Kommentar: Die Stadt Dortmund gibt sich keine Mühe, „Housing First“ umzusetzen

Wenn der Rat etwas beschließt, muss die Verwaltung es umsetzen. So ist es auch in Dortmund beim Wohnungslosenhilfsprogramm „Housing First“. Unsere Autorin findet: Die Verwaltung will das Projekt gar nicht umsetzen.

Wer durch die Dortmunder Innenstadt geht, dem fällt auf: Hier gibt es viele wohnungslose Menschen. Wenn diese Menschen eine Wohnung bekommen möchten, brauchen sie Hilfe. Allein ist das für sie auf dem freien Wohnungsmarkt schwierig. Kaum ein*e Vermieter*in möchte das Risiko eingehen, seine*ihre Wohnung an obdachlose Menschen abzugeben, die möglicherweise psychische Erkrankungen, Suchtprobleme oder Schulden mitbringen. So lauten für viele die Vorurteile.

Die Stadt Dortmund darf sich davon nicht abschrecken lassen. Wenn wohnungslose Menschen eine Wohnung finden möchten, muss die Stadt ihnen helfen. Sie muss ihnen die Chance geben, ein menschenwürdiges Leben zu führen – auch mit dem Risiko, dass das scheitert.

“Housing First” in Dortmund

Es gibt nicht den einen Weg, Wohnungslosigkeit zu beenden. „Housing First“ stellt aber zumindest einen neuen Ansatz dar. Um diesen Ansatz richtig umsetzen zu können, müssen Wohnungen bereitgestellt werden. Genau das soll die Dortmunder Verwaltung machen. So steht es im Beschluss von 2021 und in der Forderung der Linke+, der CDU und der Grünen aus der Ratssitzung im März dieses Jahres.

Bisher ist die Verwaltung dieser Aufforderung noch nicht nachgekommen. Unverständlicherweise. Dabei konnte sie für andere Projekte im Bereich der Wohnungslosenhilfe durchaus Wohnungen zur Verfügung stellen. Laut einem Bericht der Stadt Dortmund zur Weiterentwicklung der Hilfen für wohnungslose Menschen aus 2022 hat die Stadt im vergangenen Jahr 519 Wohnungen für das Wohnraumvorhalteprogramm bereitgestellt. Die Wohnungen in diesem Programm verwaltet das Sozialamt. Sie sollen bei der Integration in den regulären Wohnungsmarkt helfen. Das Prinzip ist also ähnlich. Der bedeutende Unterschied: Bei Housing First mieten die wohnungslosen Menschen selbst. Bei dem Wohnraumvorhalteprogramm ist die Stadt die Mieterin. Wieso gelingt es der Stadt nicht, Wohnungen für „Housing First“ bereitzustellen? Die Verwaltung erweckt beinahe den Eindruck, dass sie das Projekt gar nicht voranbringen möchte. Das würde zumindest erklären, warum sie diese Forderung konstant nicht erfüllt.

Die Stadt hat zwar zuletzt Vermieter*innen dazu aufgerufen, sich zu melden, wenn sie Wohnraum zur Verfügung stellen möchten. Zudem möchte sie Träger und Vereine beauftragen, damit sie das Projekt umsetzen. Die Stadt begründet dieses Vorgehen damit, dass „Housing First“ auch in anderen Regionen nicht durch die Stadt selbst betrieben werde.

Die Stadt muss sich bald rechtfertigen

Dieses Vorgehen verstärkt das Bild einer nicht wollenden Verwaltung erneut. Wer trotz der wiederholten Forderung, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, die Aufgabe von sich weist, erweckt den Eindruck, es gar nicht erst zu versuchen. Fraktionen drängen darauf, dass die Verwaltung „Housing First“ umsetzt. Die Linke+ droht damit, bald die Kommunalaufsicht einzuschalten. Dann muss sich die Verwaltung zurecht verantworten.

„Housing First“ ist ein Ansatz, der Dortmund viele Chancen bieten kann. Es ist klar, dass das Projekt nicht allen wohnungslosen Personen helfen kann und nicht für alle das richtige Hilfsangebot darstellt. Dennoch kann „Housing First“ Diskriminierung und bürokratische Hürden überwinden und wohnungslosen Menschen eine neue Perspektive aufzeigen.

Eine Stadt sollte immer eine Vorbildfunktion erfüllen. In diesem Fall wäre es ein wichtiger Schritt, dass die Dortmunder Verwaltung das Konzept „Housing First“ schnell ermöglicht. So würde sie nach außen demonstrieren, dass sie die Wohnungslosenhilfe vorantreibt. Es bleibt also zu hoffen, dass die Verwaltung die Forderung der Fraktionen so schnell wie möglich umsetzt.

 

Beitragsbild: KI-generiert, keine echte Abbildung, erzeugt mit der Software Midjourney

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