Regen auf der Rennstrecke ist schwer vorherzusagen. Er kann alles innerhalb von Sekunden ändern. Auf der nassen Strecke werden die Autos langsamer, das Teilnehmerfeld rückt enger zusammen und das Fahren sowie das Taktieren wird schwieriger. Regen hat also große Auswirkungen auf ein Rennen, bei dem jede Millisekunde zählt. Deshalb scheint Regen die perfekte Voraussetzung für ein spannendes Rennen zu sein. Doch wie sehr beeinflusst eine nasse Strecke das Rennen? Sind Regenrennen wirklich viel spannender als Rennen unter „normalen“ Bedingungen?
In der vergangenen Saison sahen die Formel 1-Fans nach langer Zeit wieder einen spannenden Wettbewerb. Bis in die letzte Kurve kämpften der siebenmalige Formel 1-Champion Lewis Hamilton und sein niederländischer Widersacher Max Verstappen um die Weltmeisterschaft. Doch auch hinter den beiden war es in der letzten Saison wieder deutlich spannender.
Der Grund dafür lag zum einen an der neu eingeführten Budgetgrenze und zum anderen an technischen Veränderungen. Diese waren auch dringend notwendig, denn aus neutraler Sicht wurden die Rennen immer langweiliger. Das lag zum großen Teil an der starken Dominanz von Mercedes. Seit 2014 dominiert der deutsche Rennstall die Konstrukteurswertung. In den letzten sieben Jahren gewannen die Silberpfeile 102 von 138 Rennen, also 74 Prozent. Und auch im vergangenen Jahr gewann Mercedes die Konstrukteurswertung.
Wie wird ein Formel 1-Rennen spannender?
Doch nicht nur vorne im Spitzenfeld hatte die Formel 1 ein Spannungsproblem. Insgesamt waren die Rennen einfach weniger unspektakulär geworden. Denn die Fahrer waren meist nur noch taktische Marionetten ihrer Teamstrategen. Statt zu überholen, waren sie mehr damit beschäftigt, ihre Reifen am Leben zu halten und Sprit zu sparen.
Die Autos wurden in den letzten Jahren immer schneller. Das machte das Überholen jedoch immer schwieriger, selbst mit DRS, einer Klappe am Heckflügel, die das Auto schneller und das Überholen so einfacher macht. Deshalb wurde das Reglement so geändert, dass die Autos wieder etwas langsamer fahren und das Überholen einfacher wird. Erste Veränderungen erkannte man bereits in der letzten Saison. Trotzdem wollen die Fans mehr Spannung, mehr Aktion und mehr Racing sehen. Wie kann man für mehr Spannung in der Formel 1 sorgen? Viele Fans haben da eine klare Antwort: Regen!
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Als Regenrennen werden Rennen definiert, bei denen auf einer nassen Stecke gefahren wurde, also bei denen es vor oder während des Rennens geregnet hat. Zwischen 2008 und 2018 gab es 26 Regenrennen. Das sind circa 15 Prozent aller Rennen. Seit 2011 gab es nie mehr als drei Regenrennen pro Saison. Am häufigsten hat es in Großbritannien geregnet. Vier Regenrennen fanden hier seit 2008 statt.
Wie misst man Spannung?
Während ein Regenrennen klar definiert ist, ist es deutlich schwieriger festzulegen, wie spannend ein Rennen war. Daher wird in der folgenden Analyse die „Spannung“ mittels verschiedener Faktoren genähert: Den Renn- und den Publikumsfaktoren. Mit Rennfaktoren sind Aktionen gemeint, die auf der Strecke stattfinden. Dazu gehören Überholungen und Ausfälle. Als zweites werden Publikumsfaktoren analysiert: Likes, Dislikes und Kommentare bei YouTube-Highlight-Videos und Twitter sowie Bewertungen von einer Fanseite. Anhand dieser Faktoren soll die Spannung von allen Regenrennen und allen „normalen“ Rennen verglichen werden.
Was macht ein spannendes Rennen aus?
Bei den Überholungen ist ein klarer Trend zu beobachten: Je mehr Überholungen es gibt, desto besser wurden die Rennen bewertet. Zudem fällt auf, dass es bei Regenrennen nicht signifikant mehr Überholungen gibt.
Ein anderes Bild zeichnet sich stattdessen bei den Ausfällen ab. Wenn prozentual mehr Fahrer ausgeschieden sind, wurden die Rennen eher etwas schlechter bewertet. Das liegt wahrscheinlich daran, dass viele Fans enttäuscht sind, wenn ihre Lieblingsfahrer ausscheiden. Außerdem scheint es bei Regenrennen ebenfalls nicht signifikant mehr Ausfälle zu geben als unter trockenen Bedingungen.
Obwohl es bei Regenrennen nicht deutlich mehr Überholungen und Ausfälle gibt, wird eins deutlich: Bei den Fan-Rankings schneiden die Regenrennen wesentlich besser ab. Bei den Social-Media-Reaktionen allerdings nicht. Der Anteil der positiven und negativen Tweets sowie der „Excitement-Index“ sind bei Regenrennen minimal niedriger. Bei den YouTube-Highlight-Videos schneiden die Regenrennen noch etwas schlechter ab. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Videos erst nach dem Rennen veröffentlicht werden, während die meisten Tweets live zum Rennen abgegeben werden. So könnten die Erwartungen bei den Highlight-Videos höher sein, wenn die Fans gehört haben, dass es ein Regenrennen war. Wie oben gesehen könnten sie dann enttäuscht werden, weil es zum Beispiel nicht unbedingt mehr Überholungen gibt.
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Auch die Unfallgefahr wächst
Man darf jedoch nie vergessen, dass nasse Strecken die Rennen auch gefährlicher machen. Wenn viel Wasser auf der Strecke steht, kann es schnell zu Aquaplaning kommen. Das sei durch die größeren Unterböden der heutigen Autos ein größeres Problem als früher, erklärt Ex-Formel 1-Pilot Alexander Wurz im „f1-insider“. Zudem werde dem hinterherfahrenden Piloten durch das aufgewirbelte Wasser die Sicht genommen. Ein weiteres Sicherheitsproblem gibt es, wenn der Rettungshelikopter aufgrund des schlechten Wetters nicht starten kann. So geschehen 2021 in Spa. Beim Großen Preis von Belgien konnte wegen zu viel Regen kein richtiges Rennen gefahren werden. Nachdem der Start stundenlangen verschoben wurde, absolvierten die Fahrer nur ein paar langsame Runden hinter dem Safetycar, um schließlich halbe Punkte zu bekommen. Für viele Fans und Fahrer ein Skandal.
Regenrennen sind beliebt, aber nicht spannender
Insgesamt sind Formel 1-Rennen im Regen bei den Fans sehr beliebt. Das sieht man auch in der oberen Grafik. Je weiter rechts die Boxplots sind, desto stärker beeinflussen die Faktoren das Fan Rating positiv. Neben Regen wünschen sich die Fans also vor allem viele Überholungen. Dabei führen Regenrennen aber nicht unbedingt zu mehr Überholungen. Zudem fallen die Social-Media-Reaktionen bei Regenrennen nicht besser aus. Statt also vor jedem Rennen einen Regentanz aufzuführen, sollte die Formel 1 weiter daran arbeiten, für alle Konstrukteure gleiche Chancen zu schaffen und das Überholen durch verbesserte Autos und Strecken vereinfachen.
Beitragsbild & Text: Leonard Brockes; Datenanalyse & -visualisierung: Hendrik Linn & Bhargav Vankayalapati