“It’s over 9000!” – Zum Geburtstag des IQ-Erfinders

Der Intelligenzquotient bestimmt den Lebenslauf vieler Menschen. Bei der Suche nach angemessener Förderung in der Schule, bei der Anpassung von Therapien für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder auch bei der Auswahl der besten Bewerber*innen für Jobangebote wird er zurate gezogen. Am 29. April wäre sein Erfinder William Stern 150 Jahre alt geworden.

Wer die geistige Leistungsfähigkeit einer Person im Vergleich zu ihrer Altersgruppe herausfinden will, kommt nicht um einen IQ-Test herum. Mit einer hohen Messgenauigkeit bei größeren Testverfahren ist er noch immer ein wichtiges Instrument, das bei entscheidenden Auswahlfragen eingesetzt wird. Aber wie zeitgemäß ist der Intelligenzquotient heutzutage wirklich?

Die Ursprünge des IQ

William Stern entwickelte den Intelligenzquotienten und gilt als Begründer der differenziellen Psychologie.

Auf Grundlage der Intelligenztests von Alfred Binet und Lewis Terman entwickelt der deutsche Psychologe William Stern 1912 den Intelligenzquotienten. Dieser setzt das ermittelte Intelligenzalter mit dem eigentlichen Lebensalter ins Verhältnis. So lassen sich IQ-Unterschiede auch in verschiedenen Altersklassen besser vergleichen.

Weitläufige Verwendung fanden Intelligenztests Anfang des 20. Jahrhunderts im US-amerikanischen Schulsystem und beim Militär. Wegen einer Reform im Schulsystem und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges herrschte in beiden Bereichen großer Andrang. Durch die Tests sollte festgestellt werden, wer für höhere Schulformen oder Offiziersausbildungen geeignet ist. Diese Tests waren also Vorläufer für Auswahlverfahren, die auch heute noch IQ-Tests als Kriterium verwenden.

Ein Schätzwert für die Intelligenz

Heutige Testverfahren überprüfen die Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen. Eine Art, den IQ zu messen, ist mit der Wechsler Intelligenzskala . Darin gibt es Aufgaben zur Analyse von Gedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Sprachverständnis und logischem Denken. Die Ergebnisse in den Teilbereichen werden zum Gesamt-IQ zusammengefasst. Für jede Altersgruppe wird der Mittelwert dann auf 100 normiert. Das Ergebnis einer Einzelperson zeigt also die kognitive Leistungsfähigkeit im Verhältnis zu Gleichaltrigen an.

Dafür gibt es bislang keine bessere Methode als den IQ-Test. Und auch als Voraussage über zukünftige schulische Leistungen sei der Intelligenzquotient sehr gut geeignet, sagt der Psychologieprofessor Hans-Christian Waldmann von der Universität Bremen.

Auffällig ist, dass bei Menschen mit erhöhtem oder niedrigerem Gesamt-IQ die Unterschiede zwischen den vier Testbereichen häufig größer sind. Kinder mit hohem IQ haben also beispielsweise überdurchschnittliche Fähigkeiten im Bereich Sprachverständnis und Logik, erreichen aber durchschnittliche Ergebnisse bei Gedächtnisleistung und Verarbeitungsgeschwindigkeit. Um hier eine noch genauere Diagnose zu ermöglichen, gibt es für die Wechsler Intelligenzskala ergänzend zum Gesamt-IQ noch den “Allgemeinen Fähigkeitsindex”.

Der Allgemeine Fähigkeitsindex
Der Allgemeine Fähigkeitsindex berücksichtigt bei der Auswertung von Testergebnissen vor allem die Bereiche Sprachverständnis und logisches Denken. Damit kann er bei größeren Unterschieden zwischen den Teilbereichen genauere Angaben machen. Als vergleichbare Maßzahl gibt es außerdem den Kognitiven Fertigkeitenindex, der besonders die Bereiche Gedächtnisleistung und Verarbeitungsgeschwindigkeit hervorhebt.

“Der IQ-Test sollte eigentlich nie für sich allein stehen”

Professorin Monika Daseking lehrt Psychologie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Foto: Ulrike Schröder

Auch wenn der Intelligenzquotient ein relativ genaues Messinstrument ist: Ohne eine zusätzliche Einschätzung sollte er nicht verwendet werden. So könne man damit zwar eine Hochbegabung diagnostizieren, wisse aber noch nichts über mögliche Probleme im Alltag, erklärt Monika Daseking, Professorin für Psychologie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Ein Intelligenztest solle stets durch weitere Verfahren ergänzt und in den Kontext einer konkreten Fragestellung eingebettet werden. Ähnlich verhält es sich auch bei Auswahlverfahren. Hans-Christian Waldmann von der Uni Bremen sagt, im Arbeitsleben seien beispielsweise auch ganz andere Qualitäten relevant: “In Bewerbungssituationen wäre es genauso wichtig, die Teamfähigkeit zu testen. Darüber kann einem der IQ nichts verraten.”

Und auch Studien sprechen dafür, dass es neben dem IQ noch andere Einflussfaktoren auf schulische und berufliche Erfolge gibt. Laut der Studie einer internationalen Forschungsgruppe, die von der American Psychological Association veröffentlicht wurde, bieten Charaktereigenschaften von Schüler*innen sogar eine genauere Prognose für ihre Zukunft als der Intelligenzquotient. Dafür nutzten die Forscher*innen verschiedene Faktoren: Für wie fleißig halten die Lehrer*innen die Kinder? Wie schneiden sie auf der “Responsible Student Scale” ab?

Die Responsible Student Scale
Die “Responsible Student Scale” bewertet Eigenschaften wie Organisiertheit, verantwortungsvolles Verhalten sowie harte und gründliche Arbeit bei Schüler*innen.

All dies entwertet den Intelligenzquotienten nicht. Doch es erscheint sinnvoll, ihn sehr bewusst einzusetzen. Eine Einschätzung, die auch sein Erfinder William Stern wohl geteilt hat. Er soll die Intelligenztests eher als Bausteine, als Notlösung für Psycholog*innen gesehen haben. Das Gleichsetzen von “Anstreichenkönnen” und Denkvermögen verrate “den tiefsten IQ und ein totales Bildungsmanko”.

Beitragsbild: Pexels via Pixabay

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