Inhalt:
Wie kann man „Krise“ definieren?
Was hat Klima mit Psychologie zu tun?
Beschreibung der (persönlichen) Krisen
Um Krisen bewältigen zu können, muss man erst einmal verstehen, was Krisen sind.
Neben einer ersten intuitiven Duden-Definition ist das Wesen von Krisen sehr komplex und interdisziplinär.
Dennoch haben Krisenforscher:innen versucht, Krisen zu definieren:
Die Klimakrise äußert sich dabei in einer globalen Erwärmung (aktuell um ca. 1,1°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit) und damit einhergehenden Wetterextremen und Naturkatastrophen (Dürren, Überflutungen, Stürme). Das letzte Jahrzehnt war laut dem deutschen Wetterdienst das wärmste seit der Aufzeichnung in 1881 (DWD 2021).
Hier ist eine Zusammenfassung des letzten Assesment Report (AR6) des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu den Auswirkungen der Klimakrise
Die hat ganz viel mit Psychologie zu tun, die Klimakrise. Weil unsere aktuellen Klimaprobleme Menschengemacht sind. Das heißt: Menschen haben sich verhalten. Menschen denken auch auf eine bestimmte Art und Weise, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Und wenn es darum geht, dieses Verhalten zu erklären oder vorherzusagen, oder zu sehen, was uns motiviert, oder auch nicht, da geht es ohne Psychologie nicht. (Julia Scharnhorst, Diplompsychologie & Psychotherapeutin, Vorsitz der Sektion Gesundheits-, Umwelt- und Schriftpsychologie des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen BDP)
… befasst sich mit den vernetzten Wechselwirkungen zwischen Menschen und ihrer alltäglichen ökologischen Lebensumwelt.
… erforscht die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen als deren Betroffene und deren Verursacher.
… fördert den positiven Umgang von Menschen mit ihrer ökologischen Umwelt.
Umweltpsychologinnen und Umweltpsychologen müssen wegen dieser komplexen Forschungsfelder mit anderen Disziplinen kooperieren (z.B. den Naturwissenschaften und der Medizin, aber auch Soziologie und Pädagogik).
Die Klimakrise ist nicht nur eine globale Krise, sondern hat auch konkrete Auswirkungen auf das Individuum.
Diese Krisen sind vielfältig:
Eine Sache haben sie jedoch gemeinsam: Menschen sind häufig psychisch belastet.
Hier erzählen zwei Menschen aus Deutschland, wie ihre individuellen Krisen aussehen:
Krisen sind also sehr vielfältig – genauso sind die Reaktionen auf sie.
Manche Menschen werden durch Krisensituationen gehemmt, andere mobilisiert.
Der Umgang mit Krisen ist also individuell, dennoch zeichnen sich psychologische Muster ab.
Hier berichten Katja und Bo von ihren Reaktionen auf Krisen:
Es ist “ein Phänomen, dass Auftritt, wenn ein:e politische:r oder soziale:r Aktivist:in sich
(häufig nach einer Zeitspanne umfangreichen Aktivismus) überwältigt,
Frustriert, hoffnungslos oder depressiv fühlt” (GoodTherapie)
Im Gegensatz zum klinischen “Burn-out” ist das Aktivisten Burnout keine
pathologisierte Krankheit, kann aber zu z.B. Angststörungen führen.
Wie ein Mensch in einer Krise reagiert, ist stark abhängig von den Gefühlen, die die Krise in ihm auslöst.
In Bezug auf die Klimakrise spricht man oft von dem vielschichtigen Gefühl “Klimaangst”:
Klimaangst, die (fem):
(a) die Sorge um die eigene und die Existenz der anderen in einer sich verändernden Welt (kognitive Ebene) sowie
(b) die Furcht vor den konkreten Folgen der Klimakrise (emotionale Ebene)
Diese Klimaangst ist kein individuelles Phänomen – besonders unter jungen Menschen ist sie sehr verbreitet:
Unter Klimaangst versteht man wirklich so eine tiefgreifende Furcht und Sorge vor den Konsequenzen, die die Klimakrise mit sich bringt.
Zur Studie: Qualitative Studie mit 10.000 jungen Menschen (16-25 Jahre) aus zehn Ländern (Australien, Brasilien, Finnland, Frankreich, Indien, Nigeria, die Philippinen, Portugal, Großbritannien und die USA). Sie ist die aktuell größte und internationalste Studie zur Klimaangst von jungen Menschen (Stand 2022).
Zum Inhalt: Fragen zu den Gedanken und Gefühlen zum Thema Klimawandel und Regierungshandeln
Zur Finanzierung: Wahlkampforganisation AVAAZ
Die Auswirkungen der Klimakrise sind eine reale Bedrohung, wie Katja selbst erfahren musste:
Ich glaube alles was mit Klima und der Angst und Furcht zu tun hat, dass dürfen wir auf keinen Fall pathologisieren, weil es eben nicht irrational ist. Das ist eine vollkommen rationale Angst.
Und dementsprechend müssen wir damit auch proaktiv umgehen und nicht wie mit der ein oder anderen klinischen Störungen, und da nicht nach klinischen Auswegen suchen.
“Statement: Klimaangst nicht pathologisieren”
Klimaangst sollte nicht pathologisiert werden, da es sich nicht um eine irrationale Angst handelt. Die Psychologists und Psychotherapists for future erklären das Problem so:
Zur Studie: Repräsentative Langzeitstudie mit 2.400 deutschen Personen (ab 14 Jahren) + Zusatzbefragung in einer repräsentativen Online-Studie mit 1.091 Personen zu Umweltängsten nach der Flut.
Zum Inhalt: Laut der Auswertung hätten Umweltängste “Rekordwerte” erreicht. Ob diese Ängste längerfristig sind und das Verhalten von Menschen nachhaltig beeinflusst, kann man noch nicht sagen.
Zur Finanzierung: R+V Versicherung Wiesbaden
Ja, das sind natürlich zwei sehr typische Stressreaktionen. Also gerade bei Ängsten, wenn wir nicht genau wissen, was wir tun sollen, neigen wir dazu, so in Schockstarre zu verfallen. Oder nach einer großen Anstrengung auch eine Frustration, die in Lethargie und Energielosigkeit führen kann, das Gefühl „Das bringt eh alles nix“. Die andere Reaktion ist, aktiv zu werden. Stress gibt uns ja auch erstmal Energie – dank Adrenalin usw. – das ist erstmal hilfreich. Ängste kann man eben auch durch Aktivität verarbeitet. Aber das alleine wird auf Dauer auch nicht reichen, man muss dann auch mal darüber sprechen und sich damit auseinandersetzen, was das so mit einem macht.
Die Klimakrise und ihre Auswirkungen – egal ob physisch oder psychisch – lassen sich oft nicht vom Individuum allein bewältigen.
Ihre Bewältigung ist eine Gemeinschaftsaufgabe und es gibt viele Anlaufstellen, wo man sich Hilfe holen kann.
Hier schildern Bo und Katja, wie und wo sie sich in Krisensituationen Hilfe holen:
Sich sozialen Support holen. Das ist das, was man im Moment tun kann. Niemand kann sagen: “Das wird schon”, aber darüber zu reden und sich auszutauschen und auch die Gefühle auszutauschen, was das mit einem macht, das kann schon sehr hilfreich sein.
Trost ist sicherlich das falsche Wort. Sowas wie Stärke, Zuversicht, Hoffnung – sowas kann man suchen.
Aber Trost wird es nicht geben. Verständnis wäre gut. Einfach nur dieses Gefühl: es nimmt einer wahr, wie es mir geht und nimmt das ernst. Dann hat man nicht immer das Gefühl, man müsse sich erklären und läuft sonst gegen Wände. Das ist aber wahrscheinlich am ehesten zu finden in den Gruppen von Gleichgesinnten.
Verbundenheit mit anderen ist ein menschliches Grundbedürfnis.
Sozialer Support und ein online/offline Netzwerk von Freund:innen sind ein großer Faktor, wenn es um das mentale Wohlbefinden geht.
Aktiv werden (z.B. in aktivistischen Gruppen) stärkt solche Netzwerke und Verbundenheiten.
Die Psychologists und Psychotherapists for future haben dafür Strategien entwickelt, um Burnout-faktoren gezielt zu bewältigen.
Was hier als Erstes passieren muss, ist eine Form von Traumabewältigung.
Es macht Sinn, sich mit seinen Ängsten auseinanderzusetzen. Sie nicht wegzudrängen, sondern wirklich einmal zu prüfen: Was befürchte ich denn konkret?
In diesem Kontext ist damit vor allem die Fähigkeit gemeint, flexibel auf Stress zu reagieren. Das beinhaltet, dass man in Krisensituationen oder auf Veränderungen angemessen reagieren kann.
Die Psychologists und Psychotherapists for future haben dafür Strategien entwickelt, um insbesondere Klima-Resilienz zu fördern.
Der zentrale Ansatz von Hilfe ist das Gemeinschaftsgefühl – in Krisenzeiten wachsen Menschen zusammen und bilden Gruppen, um die Krisen besser bewältigen zu können.
Das beobachtet auch Julia Scharnhorst:
Hier könnt ihr gerne alle Dinge kommentieren, die euch in Krisenzeiten helfen oder inspirieren.
Ob Musik, Rituale, Medien, Menschen – hier ist Platz dafür.
Zusammen können wir eine Community werden, die sich in Krisenzeiten unterstützt.
Krisen werden oft mit negativen Umständen und Gefühlen verbunden, dennoch haben sie auch ein Potenzial, das schon die alten Griechen erkannt haben:
Krisis [altgriechisch, κρίσις]: Entscheidung, Zuspitzung, Wendepunkt
Als Wendepunkt können Krisen also auch Chancen sein. Herausforderungen, die mithilfe der richtigen Menschen und Werkzeuge gemeistert werden können.
Hier geben Katja und Bo ein abschließendes Fazit zu ihren Krisen:
Wir fangen dann an, Gefahren ernster zu nehmen, wenn wir irgendwie persönlich Fälle kennen. Dieses Gefühl: “Wie bedroht bin ich?” Das ist nicht unbedingt nur objektiv, sondern das hängt auch damit zusammen, wie nah kommt mir das, wie dicht ist das jetzt meinem Erleben gekommen.
Was eben die spannende Frage ist, ist, inwieweit sich daraus Konsequenzen ableiten, für das eigenen Handeln in Bezug auf die Klimakrise. Also, ob Leute, die wirklich ganz stark betroffen sind, von so einem Extremereignis, das dann a) wirklich mit der Klimakrise in Verbindung bringen und b) ob das das Verhalten ändert.
Vom Verschleiß von Aktivisten würde ich nicht reden. Denn all die Leute, die sich da eine Zeitlang engagiert haben, sind ja nach wie vor für das Thema sensibilisiert. Die verlieren ja nicht ihr Interesse am Thema. Also das sind dann ja sozusagen „stille Menschen“, die dann vielleicht einen Schritt zurückgetreten sind, aber möglicherweise bei irgendeiner Wahl da, um Weichen zu stellen oder in ihrem eigenen Verhalten trotzdem im Alltag etwas ändern. Also, die sind ja nicht weg.
Die Frage ist letztendlich, wie kann man dieses Gefühl von Hoffnungslosigkeit und “man kann doch eh nichts tun” in Handeln umsetzen. Und das ist ja das, da hat die Bo ja wirklich schon die perfekte Lösung parat: nämlich sich mit anderen Menschen zusammenzutun und wirklich aktiv werden und sich zu engagieren. Das ist glaube ich der beste Weg, den man gehen kann, gepaart damit, seine politische Verantwortung auch zu übernehmen und entsprechend zu wählen, bzw. auch die Abgeordneten, die für einen im Bundestag sitzen, darauf hinzuweisen.
Krisen sind häufig plötzlich und unerwartet, häufig sind Sie für uns auch negativ […] Für den Moment. Längerfristig sind Krisen aber auch Chancen – nicht immer, aber manchmal auch Chancen, Dinge weiterzuentwickeln, neu zu entwickeln. Neue Fähigkeiten zu erwerben, neue Menschen kennenzulernen. Ja gesellschaftlich vielleicht auch eine neue Richtung einzuschlagen.
Dass die Grenzen des eigenen Handelns bei der Klimakrise eben schnell erreicht sind, wie das Bo ja auch berichtet, also, dass man sich fragt: „Was bringt das überhaupt?“, das ist ja auch eine völlig rationale und nachvollziehbare Reaktion.Also das Gefühl von Selbstwirksamkeit, dass ich mit meinem eigenen Handeln wirklich da was beitragen kann ist ja wirklich der berühmte Tropfen auf den heißen Stein und da müssen wir halt versuchen dieses Gefühl von Wirksamkeit auf eine kollektive Ebene zubringen, also dass wir eben merken, dass es durch das Agieren vieler ja wirklich positive Konsequenzen hat.
Klima und Psychologie – zwei Bereiche, die auf den ersten Blick nicht sehr viel miteinander gemein zu haben scheinen.
Als stark interdisziplinäres Feld umfasst die Klimakrise aber auf den zweiten Blick auch den psychologischen Bereich.
Nicht nur bei ihren Auswirkungen auf die psychologische Gesundheit von Individuen, sondern auch bei der Frage nach Lösungsansätzen hat die Psychologie eine entscheidende Rolle:
KLIMASCHUTZ IST GESUNDHEITS- UND BEVÖLKERUNGSSCHUTZ
Die Gesellschaft und Politik sollten psychologische Expertise als Grundlage für die Bewältigung der Klimakrise nutzen, denn…
…die Klimakrise ist auch eine “Krise der psychischen Gesundheit”
…psychologisches Wissen ist die “wesentliche Grundlage aller Planungen und aller konkreten Maßnahmen zur Bewältigung und Eindämmung der Klimakrise”
Zwei zentrale Herausforderungen:
a) Anpassung an veränderte Lebensumstände (Adaptation)
b) Nachhaltige Entwicklung (Transformation)
→ Konkrete (klimapolitische) Handlungsfelder z.B. eine Weiterentwicklung des Gesundheitssystems
Es gibt Studien, die einen Zusammenhang belegen zwischen Klimaangst und Motivation zu handeln. Also auch wirklich Politikmaßnahmen zu unterstützen, die klimaschonend sind. Also so ein bisschen so eine „Jetzt erst Recht-Stimmung“. Und was wir da jetzt verstehen müssen bzw. herausfinden müssen ist eben, unter welchen Bedingungen diese Klimaangst eher motivierend wirkt.