Das 70-jährige Amtsjubiläum der Queen versetzt London gerade in einen absoluten Ausnahmezustand. Die Feierlichkeiten rund um die Queen werfen allerdings allgemeine Frage rund um die britische Monarchie auf. Die einen sehen das britische Königshaus als Identifikationszeichen Großbritanniens, die anderen stören sich an der fehlenden Demokratie der Königsfamilie und finden die Staatsform rückschrittig.
In England gab es die letzten Tage eigentlich eher weniger zu feiern. Die Auswirkungen des Brexits schlechter als erwartet, die “Partygate”-Affäre des britischen Premierminister Boris Johnson, dazu die steigenden Lebenskosten. Umso mehr hatte man das Gefühl, die Brit*innen suchen gerade zu nach der Gelegenheit, endlich wieder feiern zu können. Da passt es gut in den Plan, dass Queen Elizabeth II seit 70 Jahren Oberhaupt des Vereinigten Königsreichs ist und gestern ihr nachträgliches Geburtstagsfest anstand. Die Feierlichkeiten, die vier Tage andauern sollen, sorgen nicht nur medial für große Aufmerksamkeit. Einer britischen Umfrage zur Folge planen 19 Millionen Brit*innen, in irgendeiner Form am Jubiläum teilzunehmen. Da die Bevölkerung in Großbritannien anlässlich des Jubiläums einen zusätzlichen Feiertag erhält, buchen mehr als 5 Millionen britische Staatsbürger*innen mindestens eine Übernachtung innerhalb des Königreichs.
👑 Today, as the nation celebrates Her Majesty’s 70 years as Monarch with a Service of Thanksgiving at St Paul’s Cathedral, we look back on the many lives The Queen has touched through her work.
What does Her Majesty mean to you? Please share using #platinumjubilee pic.twitter.com/11VRj0qAFG
— The Royal Family (@RoyalFamily) June 3, 2022
Die Königsfamilie ist in Sachen Eigenvermarktung bestens aufgestellt. Über Facebook, Instagram und Twitter geben sie viele persönliche Einblicke. Das Königshaus kann so relativ genau steuern, was am Ende in den Schlagzeilen der Boulevardpresse landet. Teile der Bevölkerung warten dann gespannt auf irgendwelche Infos rund um das Leben der Familie. Ob diese Informationen gesellschaftlich relevant sind, kann natürlich infrage gestellt werden. Unzweifelhaft ist auf jeden Fall, dass die Royals für Gesprächsstoff sorgen und die Zeitungen füllen. Zusätzlich dazu tritt die Queen als Identifikationsfigur auf. Menschen aller Bevölkerungsschichten und jedem Alters können sich mit ihr identifizieren. Außerdem ist sie der gemeinsame Nenner der Länder Schottland, Nordirland, Wales und England. Während die Leute beim Thema Brexit die unterschiedlichsten Meinungen vertraten, war man sich bei einer Sache einig: Die Queen wollen wir behalten.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Brit*innen befürworten die Monarchie
Das kann man durchaus als Zeichen der Zustimmung der Brit*innen zur Monarchie im Land interpretieren. Die schlägt sich auch in Zahlen nieder. Auf die Frage, ob Großbritannien auch in Zukunft eine Monarchie sein soll oder ein gewähltes Staatsoberhaupt besser wäre, sprachen sich 67% der Befragten für die Monarchie aus.
Zusätzlich bewerteten 80% der Befragten die Queen als positiv. Das passt zum großen Andrang auf die Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums. Oft werden Hochzeiten im Königshaus, wie die von Prinz Harry und Meghan Markle millionenfach verfolgt und medial begleitet. Die Gründe für die Popularität der Monarchie sind vielfältig. Oft vernachlässigt bei dieser Diskussion wird der ökonomische Faktor. Die Königsfamilie lockt viele Besucher*innen ins ganze Land. Viele Tourist*innen schauen sich die Orte an, die mit dem royalem Erbe zutun hätten. Der ökonomische Effekt lässt sich gut am aktuellen Beispiel des Jubiläums festmachen: Vom enormen Besucherandrang profitieren nicht nur Hotels, Restaurants und Pubs. Die Veranstaltungen erhöhen das Prestige des Landes im Allgemeinen. Zusätzlichen dienen die Feierlichkeiten der Bevölkerung als Ablenkung und bieten quasi die Chance, andere Probleme kurz zu vergessen.
Kaum Proteteste, trotzdem Monarchiekritik
Die großen Feierlichkeiten rufen logischerweise auch Monarchie-Kritiker auf den Plan. Nach aktuellem Stand haben sich die Proteste während des Jubiläums allerdings in Grenzen gehalten. Lediglich kurz vor Beginn der Militärparade haben vier Menschen den Aufmarsch der Soldat*innen gestört und wurden verhaftet. Nur weil die Proteste sich in Grenzen halten, heißt das allerdings nicht, dass es keine gute Gründe gegen die Monarchie gibt. Federführend ist da eine Organisation namens “Republic”, die nach eigenen Angaben 12 von 65 Millionen Brit*innen repräsentiert. “Republic” steht für eine Abschaffung der Demokratie und argumentiert wie folgt:
Diese Diskussionen gibt es natürlich nicht erst seit gestern und die Argumente der beiden Seiten sind längst ausgetauscht. Doch ist eine Abschaffung der britischen Monarchie überhaupt realistisch? Dafür müsste es schließlich einen vom Parlament erlassenen- und von der Queen unterschriebenen Gesetzesbeschluss geben. Außerdem braucht es eine gesellschaftlich breite Unterstützung, die aufgrund der Beliebtheit der Royals momentan nicht absehbar. Die Frage: Altbacken und undemokratisch oder wichtiges Zeichen für Großbritannien scheint also für die Mehrheit der Briten momentan beantwortet zu sein.