Am Wochenende (7.und 8. Dezember) findet in Dortmund die German Comic Con statt. Das Klientel besteht hauptsächlich aus sogenannten “Nerds”. Der Begriff „Nerd“ ist allerdings lange kein Schimpfwort mehr. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Typen entwickelt.
Als die Sitcom „The Big Bang Theory“ das Licht der Serienwelt erblickte, brannte sich der Begriff „Nerd“ in den allgemeinen Wortschatz ein. Von dort aus beschrieb der Begriff den „Sonderling“, der sich mit Computern auskennt, noch bei Mama wohnt und Probleme mit der Sozialisation hat. Nerd war quasi ein Schimpfwort. Aber ähnlich wie sich die Charaktere in der Serie entwickelten, endlich mit Frauen sprechen können, beliebter wurden und die Halo–Nacht für ein Date sausen ließen, entwickelte sich auch der Nerdbegriff.
Mittlerweile wird er als Synonym für „Experte“ benutzt und die übergroße Nerdbrille ist ein stylisches Modeaccessoire. Zwischen den Hipstern, die mit hochgezogenen Tennissocken und einer Mütze, die die Ohren frei lässt, bei Starbucks auf ihrem MacBook tippen und einem Nerd lässt sich keine klare Trennlinie mehr ziehen. Auch der gesellschaftliche Wandel, der alle Sexualitäten, Identitäten, Gender, oder einfach das „Anders sein“ zulässt, hat den Nerds gutgetan. Ebenso gibt es immer mehr Frauen, die Merkmale eines Nerds aufweisen. Mittlerweile ist die Nerdlandschaft fast so vielseitig wie die Charaktere bei World of Warcraft.
Würde man in hundert Jahren ein “Nerd-Museum” besuchen, wären wohl folgende Exponate ausgestellt:
Der Franchise–Nerd
Dieser Nerd gibt sein ganzes Leben einer fiktiven Welt hin. Das können Superheldenfilme, Star Wars, Star Trek, Harry Potter, der Herr der Ringe und so weiter sein. Der natürliche Lebensraum dieses Nerds sind Comicbuchländen und Conventions. Um den Nebendarsteller eines Spin–offs aus dem Star-Wars-Universum zu sehen, reisen sie über den ganzen Planeten. Und das natürlich nicht als Mark, Robert und Laura, sondern als Spider-Man, Thor und Captain Marvel. Das sogenannte Cosplay ist aber nicht mit dem karnevalesken Verkleiden zu vergleichen. Jedes Detail des Chewbacca–Kostüms ist bis zum letzten Haar filmgetreu und kann auch gerne mal ein Monatsgehalt kosten.
Der neue Avengers-Trailer wird mit Hochspannung erwartet. Und jeder Shot wird mit Adleraugen analysiert und Theorien, Filmfehler und Easter Eggs (nerdisch für versteckte Details und Anspielungen) werden auf Reddit und Co. akribisch ausgetauscht. Aber: Es gibt nicht zu vernachlässigende Unterschiede zwischen den Franchises.
So hassen sich die Star Wars und Star Trek Communities und es ist zu unterscheiden ob in Klingonisch, Elbisch oder Parsel kommuniziert wird. Dieser Typ Nerd nervt sein Umfeld mit Sätzen wie: „Aus dem Director’s Cut mit Audiokommentaren wird klar, dass der Teserakt als Energiequelle und Portal genutzt werden kann.“ oder „Das ist nicht Baby Yoda. The Mandalorian spielt nach der Rückkehr der Jedi. Yoda ist da schon tot. Der korrekte Ausdruck ist also Baby der Spezies von Yoda, die bisher noch unbekannt ist.“
Der Informatiker/Physiker
Zu Beginn dieses Studiengangs gab es nur einen Typ. Ihm ist sein Outfit völlig egal. Funktionskleidung passt. Gerne auch die Gleiche alle sieben Tage die Woche. Und natürlich Brille. Doch seitdem die Welt immer digitaler wird, gibt es diesen Nerd auch in cool.
Sie wissen, was mit deinem Laptop falsch läuft und können mit einem Bildschirm, auf dem nur Nullen und Einsen abgebildet sind, umgehen. Und sie wissen Dinge, von denen du vielleicht noch nie gehört hast. In der Mensa diskutiert dieser Nerd gerne über Schrödingers Katze oder Einsteins Relativitätstheorie. Er behelligt sein Umfeld mit Weisheiten wie: „Das ist doch offensichtlich. Bei der neuen Generation bugt das manchmal. Du musst einfach den cyber-mainframe hardlimiten.“
Der Nischen-Nerd
Dieser Typ umfasst alle Nerds, die komische Dinge sammeln oder ein Faible für eine ganz bestimmte Nische haben. Vom Senior, der alles über Springbrunnen weiß bis hin zum Kettensägensammler gibt es alle möglichen Ausprägungen. Seine Gartenzwerg-Sammlung ist sein ganzer Stolz und wird jedem gezeigt, der ins Haus kommt. Der Nischen-Nerd ist der wahrscheinlich älteste Nerdtyp. Ihn gibt es schon, seit es den sogenannten „Hobbykeller“ gibt. Früher wurde er nur noch nicht als Nerd bezeichnet.
Je obskurer die Nische, desto nerdiger. Dabei muss sein Wissen nicht zwingend nutzlos sein – er kann zum Beispiel alles über Pharaonen, gotischen Kirchenbau, oder Züge wissen. Dennoch macht es sich der Nischen-Nerd zur Hauptaufgabe, andere mit seiner Weisheit zu belehren. Egal, ob danach gefragt wurde, oder nicht. Unwissende müssen dringlich über die neuen Trends beim Kompostieren informiert werden. Ein typischer Satz des Kettensägensammlers ist: „Das ist ‘ne C47 39 B aus der elften Generation. Die hab ich damals auf der internationalen Kettensägen–Messe ersteigert. Da haben die noch ohne Rückkopplung gesägt.“
Der Gamer
Hauptnahrungsmittel der Gamer sind Energy Drinks und Chips, sein Headset setzt er nur in Ausnahmefällen ab und spielt natürlich nur am PC; Konsolen kommen ihm nicht ins Haus. Seine digitalen Freunde kennen ihn nicht als Jens, sondern als Shadowhunter78. Sein Zimmer verlässt er nur, falls es etwas zu essen gibt oder die Blase mal wieder zu voll mit Softdrinks ist. Abends guckt er nicht die Fußball-, sondern die Fortnite-WM. Ähnlich wie beim Franchise-Nerd ist Cosplay höchst angesagt beim Gamer. Nur pilgert er nicht zur Comic Con, sondern zur Games Com.
Der Gamer ist allerdings auch ein sehr kreativer Nerd, denn er entwickelt eine ganz eigene Sprache, die für Außenstehende nicht zu verstehen ist. Wörter wie afk oder bugs stehen fett gedruckt im Gamerduden. Außerdem benutzt er gerne Begriffe aus seinen Games, die er ganz selbstverständlich in alltägliche Konversationen einfließen lässt. Man bräuchte, um den Gamer-Nerd zu verstehen, beinahe ein eigens für ihn kreiertes Wörterbuch. Ein Beispiel gefällig? Das gab der User “Loka” in dem World-of-Warcraft-Forum „Blizzard“ von sich: „Boah, ich seh’s schon vor mir: Flugzeuge und Flugzeugträger besetzt von Orcs und Pandaren. Am Hafen von Sturmwind die Flak-Geschütze von Sylvanas Goblin-Suizidsprenger zerstört.“ Na, habt ihr das verstanden?
Beitragsbild: Anika Hinz