Radverkehrsplan: Kann Dortmund eine Fahrradstadt werden?

Deutschland soll bis 2030 zum Fahrradland werden. Das hat Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag (27.04.2021) beim Nationalen Radverkehrskongress angekündigt. Sein neuer Plan für den Radverkehr in Deutschland klingt ambitioniert. Aber was ist wirklich umsetzbar? Und was bedeutet das für Radler:innen in Dortmund?

1,5 Milliarden Euro: So viel Geld will der Bund ab sofort jedes Jahr für den Radverkehr in Deutschland in die Hand nehmen. Ziel ist es, dass wir alle mehr Rad fahren: Statt 120 sollen wir 180 Wege pro Jahr mit dem Fahrrad zurücklegen, mit sechs statt 3,7 Kilometern. Außerdem möchte die Regierung die Zahl der Radverkehrstoten reduzieren. Im Jahr 2019 sind 445 Fahrradfahrer:innen bei Verkehrsunfällen gestorben. Das Verkehrsministerium möchte die Anzahl bis 2030 um 40 Prozent verringern.

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Diesen Plan hat Verkehrsminister Scheuer auf dem 7. Nationalen Radverkehrskongress vorgestellt. Er wirkt auf den ersten Blick ambitioniert. Das Verkehrsministerium plant, die Infrastruktur für Fahrräder auszubauen, den Transport der Fahrräder in Bus und Bahn zu erleichtern und die Mobilitätsbildung in Schulen zu intensivieren. Es ist aber fraglich, wie umsetzbar die Vorhaben des Verkehrsministers auf kommunaler Ebene sind. Die Stadt Dortmund ist bisher nicht als sehr fahrradfreundliche Stadt bekannt.

Nationaler Radverkehrsplan
Der NRVP ist die Grundlage für die deutsche Radverkehrspolitik. Er wird vom Bundesverkehrsministerium ausgearbeitet. Bisher gab es drei Stück: in 2002, 2012 und in diesem Jahr. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat den neusten Plan auf dem 7. Nationalen Radverkehrskongress, der alle zwei Jahre stattfindet, vorgestellt. Die acht langfristigen Leitziele des Plans beinhalten zum Beispiel ein lückenloses Radverkehrsnetz, die Vision Zero im Radverkehr und die Digitalisierung des Mobilitätsangebotes.

Dortmund ist bisher nicht sehr fahrradfreundlich

Felix Schmale © Jo Glinka Fotografie 2021, www.jo-glinka.com, @jo.glinka

Für viele ist gerade die Dortmunder Innenstadt ein Alptraum zum Fahrradfahren. Felix Schmale ist Student an der Fachhochschule in Dortmund, arbeitet an der TU Dortmund und wohnt im Kreuzviertel. Um von A nach B zu kommen, nutzt er täglich sein Fahrrad. Weil die TU Dortmund eher am Stadtrand gelegen ist, fühlt er sich auf seinem Arbeitsweg relativ sicher. “Aber je weiter man dann wieder Richtung Innenstadt fährt, desto lebensgefährlicher wird es”, gibt er zu.

Ihn stört vor allem, dass die eigentlichen Radwege oft zugeparkt sind oder von Baustellen verdeckt werden. Für die Dortmunder Innenstadt würde er sich deshalb geschützte, breite und durchgehende Fahrradwege wünschen. Bis dahin würde er sich dort als Fahrradfahrer nicht wohl fühlen.

Mit dieser Meinung scheint er auch nicht alleine zu sein. Ungefähr alle zwei Jahre führt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) einen sogenannte Fahrradklima-Test durch. Dabei können alle Menschen in Deutschland die Fahrradfreundlichkeit ihrer Stadt oder Kommune bewerten. Beim letzten Test in 2020 ist Dortmund in der Kategorie der Großstädte auf dem 13. und damit vorletzten Platz gelandet. Die Stadt ist also noch weit davon entfernt, eine Fahrradstadt zu sein.

Das Fahrrad soll in Dortmund einen höheren Stellenwert bekommen

Die Frage ist, ob der neue Nationale Radverkehrsplan daran etwas ändern kann. Nicht nur der Bund soll den Radverkehr mit 1,5 Milliarden Euro subventionieren. Auch die Länder und Kommunen sollen laut dem Plan investieren, sodass letztendlich 30 Euro pro Kopf und pro Jahr zur Verfügung stehen. Den Vorsitzenden des ADFC Dortmund, Werner Blanke, überrascht diese Summe: “Das ist an sich sehr viel, weil der Satz bisher deutlich geringer war. In Dortmund lag der bei unter 10 Euro”. Trotzdem ist er nicht davon überzeugt, dass die Finanzierung dazu führt, dass Dortmund Scheuers Ziele erreichen kann:

Gefühlsmäßig sage ich, 30 Euro pro Person und Jahr reichen nicht aus, weil der Nachholbedarf zu groß ist. Das heißt, man wird im Nachholbedarf was nachholen, aber man wird mit 30 Euro nicht das erreichen, was man wirklich erreichen müsste.

Prof. Dr. Joachim Scheiner, Dozent für Verkehrswesen und Verkehrsplanung sieht das ähnlich. Die 1,5 Milliarden Euro vom Bund würden zwar nach viel klingen, aber die Prioritäten der Regierung lägen ganz klar woanders: “Man muss auch mal sehen, dass alleine nur bei den Bundesfernstraßen sechs bis sieben Milliarden Euro investiert werden”. Den Fokus auf dem Autoverkehr sieht der Scheiner auch als Schwachstelle der Stadt Dortmund: “Da ist mein genereller Eindruck, dass die Stadt Dortmund schon Ambitionen hat, aber nicht sehr mutig ist, dem Auto auch mal Platz wegzunehmen. Ich denke da an die Lindemannstraße. Die ist jetzt teilweise dreispurig und das ist echt zu viel”.

Was wichtig ist für Vision Zero

Ein weiterer Punkt, der den ADFC Dortmund stört, ist das Ziel, die Zahl der Radverkehrstoten bis 2030 um 40 Prozent zu verringern. Aus Werner Blankes Sicht ist das noch deutlich zu wenig: “Meine Forderung wäre, bis 2030 auf null Verkehrstote runterzugehen. Dazu müssen aber deutlichere Anstrengungen gemacht werden”. Der ADFC schlägt zum Beispiel vor, Abbiegeassistenten für LKW verpflichtend zu machen, damit keine Radfahrer:innen im Toten Winkel übersehen werden. Allerdings scheitert es hier an rechtlichen Fragen, die auch der neue Plan von Scheuer nicht beantwortet. “Das geht natürlich bis in das EU-Recht rein und das ist kurzfristig schwierig umzusetzen”, sagt Blanke.

Was ebenfalls nicht in dem neuen Radverkehrsplan vorgesehen ist, ist die Reduktion des Tempolimits. Dabei sieht das der Verkehrsforscher Scheiner als die Lösung für volle Städte, in denen es keinen Platz für weitere Fahrradspuren gibt:

Man kann keine Schneisen in Städte schlagen. Aber wenn die Geschwindigkeit im Autoverkehr nicht Tempo 50 wäre, sondern Tempo 30 oder noch weniger, bräuchte man an vielen Stellen auch gar nicht diese Fahrradverkehrsinfrastruktur.

Doch auch dazu fehle den Kommunen und Städten der Mut. Sie orientieren sich stark an der Straßenverkehrsordnung, die das Verkehrsministerium erst vor knapp einem Jahr geändert hatte. Diese sieht Tempo-30-Straßen wiederum nur um Orte wie Kitas oder an bekannten Unfallstellen vor.

Der Personalmangel in der Verwaltung verhindert die Pläne der Politik

Somit sind die Pläne des Bundesverkehrsministeriums zwar groß, aber es ist mehr als fraglich, ob sie auch im Kleinen umgesetzt werden können. Dass gute Pläne wegen mangelnden Personals letztendlich nicht realisiert werden, beklagt der ADFC Dortmund schon länger. “Die Verwaltung ist einfach nicht so weit. Wenn ich den Fahrradverkehr verdoppeln will, so wie das in Dortmund der Fall ist, dann muss ich auch die Beschäftigten verdoppeln. Wenn sich die Leute alle mit Ausbau von Autostraßen beschäftigen und sich nicht um den Fahrradverkehr kümmern können, dann wird es nicht funktionieren”.

So schön die Vision des neuen Nationalen Radverkehrsplans also klingen mag, die Expert:innen sehen die Lage in Dortmund deutlich nüchterner. Um die Stadt zu einer echten Fahrradstadt zu machen, in der sich die Menschen mit einem guten Gefühl auf den Sattel setzen, muss noch viel passieren – nicht nur auf Bundes-, sondern vor allem auf lokaler Ebene.

Beitragsbild: KURT/Carla Siebel

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