Auf dem Weg zum gesunden Huhn

Antibiotikaresistente Keime im Geflügelfleisch und schlechte Bedingungen in den Mastbetrieben sind Zustände, für die neben Fleischverzicht kaum eine Lösung vorgeschlagen wird. Was, wenn die Veränderung schon mit dem Futter der Tiere beginnt? 

Von vermehrt antibiotikaresistenten Keimen in Geflügelfleisch und schlechten Bedingungen in den Mastbetrieben schrieb das Forschungsministerium bereits 2015. Über Lösungen wird bisher jedoch kaum gesprochen, abseits davon, den Konsum zu reduzieren. Doch eine Gesellschaft ohne Fleischkonsum wird vorerst eine Utopie bleiben. Es braucht also einen Weg, um das Problem im Keim zu ersticken. Den will das Unternehmen Corbiota gefunden haben, wie CEO und Mitbegründerin Julia Rohde berichtet. 

Das Problem im Stall

Das Problem erklärt sie folgendermaßen: In der sterilen Umgebung in den Mastbetrieben hätten die Küken keine Möglichkeit, ein vollständiges Immunsystem aufzubauen. Würden die Hühner dennoch Keimen ausgesetzt, würde der Großteil des Stalles krank werden. Ab dem Moment verschreiben Veterinärmediziner*innen dann Antibiotika. In kleinen Betrieben werden zwischen 2000 und 5000 Hühner im Stall gehalten, in großen Mastbetrieben 50 000 bis 60 000, so die deutsche Landwirtschaftsgesellschaft. 

Die Küken im Stall könnten bald lebendiges Futter erwarten. Foto: Corbiota GmbH

„In der Natur ernähren sich Hühner überwiegend von Käfern und Würmern. In Deutschland ist einer davon der Rotwurm“, erklärt Rohde. „Der Wurm als Futtermittel könnte den Zustand in den Ställen drastisch verbessern. Zumindest, wenn der Wurm in den ersten fünf Tagen nach dem Schlüpfen gefüttert wird.“ Er soll nicht nur das Immunsystem der Hühner fördern, sondern auch deren Jagdinstinkt. Ein häufig auftretendes Problem in den Ställen ist das Flügel- und Schwanzpicken, also die Jagd auf andere Hühner. Stattdessen machen sie Jagd auf den Wurm. 

Stolpersteine auf dem Weg

Ein besseres Immunsystem und erhöhte Agilität sprechen für einen besseren Lebensstandard. Ein Thema, das bei Massentierhaltung oft diskutiert wird. Wieso wurde eine so scheinbar simple Idee noch nicht eingesetzt? Das liegt unter anderem am Futtermittelgesetz. Es besagt, dass alles, was im Futtermittel landet, zertifiziert sein muss und dass Tiere nicht mit Gülle gefüttert werden dürfen. Das heißt, zuerst musste geprüft werden, dass Würmer-Ausscheidungen keine Gülle sind, sondern Humus. Zudem muss alles auch mit dem EU-Recht konform sein. Die Zulassung für Corbiota dauerte somit zwei Jahre, schildert Julia Rohde.

Eine Zulassung hat das Unternehmen mittlerweile. In landesweiter Nutzung ist der Wurm trotzdem nicht. Julia Rohde erklärt das folgendermaßen: „Ein Großteil der Mäster in Deutschland arbeitet für ein größeres Unternehmen. Dieses stellt Vorgaben, vom Futter bis hin zum Schlachthof. Die Mäster sind so abgesichert. Es bedeutet aber auch, dass neue Futtermittel wie Corbiota abgesprochen werden müssen. Zwar ist das generell kein Problem, es ist vielen Mästern aber dennoch zu riskant. Denn sie tragen die Kosten für die Antibiotika, wenn die Hühner krank werden. Deswegen bietet wir den Landwirt*innen an, das Futtermittel für den ersten Mastzyklus kostenlos zu testen.“ Wichtig dabei sei, dass der Rotwurm präventiv und nicht kurativ eingesetzt wird. Sind die Hühner bereits krank, entsteht kein Effekt durch den Wurm und Antibiotika werden weiterhin benötigt.  

Der Wurm schleicht sich voran

Rohde sagt, dass Länder, die viel Wert auf Tierwohl legen, wie zum Beispiel Frankreich oder Schweden, bereits Interesse am Unternehmen geäußert haben. Sie seien in der Umsetzung von neuen Ideen und Richtlinien deutlich schneller. Auch sagt sie, dass ein Großteil der unabhängigen Landwirt*innen Interesse an Corbiota zeige und den Wurm im kommenden Jahr nutzen wolle. Zudem seien sie im Gespräch mit der Supermarktkette Tesco in Großbritannien, berichtet Rohde. Die Kette überlege, Corbiota als Futtermittel für ihre Lieferanten zu verpflichten.  

 

Beitragsbild: Corbiota GmbH

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