Der BVB liegt durch das Unentschieden gegen Bochum nun schon wieder sechs Punkte hinter dem FC Bayern. Und es gibt Gründe, warum die Borussia die Meisterschaft auch dieses Jahr nicht holen wird. Ein Kommentar.
Es war einfach zum Verzweifeln: Selten war der BVB in einem Spiel so überlegen wie am Samstag gegen Bochum – und am Ende trotzdem zu blöd, um sich für die gute Leistung zu belohnen. Durch das 1:1 im „kleinen Derby“ stehen die Dortmunder in der Tabelle nun schon wieder sechs Punkte hinter den Bayern, und so langsam stellt man sich die Frage: War es das schon wieder mit der Meisterschaft? Kehrt in der Bundesliga nach diesem 15. Spieltag jetzt abermals die drückende Langeweile ein?
Es ist wirklich bitter für den BVB. Denn eigentlich kann sich die Mannschaft von Marco Rose zumindest für das Spiel gegen Bochum kaum etwas vorwerfen lassen. Man spielte die Bochumer teilweise an die Wand, am Ende standen 20 zu fünf Torschüsse zugunsten des BVB zu Buche. Mal hielt Bochums Schlussmann Manuel Riemann überragend, mal hatte man schlichtweg Pech, wie bei Wolfs aberkanntem Treffer zum vermeintlichen 1:1. Die sechs Punkte Abstand auf die Bayern aber nur am fehlenden Glück festzumachen, würde deutlich zu kurz greifen.
Ist der Kader gut genug?
Eigentlich ist die Qualität des BVB-Kaders in diesem Jahr eher gestiegen als gesunken. Zwar gab man Starspieler Jadon Sancho an Manchester United ab, der war in der vergangenen Saison aber ohnehin alles andere als ein Leistungsträger. Dafür holte man mit Gregor Kobel den lang ersehnten Rückhalt zwischen den Pfosten, und mit Donyell Malen wollte man endlich ein Back-Up für die Tormaschine Erling Haaland finden. Soweit zumindest die Theorie. Kobel spielt zwar bislang auch eine mehr als ordentliche Saison, patzte aber am Samstag gegen Bochum folgenschwer. Und Malen überzeugt gerade als Stürmer auch noch nicht wirklich, weshalb ist die Abhängigkeit von Erling Haaland insgesamt immer noch viel zu groß ist.
Haaland performt derweil zwar fast immer, wenn er aufgestellt wird. In den letzten Tagen schien der Brecher mit dem Babyface aber mal wieder mehr mit seiner eigenen Zukunft beschäftigt zu sein als mit seiner Leistung auf dem Platz. Erst diese Woche fantasierte Haalands Berater Mino Raiola erneut über einen bevorstehenden Wechsel seines Schützlings. So orakelte Raiola im Interview mit Sport1:
“Es gibt eine große Chance, dass Erling Dortmund diesen Sommer verlassen wird.”
Ob Haalands Leistung deswegen nun leiden wird, lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Gegen Bochum vergab der Norweger aber in jedem Fall die eine oder andere Chance, die er in der Vergangenheit auch schon mal gerne genutzt hatte
Alle nur auf Durchreise
Generell scheint der BVB ein Problem mit Spielern zu haben, die den Club nur als Übergangsstation auf ihrer geplanten Weltkarriere sehen. 2018 streikte sich Ousmane Dembele nach Barcelona, und bei Jadon Sancho wurde schon während der gesamten letzten Saison deutlich, dass der Brite eigentlich nur seinen bevorstehenden Wechsel zu Manchester United im Kopf hatte. Haaland wird sich allem Anschein nach bald in diese Liste einreihen, und auch Trainer Marco Rose passt irgendwie in das Schema der Duchreisenden. Denn was die Identifikation mit seinen Vereinen angeht, unterscheidet sich Rose nicht allzu sehr von Spielern wie Sancho, Haaland oder Dembele. 2019 forcierte Rose seinen Wechsel von RB Salzburg zu Borussia Mönchengladbach, zwei Jahre später machte er dann von einer Ausstiegssklausel Gebrauch, weil er sich „dem spannenden Projekt beim BVB“ anschließen wollte. Sollten in Zukunft Kaliber wie Real Madrid oder auch der FC Bayern mit ihren „spannenden Projekten“ bei Rose anklopfen, wäre es schwer vorstellbar, dass dieser so ein Angebot ablehnen würde.
Immer sind die Anderen Schuld
Was man Marco Rose allerdings zu Gute halten muss: Nach einem so emotionalen Trainer wie ihm hat sich der BVB seit dem Abgang von Jürgen Klopp gesehnt. Das Problem: Nicht immer hat Roses Emotionalität nur positive Auswirkungen. Dadurch, dass der 45-Jährige durch Wutausbrüche wie gegen die Bayern auch mal auf die Tribüne geschickt und gesperrt wird, erweist er seiner Mannschaft gelegentlich einen Bärendienst. Und: Rose sucht die Schuld gerne bei anderen. Auch wenn die Schiedsrichter-Leistung von Felix Zwayer beim Spiel gegen die Bayern alles andere als optimal war: Nach der Partie davon zu reden, dass der DFB dem BVB „noch mehr Steine in den Weg legen kann“, ist schon ein bisschen gewagt. Aber auch Roses Spieler haben es drauf, die Schuld bei anderen zu suchen. Nach dem Bayern-Spiel ging ein Interview von Jude Bellingham mit dem norwegischen Streamingdienst Viaplay viral, in dem der 18-Jährige Schiri Zwayer indirekt vorwarf, vom FC Bayern bestochen worden zu sein.
“You give a referee, that has match fixed before the biggest game in Germany. What do you expect?”
Dabei hat der BVB genügend eigene Baustellen, um die er sich stattdessen kümmern könnte. Da wären zum Beispiel die Mängel im eigenen Aufbauspiel, die sich vor allem gegen die Bayern offenbarten. Da wäre aber auch die wacklige Leistung der Dortmunder Defensive, an der unter anderem Routinier Mats Hummels nicht ganz unschuldig ist. Nicht umsonst erklärte Bundestrainer Hansi Flick zuletzt, Hummels habe „im Moment einfach nicht das Niveau“, um für die Nationalmannschaft zu spielen. Und wie ging diese alte Fußballweisheit nochmal? „Der Angriff gewinnt Spiele, die Verteidigung Titel.“
„Die Saison ist noch lange nicht entschieden“
Trotz alledem lebt man beim BVB derzeit trotzigen Optimismus vor. „Die Saison ist noch lange nicht entschieden“, zeigte sich Sportdirektor Sebastian Kehl nach dem Unentschieden gegen Bochum kämpferisch. Wirklich? Zwar ist die Spielzeit in der Tat noch lang und der BVB hat erst 2019 selbst einen 9-Punkte-Vorsprung auf die Bayern verspielt. Irgendwie kann man sich aber nicht so recht vorstellen , wie so etwas auch den Bayern passieren soll. Die erledigen derweil nämlich selbst ohne ihre wichtigen Schlüsselspieler Kimmich und Goretzka ihre Hausaufgaben und sind auf dem besten Weg zurück in die eigene Bestform.
Ich kann es leider nicht anders sagen: Für mich ist die Spannung in diesem Meisterschaftsrennen schon wieder raus. Und das ist schade für die Bundesliga. Denn selbst in den europäischen Top-Ligen, wo die Meister in den letzten Jahren immer mindestens genauso früh feststanden wie in Deutschland, durften wir uns letztes Jahr über ein wenig Abwechslung freuen: So gewann Lille die Ligue 1 in Frankreich, und Inter Mailand holte in Italien den Ligatitel. In der Bundesliga aber bleiben wir uns aller Voraussicht nach treu. Weil Dortmund immer wieder gegen die vermeintlich schwächeren Teams Federn lässt.
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