Kommentar: Mein Herz schlägt für die Kreisliga

Fußballspieler klatschen sich ab

“Ich mag ehrlichen, fairen, leidenschaftlichen Sport. Und wenn wir schon bei ehrlich sind: Dazu gehört Fußball für mich nicht. Außer die Kreisliga. So lächerlich, wie ich die Bundesliga finde, so sehr mag ich die Kreisliga.”, findet KURT-Autorin Julia Barz. In ihrem Kommentar hält sie eine Hommage an die Kreisliga – oder wie sie sagen würde: “die ehrlichste Liga der Welt.”

“Bringt der Coach denen nur foulen bei oder wat?” “Der Schiri pfeift wie ‘ne Pfeiffe!” “Wieso rennt der denn nicht nach vorne?!” Das Kreisligaspiel TürkSpor Dortmund 2000 e.V. gegen DJK RW Obereving, was ich mir aus reiner Liebe zum Kreisligafußball gönne, hat noch nicht so richtig angefangen, da fallen schon die ersten fachmännischen Zuschauerkommentare. Ich liebe es. Solche Sprücheklopfer gibt es natürlich auch in den großen Stadien, aber sind wir mal ehrlich: So richtig Charm bekommen die doch erst vor der richtigen Kulisse. In der einen Hand ein Pils, in der anderen eine Zigarette, angelehnt an die Absperrung am Spielfeldrand, im Hintergrund ein heruntergekommenes Vereinshaus und schon sind solche Kommentare Zucker in meinen Ohren. Wir, die anderen knapp 200 Zuschauer und ich, stehen ums Feld verteilt gerade mal einen großen Schritt von der weißen Linie entfernt. Die Kommentare hören also nicht nur wir untereinander, die Spieler und Trainer hören sie auch. Gerade das ist ja das Tolle.

Ich liebe den Austausch zwischen Spielern, Trainern und den Fans. Diesen Austausch bekommt doch in Stadien, in die 30.000 Leute reinpassen, sonst keiner mit. Spieler zum Seitenläufer: “Das war Abseits!” Fan zum Seitenläufer: “Ja genau, guck doch mal richtig hin!” Seitenläufer zum Fan: Beschwichtigende Handbewegung. Spieler wieder zum Seitenläufer: “Was kannst du eigentlich?” Herrlich. Einmal hat mich fast eine offene Wasserflasche eines Spielers getroffen, ein anderes mal hat mich der Seitenläufer beinahe umgerannt. In einem Stadion wäre ich ja nicht mal in die Nähe des Spielfeldrandes gekommen. Hier jedoch war ich quasi Teil des Spiels und nicht einfach nur Zuschauer. Und das umsonst, womit wir zum nächsten Punkt meiner Kreisliga-Hommage kommen.

Kreisliga ist leidenschaftlich, günstig und äußerst unterhaltsam

Ich zahle für den Eintritt zu diesem Kreisligaspiel nichts. Ich grüße im Vorbeigehen einen Trainer und gehe einfach zum Spielfeldrand. Das Bezirksligaspiel zwei Stunden später am Tag hätte mich 5 Euro gekostet. Zum Vergleich: Das Spiel BVB gegen Paderborn in knapp drei Wochen würde mich mindestens 72 Euro kosten. Für dieses Geld kann ich dann in einer der letzten Reihen sitzen. Sehen würde ich von da oben nur kleine Männchen. Den sandkorngroßen Ball müsste ich ständig suchen. Ich müsste außerdem lange nach einem Parkplatz suchen oder mich in eine überfüllte S-Bahn quetschen. Selbst in meiner Heimatstadt Duisburg hätte ich für einen Sitzplatz beim Drittligisten MSV Duisburg 23 Euro gezahlt. Hier, bei TürkSpor Dortmund hingegen, kann ich bequem parken. Ich hätte auch vom Hauptbahnhof aus mit der U-Bahn fahren und dann ein paar Minuten laufen können. Hier muss ich auch nicht minutenlang die Stadiontreppen hochmarschieren, um dann nur die Gespräche meiner Nachbarn zu hören, nicht aber das Gegröle der Spieler selbst. Hier stelle ich mich einfach direkt neben die Ersatzbank. Einer der Spieler lächelt mich freundlich an. Ich höre die Ansagen des Trainers, ich höre die Gespräche der Ersatzspieler, die sich interessanterweise nicht nur um Fußball drehen. Ich höre die motivierenden Rufe des Torhüters. Den Kampf  um das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis gewinnt für mich eindeutig die Kreisliga.

Auch in Sachen Verpflegung gefällt es mir hier einfach besser. Für Softdrinks und Bier zahle ich 1,50 Euro. Es gibt zwar keine vertrockneten, überteuerten Brezeln, dafür aber Döner. Selbstgemacht von den Müttern der Spieler. Die 3,50 Euro dafür zahle ich gerne, denn ich weiß, dass sie dem Verein zugute kommen. Alle, die hier helfen, tun das freiwillig, ohne Gegenleistung. Alles fließt in den Verein. Nach dem Spiel sehe ich den Kassenwart neben der Vereinstheke sitzen, die Blechkasse und viele Münzen vor sich. Hier wird noch bar bezahlt und per Hand ausgezählt. Hier braucht man keinen Chip aufladen. Hier verliert man auch nicht sein Restguthaben am Ende der Saison. Nein, hier zahlst du deine Mark fuffzich und gut ist. Ich liebe es.

 

Ich fasse zusammen: Der Bundesliga fehlt es an Authentizität, an Ehrlichkeit, an Nähe, an Sparsamkeit. All das hat aber die Kreisliga. Aus diesen Gründen werde ich in meinem Leben keinen Fuß mehr in ein großes Fußballstadion setzen. Ich werde mir aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nächstes Wochenende wieder ein Kreisligaspiel ansehen und ich kann jedem mit einem Herz für Sport empfehlen, es mir gleich zu tun.

Beitragsbild und Bilder im Artikel: Julia Barz, KURT-Autorin.

 

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