Die Genfer Flüchtlingskonvention: Über die Entstehung und Bedeutung

Vor 71 Jahren, am 28. Juli 1951, verabschiedeten die Vereinten Nationen die Genfer Flüchtlingskonvention. Zu diesem Zeitpunkt haben 26 Staaten unterschrieben – heute sind es 149. KURT erklärt, was unter dem Abkommen zu verstehen ist.

Die Genfer Flüchtlingskonvention definiert, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte und Pflichten er*sie hat. Die UN reagierte damit auf den Zweiten Weltkrieg. „Das Deutsche Reich und die annektierten Staaten haben sehr stark religiöse und andere Minderheiten verfolgt“, erklärt Jan Phillip Graf. Er ist Doktorand im Bereich des Völkerrechts am Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht in Bochum. Auch umliegende Staaten hätten diese Personen nicht sonderlich offenherzig aufgenommen.

Bei der ersten Generalversammlung der UN 1946 thematisierten die Unterzeichnerstaaten, wie sie mit Flüchtlingen umgehen wollten. Die beteiligten Länder diskutierten laut Graf lange, wer überhaupt ein Flüchtling sei. Sie hätten Angst gehabt, den Begriff zu weit zu fassen und damit zu vielen Personen Rechte zuzugestehen, zum Beispiel das Recht auf öffentliche Fürsorge. Damit haben Flüchtlinge den Anspruch, dass der Staat sie bei sozialen Hilfeleistungen genauso behandelt wie Staatsbürger*innen.

Von 1920 bis 2022: Vom Völkerbund zur UN

Die Idee, einheitlich mit geflüchteten Menschen umzugehen, existierte schon deutlich, bevor sich die UN gegründet hat. Der Völkerbund, die Vorgängervereinigung der UN, beriet sich in seinem Gründungsjahr 1920 zum ersten Mal dazu. Durch den Ersten Weltkrieg und die Revolution in Russland brachen damals mehrere Großmächte zusammen: das russische Kaiserreich, Österreich-Ungarn, das Deutsche und das Osmanische Reich. Eine Konsequenz: riesige Strömungen von Menschen mussten aus ihrer Heimat flüchten.

Graf erklärt, dass der Völkerbund damals einen Hochkommissar eingesetzt habe. Dieser sollte für jede Gruppe von Menschen, die flüchten musste, einzelne Verträge mit den betroffenen Staaten aushandeln.

In der neu entstandenen Sowjetunion betraf das vor allem den enteigneten Adel. Im ehemaligen Osmanischen Reich besonders Armenier*innen, Griech*innen, Assyrer*innen und Chaldäer*innen. Menschen, die wir im heutigen Sinn als Flüchtlinge beschreiben würden. Doch eine anerkannte Definition für den Begriff gab es noch nicht. Die Genfer Flüchtlingskonvention legte sie erst 30 Jahre später fest.

In der ersten Fassung war der Begriff denen vorbehalten, die aufgrund des Zweiten Weltkriegs flüchten mussten. Die UN-Staaten begrenzten stark, welche Gründe für Flucht sie akzeptierten. Sie erkannten Menschen nur als Flüchtlinge an, wenn sie aus Angst vor Verfolgung flohen. Diese Angst musste auf Rassismus oder anderen Formen von Diskriminierung basieren, zum Beispiel, wenn sie einer bestimmten Religion oder Nationalität angehörten oder eine bestimmte politische Überzeugung vertraten. 1967 strich die UN den Passus, der besagte, dass Menschen während des Zweiten Weltkriegs geflüchtet sein mussten. Ansonsten bleibt die Definition bis heute genauso bestehen und ist immer noch weit verbreitet. Auch das deutsche Asylrecht übernimmt sie wörtlich.

Lücken der Konvention

Graf weist darauf hin, dass die Formulierung der UN „die eine oder andere Gruppe, die wir im Volksmund als Flüchtlinge bezeichnen würden, gar nicht mit einschließt“. Krieg allein sei kein Fluchtgrund. Die Menschen, die zum Beispiel vor der russischen Invasion aus der Ukraine fliehen, werden nicht individuell verfolgt. Sie fallen also nicht unter den Schutz der Konvention.

In Deutschland und in der EU gibt es aber eine weitere Option. Zusätzlich zum Asyl haben Geflüchtete hier die Möglichkeit, sich als subsidiär schutzberechtigt zu melden. Damit sichert das Gesetz Menschen ab, die aufgrund von Krieg Schutz benötigen.

Rechte — und wo die nur theoretisch sind

Wer einmal unter die Kategorie eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention fällt, hat dadurch Anspruch auf einige Rechte. Zum Beispiel steht Flüchtlingen eine soziale Grundsicherung zu und Staaten dürfen sie nicht unter Flüchtlingen diskriminieren. Es gibt aber auch ganz pragmatisch das Recht auf eine Grundbildung oder die Möglichkeit, Vermögen zu übertragen, ohne allzu hohe Steuern zu zahlen.

Jan Phillip Graf bewertet das „Non-Refoulement“ als wichtigste Regelung. Es verbietet, „eine Person, die als Flüchtling anerkannt ist, in ein Land zurückzudrücken“. Das gilt, wenn einem Flüchtling dort zum Beispiel Haft droht oder die Chance besteht, dass das Land Menschenrechte verletzt oder Flüchtlinge verfolgt.

„Non-Refoulement“ ist auch heute noch relevant. Immer wieder gibt es Nachrichten über Push-Backs an den europäischen Grenzen. Graf sieht darin einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet aber immer häufiger, dass Push-Backs legal sein können. Zuletzt bei einem Urteil im April. Dabei urteilte er, dass es ausreicht, Grenzen als größere Gruppe zu überqueren, um das Recht auf ein Verfahren zu verlieren. Der UN-Flüchtlingskommissar Filipo Grandi kritisierte mehrfach die „Normalisierung der Push-Backs“. Er wirft der EU vor, das Gesetz zu brechen. Er kann die EU-Staaten aber nicht zwingen, ihre Praxis zu ändern. Laut Graf liegt „die primäre Verantwortung dafür, dass das Flüchtlingsrecht eingehalten wird, bei den Staaten selbst“.

Beitragsbild: © UNHCR/Arni/UN Archives

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