Die Weihnachtsmarktstände in der Dortmunder Innenstadt setzen auch in diesem Jahr auf ein traditionelles Essensangebot – und das heißt vor allem viel Fleisch. Das spricht gegen einen großen Trend, denn immer mehr Menschen verzichten darauf. Der Veranstalterverein sagt, ihm seien die Hände gebunden, nicht nur, weil die Besucher*innen das gewohnte Angebot bevorzugten.
Glühwein, Bratwurst und dichtes Gedränge um den Hansaplatz: Für viele Dortmunder*innen beginnt die besinnliche Zeit mit dem Gang auf den Weihnachtsmarkt. Wo Menschenmengen die nächsten Wochen bis Weihnachten bei Krakauer und Currywurst den Arbeitstag ausklingen lassen, ist es heute noch leer, der Aufbau ist aber so gut wie abgeschlossen. LKW liefern die letzten Tannenbäume und Weihnachtsmänner.
Gegenüber vom Hauptbahnhof wuchtet ein Mann einen Plastiksack mit gefrorenen Steaks aus einem Lieferwagen. Dieser Imbiss hat sich also fürs Erste mit Fleisch eingedeckt, wenn ab Donnerstag (18.11.) der große Ansturm aufs deftige Weihnachtsmarktessen losgeht. Aber ist das überhaupt noch zeitgemäß?
Zahl der Vegetarier*innen und Veganer*innen hat sich während Corona verdoppelt
Laut dem Ernährungsreport 2021 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft essen die Deutschen weniger Fleisch und Wurst als im Vorjahr. Dagegen hat sich die Anzahl der Vegetarier*innen und Veganer*innen während Corona verdoppelt: von sechs auf zwölf Prozent. Außerdem verzichten auch immer mehr Menschen, die sich sonst nicht vegetarisch oder vegan ernähren, hin und wieder auf Fleisch. 43 Prozent der Befragten haben schon einmal Ersatzprodukte gekauft.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Die einen wollen nicht, dass Tiere für ihre Ernährung leiden; die anderen finden pflanzliche Proteine und Fette schlicht gesünder. Auch der Klimaschutz spielt eine große Rolle. Die allermeisten sind laut der Umfrage jedoch neugierig auf den Geschmack von Ersatzprodukten.
Vor allem bei jungen Menschen ist die vegane Ernährungsweise beliebter geworden. Bei den 14-29 Jährigen geben 17 Prozent an, dass sie täglich oder mehrmals täglich Alternativen wie Sojamilch, Tofu-Würstchen oder veganen Käse essen. Voriges Jahr waren es noch 7 Prozent. Der Trend geht also eindeutig hin zu weniger Fleisch – doch auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt ist das noch nicht angekommen.
Veganerin enttäuscht: „Man braucht nicht den fünften Currywurststand“
Schaut man sich das diesjährige Ständeangebot an, fallen vor allem die vielen Grillstände ins Auge. Von Grillschinken über Curry-, Bratwurst und Schaschlik fehlt nichts, was das Fleischfanherz begehrt. Abwechslung bietet der Stand von Jessica Winter, die „Gemüseküche“. Seit 2013 steht Winter mit ihrer Bude auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt. Die Nachfrage sei groß. „Es gibt immer viele Gemüsefans. Ich kann mich nicht beklagen, es läuft jedes Jahr gut“, sagt Winter.
Veganerin Sophie, 20 Jahre alt, reicht das aber noch lange nicht. „Ich finde es schade, wenn man sich bei einem so großen Angebot Gedanken machen muss, ob man etwas Ansprechendes finden kann.“ Bei den bewährten Ständen müsse sie oft Abstriche machen: Pizzabrötchen ohne Käse etwa oder ein Snack ohne Soße. „Aber das ist halt nur der halbe Spaß. Bei deftigen Sachen gibt es meistens nur Fleisch oder traditionelle Sachen“, sagt sie. „Da würde ich mir zweimal überlegen, ob ich mir dort was kaufe. Oder ob ich nicht einfach was von Zuhause mitnehme, was günstiger und leckerer ist und mehr auf meine Ernährungsweise ausgerichtet ist.“
Sophie findet, ein größeres veganes Angebot würde die Vielfalt fördern. „Am Ende sollte einfach für alle etwas dabei, was ihnen schmeckt und was sie vertreten können zu konsumieren.” In einem ist sie sich sicher: “Man braucht nicht den fünften Currywurststand.“
Alteingessene Stände müssten umdenken
So einfach ließe sich das allerdings nicht umsetzen, erklärt Verena Winkelhaus. Sie ist beim Bezirksgeschäftsführerin beim Markthandel- und Schausteller‑Verband Westfalen, dem Veranstalterverein. Jedes Jahr gebe es viel mehr Anmeldungen als Standplätze, weshalb eine Warteliste geführt werde. „An die muss ich mich halten, da sind mir rechtlich die Hände gebunden.“ Für mehr Stände mit veganem Essen, wie Sophie ihn sich wünscht, müssten also alteingesessene Standbetreiber*innen weichen oder umdenken.
Und was wäre mit einem komplett veganen oder vegetarischen Markt? Felix, der auch vegan lebt, findet die Idee gut. „Ich würd mich dort sehr wohl fühlen. Und ich denke auch, dass es da genug Essen für Nicht-Veganer*innen geben würde.“
Winkelhaus bezeichnet den Dortmunder Weihnachtsmarkt eher als traditionellen Markt mit klassischem Angebot. Ein vollständig veganer Markt würde womöglich besser in eine reine Studierendenstadt passen, wie zum Beispiel Münster, meint sie.
Fleischloser Weihnachtsmarkt in Duisburg
Wer aber das volle vegane Weihnachtserlebnis möchte, muss gar nicht so weit raus aus Dortmund. In der Duisburger Altstadt steht seit dem 11.11. „Veggi Glück – der glückliche Markt“, wo das vegane Angebot deutlich größer ist.
Zu den möglichen Besucher*innen zählt sich wohl auch Sophie. Statt auf Veggiemärkte, hofft sie aber grundsätzlich auf eine größere Vielfalt. „Um alle Bedürfnisse einer Gruppe stillen zu können, wäre ein gemischter Weihnachtsmarkt wahrscheinlich die beste Lösung.“ Der Dortmunder Weihnachtsmarkt schafft das aktuell nicht.
Beitrags- und Teaserbild: Henrike Utsch