Er gehört für viele zu Weihnachten wie Kerzen und Glühwein: der Weihnachtsbaum. Doch kann man das überhaupt guten Gewissens machen: Alle Jahre wieder einen Baum kaufen, nur um ihn wenig später zu entsorgen? Wir erklären, wie nachhaltig unsere Weihnachtsbäume sind und welche Öko-Alternativen es gibt.
Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 25 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. Corona werde daran nicht viel ändern, sagt Saskia Blümel, Pressesprecherin des Bundesverbands der Weihnachtsbaumerzeuger. Zwar kauften weniger Firmen Bäume, dafür aber mehr Privatpersonen, weil viele zuhause feiern – auch junge Menschen. “Wer mit einem Naturbaum groß geworden ist, kauft sich mit großer Wahrscheinlichkeit später selbst einen”, vermutet Blümel.
Weihnachtsbäume werden ökologischer: weniger Pestizide, mehr Regionalität
So vielfältig wie die Kundschaft ist die Herkunft der Bäume aber nicht: Sie sind größtenteils Nordmanntannen aus Sonderkulturen in Deutschland, so Blümel.
“90 Prozent der Weihnachtsbäume kommen aus Deutschland, zum größten Teil aus dem Sauerland, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.”
Der Pestizid-Einsatz ist laut dem Branchenverband in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Zudem sei er nicht vergleichbar mit dem in der herkömmlichen Landwirtschaft. Dennoch gibt es Kritik von Umweltschützer*innen.
Pestizide schaden Mensch und Umwelt
Drei von vier Christbäumen sind laut Naturschutzbund (Nabu) Bremen mit mindestens einem Pestizid belastet. Diese schaden nicht nur der Umwelt, sondern auch den Menschen: Das Gift in den Bäumen gelangt durch Ausdünstungen in die Raumluft und kann besonders für Kinder, Ältere und Vorerkrankte gefährlich sein. Nierenschäden und Krebs können laut Sönke Hofmann, Geschäftsführer des Bremer Nabu, die Folge sein.
Vor allem in dicht bepflanzten Anbauflächen werden Unkrautvernichter verwendet. Sie sollen verhindern, dass Gras unter den Tannen wächst, damit diese auch unten herum volle Zweige haben, erklärt Thomas Quittek vom BUND Dortmund. Der Einsatz des Gifts sei besonders in Hanglagen oder an Bachläufen ein großes Problem, denn so könne es auch ins Grundwasser gelangen.
Perfekte Weihnachtsbäume sind meist umweltschädlich
Der Schönheitswahn um den perfekten Baum begünstigt laut Hofmann den Einsatz weiterer Chemikalien: Nervengifte gegen Insekten, damit diese nicht die Nadeln anknabbern, Kunstdünger für die Nadelfarbe und Wachstumshemmer, damit das Bäumchen nicht zu groß wird. Für die Lagerung kommen dann noch Pilzmitteln gegen Schimmel hinzu.
“Aus einem unschuldigen Brauch ist längst eine sauber kalkulierte Umsatzspitze der Industrie geworden – getrieben vom übertriebenen Perfektionswahn vieler Verbraucher.”
Ralf Straußenberger von Waldreferat des Bunds für Naturschutz Bayern bemängelt in einer Pressemitteilung zudem die weiten Transportwege und die daraus resultierende Schadstoffbelastung. Außerdem fehlten wegen des Anbaus etwa 50 Tausend Hektar Land für die Nahrungsmittel-Erzeugung.
“Wir appellieren an Waldbesitzer und Förster, mehr Weihnachtsbäume aus ihren Wäldern anzubieten. Man geht davon aus, dass bisher nur etwa 5 Prozent der Weihnachtsbäume direkt aus dem Wald stammen.”
Streitfrage Monokultur
Auch Quittek vom BUND rät, auf Bäume aus der Durchforstung von Fichtenwäldern auszuweichen. Diese stünden meist weiter auseinander, bräuchten deshalb keine Unkrautvernichter und ließen Wildtiere zu. Monokulturen, also Anbauflächen mit nur einer Baumart, seien hingegen schlecht für die Artenvielfalt und kaum geschützt gegen Umwelteinflüsse wie die Borkenkäfer-Plage.
Blümel vom Bundesverband für Weihnachtsbaumerzeuger sieht in den Monokulturen allerdings auch einen Vorteil. “Junge Bäume verbrauchen mehr CO2, also ist es gar nicht so schlecht, manchmal einen Baum zu fällen, wenn dafür dann direkt ein neuer gepflanzt wird.” Diese Kulturen könnten zehn bis zwölf Jahre aufrechterhalten werden. Dann wird abgeerntet, Zwischenfrüchte werden gepflanzt und eine neue Kultur wird angebaut.
Wegen des Klimawandels: Nadel muss Laub weichen
Naturschützer Quittek warnt jedoch: “Längerfristig müssen wir weg vom Nadelbaum und hin zu dem hier auch natürlich wachsenden Laubbaum und dem Mischwald.” Allein schon wegen der Klimaerwärmung und der damit verbundenen Waldbrände, für die besonders die trockenen Nadelbäume anfällig sind.
Umweltfreundliche Alternativen ohne Chemie
Wer trotzdem nicht auf die geschmückte Tanne zum Fest verzichten will, hat Alternativen. Das Öko-Netzwerk Dortmund verkauft jedes Jahr chemiefreie Christbäume. Sie stammen aus Engelskirchen bei Köln, ohne lange Transportwege. Außerdem werden sie auf großer Fläche angebaut, die Schafe regelmäßig begrasen und so die Unkrautvernichter ersetzen.
120 Tannen stehen dieses Jahr zum Verkauf, man muss frühzeitig reservieren. “Die Nachfrage steigt, also scheinen immer mehr Menschen auch bei ihrem Weihnachtsbaum Wert auf Nachhaltigkeit zu legen”, freut sich Stephan Becker, Mitglied des Öko-Netzwerks. Dennoch: “Man kann nicht von heute auf morgen alles umstellen und auch der Preis spielt eine Rolle.” Mit etwa 24,50 Euro pro laufendem Meter kostet ein Bio-Baum rund drei bis vier Euro mehr als ein herkömmlicher.
Wie nachhaltig unser Weihnachtsbaum ist, entscheiden wir selbst
“Natürlich gehört der Baum zum Fest. Die Kosten für die perfekte Tanne sind für Mensch und Natur jedoch immens”, betont Hofmann vom Nabu. Deshalb regt er Alternativen an. So weiche man in Skandinavien schon auf die Kiefer aus. Auch eine Eigenkonstruktion aus Holz könne als Ersatz und später sogar als Insektenhotel dienen. Ansonsten empfiehlt er beim Förster oder der Gärtnerei in der Region und bio- oder FSC-zertifizierte Bäume zu kaufen.
Plastikbäume seien als Alternative die deutlich schlechtere Wahl, sagt Blümel vom Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger.
“Für einen Plastikbaum kann man sich 17-mal einen natürlichen kaufen, und da ist die Entsorgung des Plastiks noch nicht mit einbegriffen.”
“Beim Weihnachtsbaumkauf sollte man sich immer fragen: Wo kommt er her? Und wie wurde er angepflanzt?”, rät Quittek vom BUND. “Im großen Stil, wie beim Dortmunder Weihnachtsbaum, kann man ruhig kritisch hinterfragen, ob wir das wirklich brauchen. Aber für den persönlichen Gebrauch finde ich es legitim. Man sollte den Menschen diese Freude nicht nehmen, gerade während Corona.”
Teaser- und Beitragsbild (gespiegelt): unsplash.com/Aurelio Arentes