Stilles Leid: Nutztierexporte von Deutschland in die Welt

Schweine im Stall

24 Stunden. So lange darf ein Transport von Schweinen ohne Pause dauern. Bei Huftieren sind es bis zu 30 Stunden. Aktivist*innen setzen sich für ein Verbot ein und vereinzelt auch die Politik. Es ändert sich jedoch nur sehr schleppend etwas. Woran liegt das? 

Lastwagen mit lebenden Tieren auf der Ladefläche gehören zum Straßenbild, wie Transporter, die Waren wie Tiefkühlkost oder Postsendungen befördern. Seit Jahrzehnten züchtet die Fleischindustrie Tiere für die Schlachtung und fährt sie dafür über deutsche Autobahnen und Straßen. Meistens führt der Weg Rinder, Schweine, Hühner und Co. zum nächstgelegenen Schlachthof. Doch oftmals ist der Transport auch erst der Anfang einer Reise die Tausende Kilometer lang ist. 

Dann handelt es sich um Langstrecken-Lebendtier-Transporte. Neben dem europäischen Ausland sind Drittstaaten das Ziel. Dazu zählen vor allem die MAHGREB Staaten, die Tunesien, Algerien und Marokko umfassen. Auch Usbekistan oder Russland bezogen vor den kriegsbedingten Sanktionen Fleisch über Lebendtier-Transporte. Exportunternehmen und Importländer argumentieren, dass es vor Ort keine Zucht gäbe. Daher brauche es die Tiere aus dem Ausland, um eine Zucht aufzubauen. Es sind häufig trächtige Tiere, die exportiert werden.

Für Patrick Müller sind das nur vorgeschobene Gründe. Er ist Hauptstadtreferent des Tierschutz-Verbandes PROVIEH und setzt er sich mit seinem Team besonders für Nutztiere ein. Der Verband möchte die Interessen von Verbraucher*innen, Lebensmitteleinzelhandel, Politik und Landwirtschaft vereinen. Müllers jahrelange Erfahrung zeigt: „Die trächtigen Tier werden transportiert, weil dann neben dem Muttervieh auch das Neugeborene gemästet und geschlachtet werden kann.“ Müller nennt noch einen Grund für die Transporte: „In Deutschland gibt es eine Schwämme von Milchvieh. Für die Milchproduktion muss die Kuh ein Kalb zur Welt bringen, so trivial es klingt.“ Für eine größtmögliche Effizienz werde die Kuh nach dem Kalben meist direkt wieder besamt. Die Kälber seien dann schlichtweg über. „Eine Kälbermast ist in Deutschland kaum noch wirtschaftlich durchzuführen, daher werden trächtige Tiere exportiert“, sagt Patrick Müller. 

Tiere sind in den Drittstaaten kaum überlebensfähig

Müller glaubt noch aus einem weiteren Grund nicht an die Erklärung mit der Zucht: Das Nutzvieh, das hierzulande zur Schlachtung gezüchtet wird, sei in den Exportländern wie den MAHGREB-Staaten kaum überlebensfähig, sagt er. „Hohe Temperaturen bieten für unsere schwarzbunten Kühe kaum eine vernünftige Lebensgrundlage.“ Sie seien überhaupt nicht dafür geeignet, dort eine Zucht aufzubauen.

Der geplante Export einer trächtigen Kuh sorgte 2019 für größeres Aufsehen. Eine Amtsveterinärin des bayrischen Landkreises Landshut weigerte sich, die notwendigen Dokumente für den Export der trächtigen Kuh auszustellen. Ziel des Transportes war das 5.442 Kilometer entfernte Usbekistan. Für den Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) Grund genug, die Ausfuhr von Schlacht- und Zuchttieren in Drittstaaten zu überdenken. Zur Süddeutschen Zeitung sagte er: „Für mich ist es Tierquälerei, wenn Rinder aus unserer Region mehrere Tausend Kilometer transportiert werden, um dann in Ländern geschlachtet zu werden, in denen es keinen Tierschutz gibt.“ Für Dreier war außerdem klar: Ohne eine ministerielle Weisung wird es keine Schlachttierexporte mehr aus Landshut in Drittstaaten geben. Schnell regte sich Widerstand von Seiten der Exporteure. Schließlich gebe es Transportvorgaben, die umgesetzt würden. Gegner*innen sagen jedoch, dass sich diese auf langen Wegstrecken durch verschiedene Staaten kaum kontrollieren lassen. 

Ein Verbot ist nur auf europäischer Ebene sinnvoll 

Tierschützer Müller sagt: Im besten Fall gibt es ein europäisches Verbot. Denn die Erfahrung zeige, dass die Tiere beispielsweise zunächst in ein anderes Bundesland gebracht werden, falls die Transporte anderswo erschwert werden. Von da aus werden sie dann wiederum in das Ausland weiter exportiert. „Die nächste Ebene ist dann, dass Tiere in das europäische Ausland gebracht werden und von da aus der Transport in Drittstaaten stattfindet“, sagt Patrick Müller.

Trotzdem wäre ein deutschlandweites Verbot ein wichtiges Signal und ein guter Anfang. Es wäre der erste Schritt zu dem europaweitem Verbot. Die Kompetenz dazu hätte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Kurzfristig ist allerdings mit einer europäischen Lösung nicht zu rechnen, denn auf europäischer Ebene regt sich immer wieder Widerstand. Jüngst kündigten Portugal, Frankreich, Griechenland, Irland, Lettland, Litauen, Rumänien und Spanien ihr Veto gegen ein Exportverbot von Tieren aus der EU in Drittstaaten an. So dämpfte auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir die Erwartungen auf ein Verbot am Rand eines Treffens der 27 Agrarministerien der EU-Staaten, das Ende Januar 2023 stattfand. Für Patrick Müller ist klar, dass die Politik handeln muss. „Ich bin kein Freund davon, immer die Entscheidungen auf die Verbraucher abzuwälzen. Die gewählten Politiker müssen hier einfach ein Zeichen setzen.“  

 

Beitragsbild: pexels.com/Matthias Zomer

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