Die drei ??? und die Formel zum Kult

Eine Sammlung von Die drei ???-Fanartikeln.

„Kollegen, wir haben einen neuen Fall.“ Seit fast 45 Jahren. Ob vorm Einschlafen oder beim Autofahren, die drei Fragezeichen sind dabei. Drei ewige Teenager, die über Generationen begeistern. Einfach nur Nostalgie?

Schwarz, Weiß, Rot und Blau – wohin das Auge fällt. Diese Farben sind in nahezu jeder Ecke des kleinen gemütlichen Gästezimmers zu finden. In einem Regal mit Schallplatten, Büchern und allerlei anderen Kuriositäten, auf Postern an den Wänden, und auf einem Pappaufsteller. Ein klarer Fall: Die Bewohner dieses Gästezimmers kommen von weit her. Genauer gesagt, aus dem beschaulichen kalifornischen Küstenstädtchen Rocky Beach. Von dort aus ergründen sie mysteriöse Vorkommnisse und lüften Geheimnisse aller Art. Dieser Tätigkeit gehen sie seit fast 45 Jahren nach, doch Teenager sind sie trotzdem noch. Ihre Namen: Justus, Peter und Bob. Ihr Motto: Wir übernehmen jeden Fall.

Miriam Gönner Novak und ihre Die drei ???-Sammlung.
Miriam Gönner Novak sammelt alles, was sie von den drei Fragezeichen bekommen kann – wie hier eine seltene Jacke einer Live-Tour im Jahr 2015 und zwei von über 20 Fan-T-Shirts. Foto: Thomas Gönner

Die Tür im Gästezimmer öffnet sich. Wusch! Mindestens 20 T-Shirts fliegen auf das bislang noch unberührte Bett. Hinter ihnen erscheint Miriam Gönner Novak, Schöpferin dieses kleinen, noch im Aufbau befindlichen Reiches. Für Miriam sind die drei Detektive aus Rocky Beach – besser bekannt als die drei Fragezeichen – längst zu einer Leidenschaft geworden. Und der widmet sie nun ihr Gästezimmer. Als solches soll es zwar auch weiterhin fungieren, aber eben sekundär. Lachend stellt sie fest: „Ich habe sowieso mehr Sachen als Gäste.“

Diese Sachen sind Originalschallplatten aus den 80ern, handsignierte Bücher und sogar der „Seltsame Wecker“ in Form und Farbe. Dieses spezielle Stück spielt in einem der ersten drei-Fragezeichen-Fälle eine zentrale Rolle. Statt eines Klingelns stößt der Wecker einen markerschütternden Schrei aus. Ein Umstand, den Miriams neunjähriger Sohn Max bereits für sich nutzte. Miriam erzählt: „Max stand morgens mit seinem Handy vor dem Bett von meinem Mann und mir und hat den Anfang der Folge auf voller Lautstärke laufen lassen.“ Die Folge öffnet mit eben diesem durchdringenden Schrei – ausgestoßen von Hörspielproduzentin und Regisseurin Heikedine Körting selbst.

Hör mal, das klingt spannend

In den 80ern erlebten die drei Fragezeichen ihren ersten großen Boom. Schon mit drei Jahren hat Miriam die Anfänge ihrer Helden hautnah miterlebt. „Ich habe die Kassetten damals immer erst von meinem Bruder abgezogen, und irgendwann sagte er zu mir: ‚Ach komm. Du bist viel mehr Fan als ich. Hier, ich gebe dir meine Kassetten.‘ Und so fing das dann an mit meiner Sammelleidenschaft.“ Fasziniert haben Miriam die spannenden Geschichten mit all den Rätseln und auch gruseligen Elementen, aber vor allem war es das Zusammenspiel der Sprecher. „Ich finde sie in der Kombination alle super. Diese Dreierkonstellation ist perfekt, die hat Frau Körting damals super ausgewählt.“

Hörspielproduzentin und Regisseurin Heikedine Körting.
Hörspielproduzentin und Regisseurin Heikedine Körting. Foto: Brita Plath

Eine Konstellation, die bis heute geblieben ist. Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich leihen den drei Detektiven seit 1979 ihre Stimmen. Und auch Produzentin und Regisseurin Heikedine Körting ist von Anfang an dabei. Die studierte Juristin begeisterte sich schon in ihrer Jugend für Hörspiele und nahm selbst welche auf. „Auf einem Telefunkengerät habe ich mit meiner Freundin zu Hause kleine Hörspiele aufgenommen. Und zwar immer schon in verteilten Rollen und auch mit Geräuschen. Ich habe meine Freundin beispielsweise mal in den Pool geschubst, damit es schön platschte.“

Als beim Hörspiellabel Europa eine Regiestelle frei wurde, fackelte Heikedine Körting nicht lang und bewarb sich darauf. Sie hatte bereits vorher Erfahrungen bei Europa sammeln können und kannte mit Andreas Beurmann einen der Gründer des Labels. Schnell wurden Körtings Produktionen wie beispielsweise die „Fünf Freunde“ oder „Hanni und Nanni“ sehr beliebt.

Am Anfang stand der „Superpapagei“

Direkt bei der Zielgruppe – nämlich bei Kindern – holte sie sich regelmäßig Inspiration für neue Formate. Ein Freund ihres Neffen machte Heikedine Körting schließlich auf die drei Fragezeichen aufmerksam. „Ich habe mir damals den ‚Superpapagei‘ besorgt. Das war zwar nicht der erste Band, aber mir gefiel das Cover. Ich habe das Buch gelesen und wusste: Das ist genau das, was wir brauchen. Abenteuer, Spannung, und versetzt in eine andere Welt: die USA. Was bedeutete das damals noch für uns. Das war ja weit weg. Da konnten wir der Fantasie freien Lauf lassen.“

Schnell entwickelte sich die Serie zur umsatzstärksten Produktion des Labels. Dass die Hörspiele so durch die Decke gingen, damit hat Heikedine Körting nicht gerechnet. „Ich würde mal sagen, damit konnte kein Mensch auf der Welt rechnen. Das ist einfach ein sensationelles Phänomen.“ Die Grundzutaten sind bis heute nahezu unverändert. Eine Komposition aus professionellen Sprechern, untermalt von Geräuschen und der europatypischen Hörspielmusik.

Derek von Krogh, künstlerischer Leiter der Popakademie Baden-Württemberg.
Derek von Krogh ist künstlerischer Leiter der Popakademie Baden-Württemberg. Foto: Arthur Bauer

Derek von Krogh ist künstlerischer Leiter der Popakademie Baden-Württemberg. Für ihn ist die Hörspielmusik Charakteristikum und Stilmittel zugleich. „Mit Geräuschen kannst du schlecht darstellen, dass die Detektive von Rocky Beach nach sonst wo reisen. Die Aneinanderreihung von Geräuschen wie erst Zug, dann Auto etc. wird sehr schnell albern und so ist dann die Tradition entstanden, dass mit der Musik ein Szenenwechsel stattfindet.“

Auch das Kopfkino ist laut Derek von Krogh ein wichtiger Verbündeter des Hörspiels. „Gerade bei Kindern. Da können nicht mal Filmstudios wie Marvel mithalten, was wir mit dem Kopfkino zusammenspinnen können. Da nützt auch die teuerste Animationstechnik nichts. In deinem Kopfkino geht halt alles.“

Fragezeichen vs. Gameboy

Durch viele Neuerungen in der Medienwelt wurde das Hörspiel Ende der 80er Jahre jedoch weitgehend aus dem Freizeitverhalten der Kinder verdrängt. „Damals gingen wir davon aus, dass Schluss ist“, erinnert sich Heikedine Körting. 1992 war das umsatzschwächste Jahr für die drei-Fragezeichen-Hörspiele mit gerade einmal 200.000 verkauften Tonträgern. Zum Vergleich: Während der 80er lagen die Zahlen jährlich bei mindestens einer Million.

Eine Sammlung von Die drei ???-Fanartikeln.
Ein Regal in Miriam Gönner Novaks Drei-Fragezeichen-Zimmer mit einem Teil ihrer Sammlung. Foto: Thomas Gönner

Für Miriam Gönner Novak äußerte sich das als Fan vor allem dadurch, dass weniger Hörspiele produziert wurden. „Darüber war ich schon sehr traurig, weil ich mich immer tierisch auf die neuen Folgen gefreut habe.“ Treu geblieben ist sie den drei Fragezeichen dennoch: „Wenn’s keine neuen Folgen gab, dann habe ich eben die alten rauf und runter gehört.“

Die drei Fragezeichen: der Hype ist zurück

Heute haben die Detektive aus Rocky Beach Kultstatus erlangt. Anders als bei anderen Produktionen werden Hörspiele im Studio Körting immer noch mit den Sprecher*innen im Ensemble aufgenommen und nicht jeweils einzeln. Außerdem mischt Heikedine Körting all ihre Produktionen noch auf Band ab. „Ich liebe immer noch das Analoge. Wir haben auch öfter mal Filmarbeiten im Haus. Und, wenn dann die Tontechniker kommen, die kriegen sich gar nicht wieder ein vor Glück, dass sie sowas noch einmal sehen können. Solche Maschinen gibt’s ja gar nicht mehr. Man hat die Sprache quasi direkt in der Hand.“

Ein weiterer Grund für den Erfolg: Die aktuellen Autor*innen der drei-Fragezeichen-Bücher besinnen sich hin und wieder auf die Klassiker, was Miriam Gönner Novak besonders gut gefällt. „Ich finde toll, dass die Autoren mittlerweile ganz oft wieder die alten Charaktere mit reinschreiben. Wenn damit die Geschichten von damals wieder zum Leben erweckt werden.“ Dass Retrospektiven und andere Events bei den Fans gut ankommen, hat das Fragezeichen-Team erkannt und das Franchise mit heute aktuellen Formaten erweitert. So gibt es mit dem „Bobcast“ ein Podcast-Format von Bobsprecher Andreas Fröhlich und dem Autoren Kai Schwind. Die beiden arbeiten sich chronologisch durch die Klassikerfolgen und geben Einblicke in Anekdoten aus den Produktionszeiten.

Eine Sammlung von Die drei ???-Fanartikeln.
Zu Miriam Gönner Novaks Sammlung gesellen sich typische Mitbringsel einer Live-Veranstaltung – wie Eintrittskarten und Becher in der Drei-Fragezeichen-Edition. Foto: Thomas Gönner

Kai Schwind war federführend bei der Jubiläumstour „Der dunkle Taipan“. Bei diesen Livehörspielen treten die Sprecher*innen wie im Theater auf, nur, dass der Fokus auf den gesprochenen Inhalten liegt und es keine besondere Inszenierung durch Kostüme oder Ähnliches gibt. Ein Geräuschemacher sorgt vor Ort für die passende Soundkulisse. Die Sprecher*innen werden gefeiert wie Popstars.

Miriam Gönner Novak erinnert sich an den Auftritt auf der Berliner Waldbühne: „Ich wollte das Erlebnis für meinen Sohn ganz toll gestalten. Daher habe ich mich schon ab halb zwei angestellt. Zu der Uhrzeit waren locker schon zehn Leute da. Einlass war um 19 Uhr. Aber die Zeit verging relativ schnell. Ich habe mich mit den Fans so gut unterhalten. Kurz vor Einlass kamen mein Mann und mein Sohn dazu. Wir sind dann wirklich losgerannt, um gute Plätze zu bekommen. Ich saß in der vierten Reihe, genau mittig vor der Bühne. Für meinen Sohn war das ein so tolles Erlebnis.“

Vor 20 Jahren ein Versuch, heute eine Notwendigkeit

2002 wurde mit „Master of Chess“ die erste Liveshow inszeniert. Auch der schreiende Wecker, mit dem Max seine Eltern aus dem Schlaf gerissen hat, war schon auf der Bühne zu hören. 2010 schaffte es diese Aufführung mit über 15.000 Zuhörer*innen ins Guinness Buch der Rekorde.

Der "seltsame Wecker" der drei ???.
Der “seltsame Wecker” aus Miriam Gönner Novaks Sammlung. Foto: Thomas Gönner

Derek von Krogh sieht in Zeiten von Streaming eine Notwendigkeit, derartige Formate zusätzlich zu den regulären Folgen anzubieten. „Der Verkauf von ausschließlich Tonträgern ist heute – vorsichtig formuliert – nicht mehr so rentabel wie früher. Und die Musik spielt heute sprichwörtlich im Live-Bereich. Die Verdienstmöglichkeiten bei Spotify sind leider sehr gering.“ Die Zahlen geben ihm Recht. Lag der Anteil an verkauften Einheiten auf CD 2010 noch bei 68 Prozent, sank er bis 2018 auf nur 24 Prozent.

Dass der Hype dennoch ungebrochen ist, erklärt sich Derek von Krogh so: „Dass die erste Kassettenkinder-Generation diese Leidenschaft an ihre Kinder weitergegeben hat, spielt bestimmt eine große Rolle. Das allein würde als Erklärung aber nicht reichen für über 50 Mio. verkaufte Einheiten. Wenn sich etwas so nachhaltig durchsetzt, dann ist es Qualität.“

 

 

Beitragsbild und Bildergalerie: Thomas Gönner

 

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