Starker Tobak — Snus im Faktencheck

Unter Sportlern als Aufputschmittel bekannt und unter Studierenden längst kein Geheimtipp mehr – der Oraltabak Snus ist auf dem Vormarsch. KURT erklärt, was es mit dem Hype, über den kaum einer offen sprechen will, auf sich hat.
Runde, flache Dosen – zumeist erinnern sie eher an einen Eishockey-Puck. Wer im vergangenen Jahr in einem gut sortierten Tabakladen war, hat sie vielleicht in einem schmalen Kühlschrank in der Nähe des Kassenbereiches wahrgenommen. Der Inhalt dieser Behältnisse ist aber strittig. So strittig, dass er inzwischen vom deutschen Tabakmarkt verbannt wurde.
Snus, auch Chew genannt, ist ein Oraltabak, der seit einigen Jahren für Aufsehen in Europa sorgt – speziell im Leistungssport. Der Hype kommt aus Schweden. Dort ist Snus (ausgesprochen: Snühs) schon seit Jahrzehnten beliebter als herkömmliche Zigaretten.

Und jetzt werden die kleinen Döschen mit einem Nettogewicht von etwa 14 Gramm auch im europäischen Ausland beliebter. In diesen Döschen verbergen sich entweder kleine Päckchen, die Teebeuteln ähneln, oder aber eine lose braune Tabakmasse in verschiedenen Stärkegraden. Die lose Tabakmasse, die es wahlweise auch in Beutelform gibt, direkt zwischen Oberlippe und Zahnfleisch geklemmt. Der Gebrauch findet rauchfrei statt.  Gelbe Finger und verfärbte Oberlippenbärte sind ausgeschlossen.

Was ausgesprochen süß klingen mag, kann es unter Umständen auch sein: Neben Tabak, Salz, Wasser werden gelegentlich Aromen von Lavendel, Anis oder Erdbeere künstlich hinzugefügt. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe zeigt schnell, Geschmacksverstärker sind reichlich vorhanden. Spätestens mit dem Hype durch einige Fußballstars aus diversen europäischen Top-Ligen rückte das Tabakerzeugnis plötzlich ins Rampenlicht – zumindest kurzzeitig. Auch unter Studierenden ist der ‚Nikotinkick’ aus dem Beutelchen längst kein Unbekannter mehr. Was in Schweden seit den 1970er-Jahren offiziell als Lebensmittel deklariert ist, verkörpert in Deutschland den Hauch von etwas Verbotenem. Wohl auch, weil der Kauf hierzulande illegal ist.

Kein leichter Einstieg

Als ‚Einstiegsdroge’ wird Snus wohl eher nicht herhalten, auch wenn es dazu keine wissenschaftlichen Befunde gibt. Doch allein die Art, wie der Oraltabak konsumiert wird, dürfte für viele Erstkonsumenten eher unattraktiv wirken. Selbst starke Raucher sind von der Stärke der Wirkung oft überrascht. Das enthaltene Nikotin wird direkt über die Mundschleimhaut in den Körper aufgenommen und hat so eine deutlich stärkere und längere Wirkung (von 15 Minuten bis zu einer Stunde) als beispielsweise eine herkömmliche Zigarette. Der Begriff ‚Nikotinkick‘ kommt nicht von ungefähr. Besonders bei den ersten Anwendungen ist die Wirkung nicht zu unterschätzen, Kreislaufprobleme, Übelkeit und enorme Kopfschmerzen sind die häufigsten Nebenwirkungen des skandinavischen Exportschlagers. Auch akute Zitteranfälle, Schweißausbrüche und ein Brennen des Zahnfleisches können bei Überdosierung des Oraltabaks auftreten.

Positive Statistiken – je nach Blickwinkel

Bei Tabakwaren einen pauschalen Gesundheitsvergleich zu wagen, ist normalerweise nicht angebracht. Aufgrund des Hypes lohnt es sich genauer hinzusehen, zum Beispiel nach Schweden. Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen, dass Schweden die niedrigste Raucherquote in der Europa hat, wohl auch durch den hohen Snus-Konsum. Andererseits hat sich das Land das Ziel gesetzt, bis 2025 rauchfrei zu sein. Der Konsum von Glimmstängeln und auch E-Zigaretten ist beispielsweise vor Lokalitäten verboten. Fest steht allerdings: Schweden weist die geringste Quote an Lungenkrebserkrankungen in Europa auf.

Snus zu verharmlosen, ist dennoch absolut falsch. Neben dem hohen Suchtfaktor steigt mit regelmäßigem Konsum das Krebsrisiko in Mund- und Rachenraum. Generell hat Tabakkonsum jeglicher Art erhebliche Auswirkungen auf das Herz, Gefäße und Kreislauf. So mancher Raucher nutzt Snus auch zur Entwöhnung von der Zigarette. Für diesen Zweck eignen sich spezielle Nikotinkaugummis allerdings besser. Sie sind oftmals deutlich schwächer dosiert als der Oraltabak. Schlucken empfiehlt sich weder bei Snus noch Kaugummi, beim Oraltabak ist das aber auch problematischer. Langfristige gesundheitliche Einschränkungen sind zwar nicht zu befürchten, Magenschmerzen, Blähungen und Übelkeit dagegen schon.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Snus_general.jpeg?uselang=de
Der Oraltabak ist in portionierten Beutelchen und in loser Form erhältlich. Bild: wikimedia.org/Kjetil Ree

Erst verboten, dann nicht mehr und nun?

Sehr lange war die rechtliche Grundlage für den Verkauf von Snus in Deutschland klar. Bis Mitte 2019 war Konsens: Der Konsum ist legal, der Besitz nicht. Ausnahmen gab es nur für schwedische Staatsbürger. Im vergangenen Jahr entdeckten findige Produzenten aber eine Gesetzeslücke: Es gab keinen klar definierten rechtlichen Unterschied zwischen „Kautabak“ und „Tabak zum oralen Gebrauch“ in Deutschland. Und der Verkauf von „Kautabak“ ist in Deutschland legal. Daraufhin wurde Snus oft in schmalen Kühlschränken im Kassenbereich von vielen Tabak- und Zeitungsläden angeboten. Seit Jahresbeginn hat die Bundesregierung diese Gesetzeslücke geschlossen. Der Snus-Verkauf in Deutschland ist somit wieder illegal.

Seitdem ist Schweden wieder der einzige EU-Staat, in dem Snus legal verkauft werden darf. Von der Gesetzesänderung ist auch der Export betroffen. Wer den Oraltabak online aus Schweden bestellen möchte, steht nun vor Problemen. Trotz enormer Vielfalt bei der Produktauswahl ist spätestens bei der Auswahl der Lieferadresse Schluss. In der Länderauswahl diverser Onlineshops taucht Deutschland nämlich gar nicht erst auf.

Der Hype rührt aus dem Profisport

Tabak und Leistungssport, das passt normalerweise nicht zusammen. Snus aber gilt als ‚Trenddroge‘ im Leistungssport. Eine Vielzahl von Leistungssportlern in knapp 40 verschiedenen Sportarten, so wird gemutmaßt, sollen regelmäßig zum Oraltabak greifen. Footballstars, Eishockeyspieler und Fußballprofis – sollen sich vor und vor allem während des Wettkampfes mit Nikotin aufputschen. Eine Dosis Snus kann  die Wirkung von drei bis fünf Zigaretten gleichzeitig entfalten.

Offiziell spricht aber kein Athlet darüber. Im Leistungssport wird vermehrt Snus konsumiert, das bestätigen zwei befragte Sportler, die aber anonym bleiben möchten, KURT. Die Zahl aus diversen Quellen, dass knapp ein Viertel aller Bundesligaprofis auf den Oraltabak zurückgreift, ist ihres Erachtens nach aber deutlich zu hoch. Fakt ist aber auch: Kein Leistungssportler möchte mit dem Konsum in Verbindung gebracht werden.

Möglicherweise auch, weil Snus auf der Liste der beobachteten Substanzen der Welt-Doping-Agentur (WADA) steht. Allerdings kann die WADA nur Wirkstoffe und keine Produkte verbieten. Und konkret leistungssteigernde Wirkstoffe im Snus sind bislang nicht nachgewiesen. Nach subjektiven Schilderungen der zwei Leistungssportler gegenüber KURT soll Snus besonders die Konzentrationsfähigkeit verbessern. Je nach Dosis könne die Wirkung aber zwischen Entspannung und absoluter Konzentration variieren. Noch gilt Snus nicht als Dopingmittel. Dass es irgendwann dazu kommt, ist auch aufgrund der gesundheitlichen Risiken, die vom Gebrauch ausgehen, aber nicht gänzlich unwahrscheinlich.

Teaser- und Beitragsbild: wikimedia.org/Torarm, lizenziert nach CC.

 

 

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