Auf kurt.digital schreiben wir regelmäßig E-Mails. Diese geht an Bernd Kruse, den Geschäftsführer der Sport- und Freizeitbetriebe Dortmund. Unsere Autorin fordert eine Anpassung der Badeordnung: Statt Menschen veraltete Regeln aufzuerlegen und sie in Geschlechterrollen zu zwängen, sollten alle oben ohne schwimmen dürfen.
Sehr geehrter Herr Kruse,
alle Badegäste, die in Göttingen Schwimmbäder der kommunalen Sport und Freizeit GmbH besuchen, dürfen samstags und sonntags oben ohne schwimmen. Egal, welchem Geschlecht sie angehören. Die Regel gilt seit dem 1. Mai und bis zum 31. August 2022. Ich finde, sie sollte immer gelten. In allen Schwimmbädern. Auch in Dortmund.
Um zu verstehen, warum die Badeordnung in Göttingen geändert wurde, lohnt sich ein Blick in den Sommer 2021. Eine Person, die sich als nicht-binär identifiziert und nicht als Frau gelesen werden möchte, hat im „Badeparadies Eiswiese“ in Göttingen oberkörperfrei gebadet. Das Bad hat daraufhin von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und die Person des Geländes verwiesen. So etwas kann auch in Dortmund passieren – und das geht so nicht! Nicht-binäre Personen werden auf diese Weise dazu gedrängt, „Mann“ oder „Frau“ zu sein. Würden Sie die Regeln in den kommunalen Schwimmbädern wie in Göttingen anpassen, würden Sie den Alltag nicht-binärer Menschen erleichtern und ihnen die Freiheit gewähren, die jedem Menschen zusteht.
In Ihrer Benutzungs- und Entgeltordnung steht geschrieben: „Die Besucher haben alles zu unterlassen, was gegen die guten Sitten verstößt.“ Schon im Jahr 1970 befand sich genau dieser Satz in der Badeordnung der Stadt Dortmund. In 52 Jahren hat sich die Gesellschaft in Fragen der Gleichberechtigung und Geschlechtsidentitäten aber weiterentwickelt. Seit 2018 haben nicht-binäre Menschen sogar die Möglichkeit, in Ausweisdokumenten das dritte Geschlecht eintragen zu lassen. Es wird Zeit, dass die Badeordnung dieser gelebten Praxis angepasst und umgeschrieben wird.
Den „guten Sitten“ entspricht es laut ihrer Badeordnung auch, dass die Schwimmbadbesucher*innen „die übliche Badebekleidung“ tragen. Nur Männer und Kinder dürfen also oben ohne baden. Frauen oder als solche gelesene Personen nicht.
Damit kommen wir zu einem weiteren, sehr wichtigen Punkt: Frauen müssen im Schwimmbad ihre sekundären Geschlechtsorgane bedecken, Männer nicht. Und zwar, weil weibliche Brüste sexualisiert werden. So ist es in unserer Gesellschaft gewachsen und mittlerweile verankert. Aber es ist inkonsequent. Achselhaare gehören zum Beispiel auch zu den sekundären Geschlechtsmerkmalen. Jede*r kann und darf sie zeigen. Warum kann das nicht für die weibliche Brust gelten? Damit würden wir zumindest im Schwimmbad die Gleichberechtigung leben, die in Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschrieben ist.
Ein weiteres positives Beispiel, an dem Sie sich orientieren können, liefert die Stadt München. Dort müssen die Bürger*innen seit Anfang 2020 nur noch die primären Geschlechtsorgane vollständig bedecken, wenn sie an öffentlichen Orten baden. Eine Badehose ist deshalb für alle ausreichend. Herr Kruse, die Badeordnung der Stadt Dortmund ist schwammig formuliert und wirkt wie aus der Zeit gefallen. Gehen Sie mit der Zeit und schreiben Sie die Badeordnung um! Eine Änderung für einen begrenzten Zeitraum, wie in Göttingen, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Mit freundlichen Grüßen
Marisa Schürer
Beitragsbild: Unsplash