“Sensible Inhalte: Dieses Video enthält möglicherweise Gewalt oder explizite Inhalte” – hinter dieser Trigger-Warnung erscheint ein Video, in dem ein dunkelhäutiger Mann nach einem Einsatz der Polizei stirbt. In Deutschland, müssten die Täter mindestens in U-Haft.
In den vergangenen Tagen geht ein Video aus den USA viral: Ein Polizist drück einen afroamerikanischen Mann mit seinem Knie zu Boden. Der Mann wiederholt – er bekomme keine Luft. Später wird er ohnmächtig, schließlich stirbt er an den Folgen der Polizeigewalt. Wir berichteten darüber bei KURT.
Die vier Polizisten, die an dem Vorfall beteiligt waren, wurden entlassen – jedoch nicht festgenommen. Zurzeit ermittelt das FBI. Auch die UN hat sich zu dem Fall geäußert und fordert Konsequenzen: dies sei nur der jüngste Vorfall in “einer langen Reihe von Tötungen” unbewaffneter schwarzer US-Amerikaner durch Polizeibeamte, sagte Michelle Bachelet, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte laut ZEIT ONLINE.
Exzessive Polizeigewalt: Alltag in den USA
Immer mehr Fälle aus den USA kommen an die Öffentlichkeit. Polizist*innen scheinen gegen Menschen verschiedener ethnischer Hintergründe gewaltbereiter. Gerade gegen Afroamerikaner. Das bestätigen auch aktuelle Zahlen der Washington Post.
1 252 dunkelhäutige Menschen wurden demnach seit 2015 von der Polizei in den USA getötet. Um das mit Menschen anderer Hautfarbe vergleichen zu können, wurde diese Zahl je eine Millionen Einwohner berechnet. Für Personen dunkler Hautfarbe liegt die bei 30. Menschen die der weißen Bevölkerungsgruppe zugeordnet werden, werden 12 mal je eine Millionen Einwohner getötet.
Schwarz zu sein in den USA, sollte kein Todesurteil sein
– Jacob Frey, Bürgermeister der Stadt Minneapolis
Beim Blick auf Deutschland sind die Zahlen vergleichsweise klein. Von 2015 bis 2018 wurden 49 Menschen durch Polizist*innen erschossen. So hat es die deutsche Hochschule der Polizei zusammen mit taz.de herausgefunden. Doch Polizeigewalt spielt auch in Deutschland eine Rolle.
Professor Doktor Tobias Singelnstein ist Professor für Kriminologie an der Ruhr Uni in Bochum. Aktuell forscht er zu rechtswidriger Polizeigewalt. Im September 2019 veröffentlichte er einen Zwischenbericht zu diesem Forschungsprojekt in dem 3 300 Berichte einer Online-Befragung ausgewertet wurden.
Wenige Strafen für gewaltbereite Polizist*innen
86 Prozent der Vorfälle von Körperverletzung durch Polizeibeamte wurden strafrechtlich nicht verfolgt und gehören damit zur Dunkelziffer. Grund dafür sei, dass viele behaupten, die Anzeige sei ohnehin erfolglos. Tatsächlich zeigen Strafverfahren gegen Polizist*innen wegen rechtswidriger Gewaltausübung einen hohe Einstellungs- und damit eine besonders niedrige Anklagequote.
Fast Dreiviertel der Betroffenen sind jung, hoch gebildet und eher männlich. Anders als in den USA haben vergleichsweise wenige Betroffene einen Migrationshintergrund – trotzdem ist die Zahl mit 16 Prozent bedenklich hoch. Die Betroffenen berichten sehr häufig von Stößen und Schlägen. Dabei sind die Vorfälle in rund 30 Prozent so stark, dass die Betroffenen eine Woche oder länger zur Genesung brauchen. In vier Prozent der Fälle hinterließen die Taten bleibende Schäden.
Dass weiße Menschen in Europa wieder empört und verächtlich auf die USA blicken, ohne sich mit der Polizeigewalt und dem Rassismus in ihrem eigenen Land auseinanderzusetzen, ist blanker Hohn. #GeorgeFloyd
— Poliana Baumgarten (@PollyBaumgarten) May 29, 2020
Blick auf Dortmund: Einen vergleichbaren Fall gibt es nicht
Oliver Peiler, Pressesprecher der Polizei Dortmund, sieht bei der Polizeigewalt vor allem ein Problem: Die Täter*innen haben häufig eine andere, intensivere Wahrnehmung, wie die Polizei mit ihnen umgeht. In Ausnahmesituationen, muss die Polizei auch körperliche Gewalt einsetzen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Fühlt sich ein Betroffener dabei zu unrecht behandelt, kann das angezeigt werden.
Natürlich gibt es auch Einzelfälle, in denen Polizist*innen ihre Macht ausnutzen und überschreiten, so Peiler. In diesem Fall werden die Polizist*innen auch von der eigenen Wache angezeigt. Einen Fall wie in den USA habe es aber bisher noch nicht gegeben. Ist jedoch klar, dass es bei einem Einsatz zu einer Tötung kommt, dann gilt generell – auch für Polizisten – dass der Täter zur Untersuchungshaft in das Gefängnis muss.
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