Sag mal Prof: Wie entsteht ein Ohrwurm?

Regelmäßig fragen wir hier die, die uns im Hörsaal die Welt erklären: unsere Professor*innen und Doktorand*innen. Können sie uns wohl auch alltägliche Fragen beantworten? Sag mal Prof, wie entsteht ein Ohrwurm? Dieses mal antwortet Prof. Dr. Daniel Müllensiefen, Professor für Psychologie am Goldsmiths College, welches zur University of London gehört.

Wenn uns immer wieder die gleiche Melodie oder der gleiche Song im Kopf begleitet und uns einfach nicht loslässt, dann haben wir einen Ohrwurm. Dieser tritt häufig in routinierten Situationen auf, die wenig Konzentration erfordern. Das bedeutet, dass wir nicht an die Tätigkeit selbst denken, sondern mit den Gedanken wandern. Zum Beispiel, wenn wir Sport machen oder putzen.

Der Ohrwurm lässt sich in bestimmten Gehirnarealen nachweisen. Der Temporallappen ist der Bereich des Gehirns, der unter anderem wichtig ist für das, was wir hören. Dort werden die auditorischen Signale verarbeitet, wie zum Beispiel Musik. Bei einem Ohrwurm werden außerdem einzelne Bereiche im Frontalhirn aktiv, und auch einige Gedächtnisareale.

Vermutlich wird das Frontalhirn aktiv, weil es häufig an Prozessen beteiligt ist, bei denen wir etwas bewusst wahrnehmen und erleben. Da der Ohrwurm auch bewusst wahrgenommen wird, könnte das ein Grund dafür sein. Die Gehirnaktivität, die dabei entsteht, können wir mit der vergleichen, die wir haben, wenn wir tatsächlich Musik hören. Der Unterschied: Die Aktivität in den Arealen, die die auditorischen Signale als erstes verarbeiten, ist beim Ohrwurm um einiges schwächer und auch weniger stark auf einzelne Bereiche fokussiert. Das liegt daran, dass diese nur direkt angeregt werden, wenn wir etwas aktiv hören.

Prof. Dr. Daniel Müllensiefen erforscht die Wirkung von Musik auf unser Gehirn. Foto: Privat

Manche Menschen bekommen häufiger einen Ohrwurm als andere. Beeinflusst wird das vor allem dadurch, ob die Person viel Musik macht oder oft singt. Auch das häufige Musikhören reicht schon aus, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass jemand einen Ohrwurm bekommt. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die musikalischen Erinnerungen bei diesen Menschen einfach präsenter und aktiver sind und somit in bestimmten Situationen leichter an die Oberfläche kommen.

Auch bei Personen, die einen Hang zu Zwangsverhalten haben, wie zum Beispiel zu einem Putz- oder Ordnungszwang, treten Ohrwürmer tendenziell häufiger auf. Bei diesen Menschen führt ein psychologischer Mechanismus dazu, dass sie ungewollte Gedanken nicht loswerden können. Beim Ohrwurm wirkt ein ähnlicher Mechanismus.

Um den Ohrwurm wieder loszuwerden, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Am effektivsten ist es, andere Musik zu machen, zu hören oder auch zu singen. Die Gefahr dabei ist nur, dass ein neuer Ohrwurm entsteht. Immerhin kann so aber gesteuert werden, welches Lied im Kopf abgespielt wird. Eine andere Möglichkeit ist, den ganzen Bereich, der für das Erzeugen von Tönen und Summen zuständig ist, den Vokalapparat, anderweitig zu beschäftigen. Das kann zum Beispiel erreicht werden, wenn wir Kaugummi kauen oder mithilfe eines Strohhalmes trinken. Für diese Strategie gibt es allerdings noch nicht genug Daten, um zu beweisen, dass sie wirklich hilft. Einen Versuch ist es wert.

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