Paula ist eine von 188 TU-Studierenden, die in diesem Sommersemester einen Auslandsaufenthalt angetreten haben. Etwa 70% davon sind nach Angaben des Referat Internationales bereits wieder zurück nach Deutschland gekommen. In Zeiten von Corona ist die Lage dieser sogenannten Outgoings unsicher: Wie sieht ein Auslandssemester derzeit aus?
Eigentlich sollte sie jetzt in Italien sein: „In einem kleinen Haus in der Nähe vom Hafen von Triest, mit einem Garten, in dem Blumen blühen und Vögel zwitschern, weil in Italien längst Frühling ist“, sagt Paula, 21 Jahre alt und Studentin der Angewandten Literatur- und Kulturwissenschaften im sechsten Semester.
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Stattdessen sitzt sie im Haus ihres Vaters in der Nähe von Münster. Ihr Auslandsaufenthalt war nur zwei Wochen lang und wurde beendet, noch bevor das Semester an der Università degli studi di Trieste überhaupt angefangen hat. Auch in Italien wurde der Semesterstart verschoben, bevor die Regierung in Rom am 9. März die „rote Zone“ auf das gesamte Land ausbreitete. Das bedeutet nicht nur, dass Paula nicht studieren kann, sondern auch, dass sie in häuslicher Quarantäne hätte bleiben müssen. Und das in einer Umgebung, in der sie sich nicht eingelebt hat, ganz ohne Familie und Freunde.
– Informationen vom Referat Internationales
„Als feststand, dass ganz Italien abgeriegelt wird, war für mich klar, dass ich versuchen würde, nach Hause zu fliegen“, sagt Paula. Vom einen auf den anderen Tag habe sie sich das Gröbste zusammengepackt und sei mit einem der letzten Flüge aus Italien zurück nach Hause gekommen. Diese Entscheidung sei ihr nicht leichtgefallen: „Mein Leben in Deutschland hatte ich vor dem Auslandssemester quasi eingefroren: Meine Wohnung in Dortmund ist zwischenvermietet, meinen Nebenjob habe ich gekündigt und der Großteil meiner Kleidung ist nach wie vor in Italien.“ Eine weitere Unsicherheit war außerdem:
Zählt das „Nachhause-Kommen“ als Abbruch des Auslandssemesters?
„Am Anfang war ich unsicher, ob ich überhaupt jemanden davon informieren soll, dass ich wieder zurück in Deutschland bin“, sagt Paula. Aus Angst, dann die Erasmus-Förderung wieder zurückzahlen zu müssen. Denn wenn man das Auslandssemester bereits nach zwei Wochen abbricht, muss man normalerweise die im Voraus ausgezahlte Erasmus-Förderung wieder zurückerstatten. Das hat ihr große Sorgen bereitet. Es sei ihr zwar geglückt, das Land zu verlassen, die Miete für die Wohnung in Triest müsse sie aber weiterhin zahlen. Und auch für die Kosten des „Not-Fluges“ zurück nach Deutschland musste sie selbst aufkommen. Für sie war das Auslandssemester bisher nicht nur kurz, sondern auch teuer.
Die Corona-Pandemie fällt unter „Höhere Gewalt“
Die aktuelle Corona-Krise hat Paula dazu gezwungen, Italien zu verlassen – sie hat sich nicht freiwillig dazu entschieden. Eine Pandemie fällt unter die Kategorie „Höhere Gewalt“. In dieser Ausnahmesituation werde es im Rahmen der einzelnen Stipendienprogramme Regelungen geben, damit Studierende einen Teil der Förderung behalten können, so das Referat Internationales. Momentan sei der Prozess dynamisch und das Referat Internationales müsse sich erst einen Überblick verschaffen: „Alle Studierenden werden zu einem späteren Zeitpunkt genauer informiert.“
Man kann das Auslandssemester im Internet fortsetzen
„Die Universität in Triest bietet Online-Kurse an, an denen ich von zuhause aus teilnehmen kann“, sagt Paula. „So kann ich weiterstudieren.“ Nach Angaben des Referat Internationales habe die Europäische Kommission entschieden, dass die von den Partnerhochschulen im Ausland angebotenen Online-Kurse von den Studierenden genutzt werden können. Paula kann also ihr Auslandssemester über das Internet abschließen und bekommt einen Teil der Erasmus+ Förderung, obwohl sie nicht mehr in Italien ist.
-Informationen vom Referat Internationales
Das sei eine Erleichterung, sagt sie. Ihr Auslandssemester habe sie sich dennoch anders vorgestellt: Gelato essend durch Triests Gassen bummeln, neue Freunde kennenlernen, das Italienisch verbessern, ein neues Lebensgefühl und ein anderes Studierenden-Dasein erleben. Stattdessen sei sie jetzt in Deutschland, schlafe in ihrem alten Kinderzimmer mit Leuchtsternen an der Decke und sitze jeden Tag vorm Laptop für die Online-Kurse. „Wahrscheinlich ist das immer noch die beste Lösung“, sagt Paula. Schließlich sei die momentane Lage für niemanden optimal und die Zukunft nicht vorhersehbar. Trotzdem hofft sie, dass sich das Leben bald wieder normalisiert und sie ihr Auslandssemester auch wirklich in Italien, und nicht nur im Netz beenden kann. Schon weil im Internet keine Sonne scheint.
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