“Das ist sowieso alles nicht echt!” Diesen Satz hat Robert Dreissker als professioneller Wrestler schon oft gehört. Doch zu der großen Show im Ring gehört für die Kämpfer*innen viel harte Arbeit. Ein Blick hinter die Wrestling-Kulissen.
Die Baltimore Arena ist voll mit tobenden Zuschauer*innen. Sie warten auf einen spannenden und brutalen Kampf. In der Mitte der Hall steht Shane McMahon bereits im Ring. Begleitet von begeisterten Rufen der Fans kommt ihm sein Gegner immer näher. “The Rock” ist seit 24 Stunden der World Champion und nun will ihm jemand seinen Titel schon wieder abnehmen. Selbstsicher und mit eingeölten Muskeln betritt er den Ring. Zehn Minuten liefern sich die beiden Wrestler ein wildes Match. Sogar der Schiedsrichter ist nicht sicher. Alle spielen verrückt. “The Rock” siegt und McMahon hängt kopfüber aus dem Ring.
Mit mehr als 10,5 Millionen Fernsehzuschauer*innen in den USA ist dieses Match eines der meistgeschauten aller Zeiten. Das ist nun 20 Jahre her. Auch heute laufen noch Wrestling-Shows wie der WWE SmackDown oder WWE RAW über den Bildschirm. Was im Ring so spontan und gleichzeitig so gewalttätig und real aussieht, bedeutet für die Wrestler*innen viel Arbeit. Denn neben dem harten sportlichen Training ist es besonders wichtig, die Inszenierung für die Zuschauer*innen so unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Ist in diesem Sport wirklich alles nur gespielt?
Wie viel Show und wie viel Sport im Wrestling steckt, weiß Robert Dreissker. Seit mehr als zehn Jahren ist der gebürtige Österreicher in der deutschen Profi-Wrestling-Szene aktiv und gewann in dieser Zeit zahlreiche Titel. Anfang des Jahres übernahm der 31-Jährige die Aufgabe des Head Coaches in der wXw Wrestling Academy in Essen. An dieser Sportschule lernen Anfänger*innen und Athlet*innen mit Vorerfahrung alles, um Profi-Wrestler*innen zu werden. Durch den Sport ist Dreissker auf der ganzen Welt herumgekommen, stand schon in Tokio und New York im Ring. Im Internet findet man unzählige Bilder von ihm in der Kampfarena, brüllend und mit wildem Blick. In seinem Büro in der Wrestling Academy ist Dreisskers Gesichtsausdruck ruhiger. Er erzählt begeistert von seinem Sport.
Man muss kein Muskelprotz sein
Der Head Coach ist ein großer, stämmiger Typ. Er sieht aus, als könne er leicht jemanden durch den Ring werfen. Axel Halbach, ein weiterer Trainer der Academy, hat eine eher schmale Statur. Seine Spezialität: Sprünge und Flug-Stunts. “Eine solche Diversität an Körperformen gab es im Wrestling früher noch nicht”, sagt Dreissker. Die meisten Kämpfer*innen waren Muskelprotze, wie beispielsweise “Hulk Hogan”, der mit einer Körpergröße von zwei Metern und einem durchtrainierten Körper fast übermenschlich aussah. “Heute ist der Körperbau sehr verschieden. Da ist vom 1,60 Meter großen Wrestler bis zum 2,2-Meter-Riesen mit annähernd 200 Kilo alles dabei.” Dreissker findet es gut, dass sich das Ideal vom Muskelberg im Ring geändert hat. Im Trainingsraum der Wrestling Academy hängt als Motivation trotzdem ein Bild von Arnold Schwarzenegger. Das Krafttraining spielt im Wrestling vor allem in Verbindung mit Ausdauer eine große Rolle. “Es ist nicht unbedingt wichtig, dass ein Wrestler 300 Kilo heben kann, sondern 100 Kilo so oft wie möglich stemmt”, erklärt Dreissker. Das entspricht viel eher der Anstrengung im Ring.
Ohne die sportlichen Basics bringt alle Show nichts
Für Dreissker ist es schwierig, den Sportanteil und die Show in ein Verhältnis zu setzen. Bei ihm steht die sportliche Komponente ganz oben. “Wenn man keine Rolle vorwärts kann, bringt es nichts, ein toller Schauspieler zu sein.” Zuerst müssten die Wrestler*innen die sportlichen Basics kennen, dann könne man das Ganze überspitzen. Mit der Show setzen die Kämpfer*innen am Ende noch das Sahnehäubchen drauf.
Während andere Sportler*innen unter ihrem richtigen Namen an Wettkämpfen teilnehmen, kreieren Wrestler*innen eigene Persönlichkeiten für den Ring. “Nur allein mit dem sportlichen Aspekt zu überzeugen, ohne einen herausstechenden Charakter, ist eher unwahrscheinlich”, sagt Dreissker. Beim Publikum würden vor allem die Kämpfer*innen in Erinnerung bleiben, die in besonders ausgefallene und verrückte Rollen schlüpfen. Weltberühmte Wrestler*innen stellen meistens übermenschliche Figuren dar, wie beispielsweise der “Undertaker“. Auch 30 Jahre nach seinem Debüt ist der Wrestler noch berühmt. Er trat als Bestatter ohne Schmerzempfinden und mit übernatürlichen Kräften auf.
Einen solchen Charakter zu entwickeln, ist ein langer Prozess. Dreissker rät, Teile der eigenen Persönlichkeit zu nehmen und diese ein bisschen aufzublasen. Dabei sei es wichtig, zu schauen, womit man gut arbeiten kann. In der Pro-Wrestling-Szene gibt es beispielsweise immer wieder Leute, die ursprünglich aus dem Kickboxen kommen. “Es wäre sinnlos, diese Person in den Charakter eines Gärtners zu stecken. Sie könnte das vielleicht umsetzen, aber unter dem Strich ist das ein Kickboxer”, sagt Dreissker. Am Ende komme es dann vor allem auf Originalität an, um beim Publikum in Erinnerung zu bleiben.
Im Ring Geschichten erzählen
Robert Dreissker geht seit seinem Debüt 2009 als “Avalanche” in den Ring. Benannt hat er seine Persönlichkeit nach seiner Lieblingsaktion. Dabei werden die Gegnerinnen in einer Ringecke erdrückt, als würden sie von einer Lawine überrollt.
Dieses wilde Auftreten war typisch für Dreisskers Charakter. Als wolle er alles mit Muskelkraft lösen, anstatt den Kopf zu benutzen. Heute ist seine Wrestling-Persönlichkeit etwas ruhiger und erwachsener geworden. Wie im echten Leben tritt er nun auch als Trainer im Ring auf. “Inhaltlich ist das vollkommen authentisch. Das ist natürlich sehr einfach darzustellen, weil das mein reales Leben widerspiegelt”, erklärt der 31-Jährige.
Im Wrestling geht es auch darum, Geschichten zu erzählen. Deswegen können sich Charaktere, so wie Dreissker, weiterentwickeln. Beliebt bei Anfänger*innen ist die Underdog-Story. Hierbei werden neue Wrestler*innen vorgestellt, die erst einmal einige Kämpfe verlieren. Sie verbessern sich so lange, bis sie eines Tages den ersten großen Sieg einfahren, auf den das Publikum so lange gehofft hat. Solche Geschichten lassen sich nur erzählen, indem die Wrestler*innen die Kämpfe vorher planen – und festlegen, wer als Gewinner*in und wer als Verlierer*in aus dem Ring steigt.
Damit geht auch eines der größten Vorurteile im Wrestling-Sport einher. “Das ist ja alles fake”, hört Dreissker wohl am häufigsten. Vieles, das die Sportler*innen im Ring leisten, lasse sich aber nicht fälschen. “Wenn jemand vom dritten Seil runterspringt, das zwei Meter hoch ist, dann springt der da runter. Auch wir können die Schwerkraft nicht ausschalten. Die Kunst liegt darin, die Aktionen so auszuführen, dass nicht wirklich etwas passiert.” Wie wichtig das ist, hat Dreissker schon am eigenen Leib erfahren. 2016 hat er sich während eines Kampfes die Schulter ausgekugelt und trotzdem noch 15 Minuten weitergekämpft. Das Ergebnis: Verletzungen im Schultergelenk, eine abgerissene Bizepssehne und elf Monate Pause.
Was Wrestling und Walzer gemeinsam haben
Obwohl die Gewinner*innen bereits vor dem Kampf feststehen, ist der nie ganz durchgeplant. Die Wrestler*innen haben im Training auch gar nicht die Zeit, alles zu choreografieren. Viel mehr gibt es Checkpoints, die zu bestimmten Zeiten stattfinden und die beide Sportler*innen kennen, erklärt Dreissker. Er vergleicht diese Art der Kampfvorbereitung mit einem Besuch in der Tanzschule: “Ich weiß, wie man Walzer tanzt und die andere Person auch. Wir haben zwar noch nie miteinander getanzt, aber unter dem Strich wird trotzdem ein Walzer rauskommen.” Je öfter die Wrestler*innen gegeneinander kämpfen, desto besser wird die Chemie und damit auch das Match. Die Kämpfer*innen werden von Veranstaltern gebucht. Erst dann entscheidet sich, wer gegeneinander antritt.
Um zu garantieren, dass im Ring alles gut läuft, werden beim Wrestling-Training die verschiedenen Bewegungsabläufe immer wieder geübt. Anfänger*innen beginnen beispielsweise mit dem “Waistlock“: Ein Griff, bei dem die Taille der Gegner*innen umfasst und die Person so fixiert wird. Im Kampf können Sportler*innen aus dieser Position heraus einen “Takedown” machen, also Gegner*innen zu Boden bringen. Im Training übt die angegriffene Person auch, wie sie sich wieder befreit. Solche Griffe sind das Standardwissen, sodass im Kampf beide Wrestler*innen aufeinander reagieren können.
Gewinnen oder verlieren? Eigentlich egal
Würden die Wrestler*innen ihre Kämpfe komplett durchchoreografieren, ginge auch ein wichtiger Faktor in diesem Sport verloren: die Interaktion mit dem Publikum. “Wenn die Zuschauer etwas total abfeiern, wäre man als Wrestler dumm, die Aktion nicht weiter zu machen. Schließlich ist das Ziel die Unterhaltung des Publikums”, sagt Dreissker. Den Zuschauer*innen gefalle es besonders gut, wenn jemand ein paar Schläge abbekomme. Da es in den Kämpfen so stark um Entertainment gehe, sei es Wrestler*innen egal, ob sie gewinnen oder verlieren. “Ich vergleiche das am liebsten mit einem Actionfilm: Ist man nur ein guter Schauspieler, wenn man jeden Film überlebt? Oder kann man auch mal sterben?”, sagt Dreissker.
In der deutschen Wrestling-Szene gibt es viel Action. Zur Zeit werden Shows ohne Publikum aufgezeichnet und auf der Streamingplattform von wXw veröffentlicht. Vor der Pandemie konnten Fans sich an jedem Wochenende mindestens eine Wrestling-Show in Deutschland anschauen. Besonders im Ruhrgebiet, in Hamburg und in Sachsen fanden oft Veranstaltungen statt. Da Wrestling hierzulande eher ein Nischensport ist, füllen die Veranstaltungen keine riesengroßen Hallen wie in manchen US-amerikanischen Städten. An einem guten Abend hat eine deutsche Show 1500 Zuschauer*innen. Pro Veranstaltung können fünf bis sechs Kämpfe stattfinden, aber auch bis zu elf Begegnungen im Ring. Ein Match dauert fünfzehn Minuten, eine komplette Show schon mal zwischen drei bis vier Stunden.
Wrestling ist ein männerdominierter Sport, wird aber in den vergangenen Jahren auch verstärkt von Frauen betrieben. Deswegen achten die meisten Veranstalter inzwischen darauf, dass mindestens ein Frauenkampf stattfindet. Dann treten entweder zwei Frauen gegeneinander an oder aber beim “Intergender Wrestling” eine Frau gegen einen Mann. Egal gegen wen er oder seine Schüler*innen im Ring kämpfen, Robert Dreissker ist beim Wrestling eines besonders wichtig: “Herz und Einsatz”.
Beitragsbild: WxW, auf dem Foto ist Robert Dreissker
Ich musste diesen Artikel abbrechen, obwohl mich das Thema wirklich brennend interessiert. Man kann es mit dieser Gender Wahn Nummer wirklich übertreiben.
Es freut uns, dass dich das Thema interessiert! Wir versuchen, in unseren Texten so inklusiv wie möglich zu sein, deshalb gendern wir an den Stellen, an denen wir es wichtig finden.
Ich muss Heike Recht geben. Nach 2 Sätzen habe ich aufgehört zu lesen. Schlimm wie man Sprache verunstalten kann.