Sag mal Prof: Warum hören wir traurige Musik?

Regelmäßig fragen wir hier die, die uns im Hörsaal die Welt erklären: unsere Professor*innen und Doktorand*innen. Können sie uns wohl auch alltägliche Fragen beantworten? Sag mal Prof, warum hören wir Musik, die uns traurig macht? Dieses Mal antwortet Veronika Busch, Professorin für Systematische Musikwissenschaft am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik an der Universität Bremen. 

Trauer ist in der Regel keine angenehme Emotion. Deshalb wirkt es auf den ersten Blick paradox, dass wir freiwillig traurige Musik hören. Allerdings bedeutet Emotionserkennung nicht unbedingt Emotionsinduktion, also: Nur weil wir erkennen, dass die Musik traurig klingt, heißt es nicht, dass wir uns dann auch traurig fühlen. Häufig hören wir traurige Musik für das ästhetische Erleben. Dabei genießen wir die Ästhetik der traurigen Stimmung, ohne unseren Alltag dadurch negativ beeinflussen zu lassen. Beim ästhetischen Erleben tauchen wir in die Gefühlswelt der Musik ein und erfreuen uns an der künstlerischen Gestaltung, in dem Wissen, dass wir jederzeit abschalten können. Dadurch können wir sorgenfrei die Intensität von negativen Emotionen wie Trauer oder Wut erleben, was für viele eine positive Erfahrung ist. 

Professorin Veronika Busch. Foto: Veronika Busch

Es gibt natürlich auch Situationen, in denen wir bereits traurig sind und dann Musik hören, die zu unserer Stimmung passt. In diesem Fall handeln wir nach dem Isoprinzip. Dabei hilft uns die Musik, schwierige Emotionen zu bewältigen. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen können diese auf eine gesunde Art und Weise verarbeitet werden. Allerdings gilt dies nur in Maßen. Gerade bei Menschen, die eine Veranlagung zum Traurigsein haben oder unter Depressionen leiden, kann die Musik zu einer Verschlimmerung führen. Durch das übermäßige Hören von trauriger Musik sind solche Personen gefährdet, immer tiefer in der Trauer zu versinken. Im Gegensatz dazu steht das Kompensationsprinzip, bei dem wir fröhliche Musik hören, um unsere traurige Stimmung aufzuhellen.

Musik hat nicht immer dieselbe Wirkung auf uns

Welche Musik bei Betrübtheit hilft, ist von Person zu Person unterschiedlich. Ähnlich wie bei Medikamenten ist die Wirkung von der Person und den individuellen Umständen abhängig. Traurige Musik kann für jeden Menschen etwas anderes bedeuten. Unser Empfinden von Emotionen in Musik hängt unter anderem von den eigenen Hörerfahrungen und -erwartungen ab, dem kulturellen Kontext und dem sozialen: Höre ich die Musik allein oder mit anderen Personen?

Musik an sich ist emotionslos. Aber durch die Kombination verschiedener musikalischer Gestaltungsmittel können wir der Musik Gefühle zuschreiben. Häufig ähneln die jeweiligen Eigenschaften unserer Sprache oder unseren Bewegungen. Eine traurige Person redet meist leise und bewegt sich langsam und schleppend. Lieder mit ruhigen Klängen und einem langsamen Tempo werden dementsprechend eher als traurig wahrgenommen. Besonders stark sind die Emotionen, die wir durch assoziative Verknüpfungen empfinden. Wenn wir zum Beispiel ein Lied während einer Trennung viel gehört haben, verknüpfen wir das Lied mit dem Trennungsschmerz. Wenn wir das Lied später erneut hören, erinnern wir uns an dieses Erlebnis und verbinden die Musik mit einem Gefühl von Trauer.

 

Beitragsbild: pexels.com/kolchinaphoto

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