweise sollten die Zeiger entsprechend der Normalzeit, also der Winterzeit, laufen. Aber Deutschland liebäugelt mit der ewigen Sommerzeit, was die falsche Wahl wäre. Die Sommerzeit birgt viel mehr gesundheitliche Risiken für Körper und Geist, wie die Mehrheit der Somnologen und Chronobiologen sowie Professor Dr. Lennart Knaack, Somnologe der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, erklären.
„Der Körper braucht bis zu vier Wochen, um sich an die Umstellung zu gewöhnen.”
Eine der Risiken: Der „Mini Jet-Lag“, der bei der Umstellung von der Winterzeit zur Sommerzeit entsteht. Selbst wenn es sich nur um eine Stunde handelt, haben viele Menschen Symptome wie bei einem echten Jet-Lag. Dies bringt viele Schwierigkeiten mit sich. Zunächst ist da die geklaute Stunde Schlaf. Laut Professor Dr. Knaack beginnt schon hier das Problem – der Schlafmangel. Der beschränke sich nicht nur auf einen Tag, sondern mindestens auf die gesamte Arbeitswoche. Denn die Uhren werden von Samstag auf Sonntag vorgestellt, sodass man direkt schon mit weniger Schlaf zur Arbeit gehen müsse. Das ziehe sich dann auch über die nächsten Tage der Arbeitswoche.
Auch wenn einige es nicht bemerken, so brauche der Körper vier Wochen, bis er sich an die Zeitumstellung angepasst habe. Das sei ein unglaublich großer Stress für den Körper, der zu weiteren Probleme führe: Einschlafstörungen, Probleme morgens rechtzeitig aus dem Bett zu kommen, erhöhtes Unfallrisiko durch Konzentrationsmangel und auch ein größeres Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck. Auch das Stresshormon Kortisol ist laut Knack um bis zu fünf Prozent erhöht, was den Körper zusätzlich anfälliger für Krankheiten macht.
Es spricht mehr gegen die Sommerzeit
Schlafmangel hat neben Konzentrationsmangel und dadurch schlechterer mentaler Leistungsfähigkeit auch einen anderen negativen Effekt – man nimmt zu. Je weniger Schlaf, desto größer wird der Hunger auf kalorienreiches Essen. Durch die Müdigkeit wollen wir uns auch nicht so viel wie sonst bewegen. So setzen sich die Kalorien direkt an unseren Hüften ab. Das belegen Studien der Universität Berkeley in Kalifornien.
Ein weiterer Grund gegen die Sommer- und für die Winterzeit ist das Licht. Im Sommer wird es später hell, bleibt es aber dafür auch länger. Und genau hier liegt laut Lennart Knaack auch der Knackpunkt. Wir brauchen Licht, um unseren Körper und unsere Schlafphasen zu synchronisieren. Und diese Synchronisierung erfolge eben durch Licht, weswegen wir morgens im Dunkeln nicht in die Pötte kommen und nicht so aktiv sind.
Andere Länder haben es uns schon vorgemacht und gezeigt, dass sich die Lebensqualität durch die Abschaffung der Zeitumstellung nicht verschlechtert. Bei einer Abschaffung der Zeitumstellung sollte sich aber auf die Winterzeit statt auf die Sommerzeit geeinigt werden. Obwohl man vielleicht spätere Sonnenuntergänge und längeres Sitzen im Garten dafür einbüßen muss, so sprechen die gesundheitlichen Faktoren eindeutig gegen die ewige Sommerzeit. Und außerdem: Zusammen draußen beim Lagerfeuer oder Grillen sitzen kann man eh besser, wenn es dunkel ist.