Fragwürdige Abstimmungen, Vertrauensverlust und viele Proteste: Die Fußball-Bundesliga scheitert in den Verhandlungen mit möglichen Geldgebern an den eigenen Fans.
Samstag, 15.30 Uhr. Bayer 04 Leverkusen wird offiziell deutscher Fußball Meister 2024. Es ist der letzte Spieltag der diesjährigen Bundesliga-Ausgabe. Der findet – im Gegensatz zu den Spielen im Januar – ganz ohne fanbedingte Spielunterbrechungen statt. Denn Fans haben es geschafft, durch friedliche Proteste eine kritische Entscheidung der Deutschen Fußball Liga (DFL) rückgängig zu machen – ein im europäischen Fußball einzigartiger Vorgang.
Dabei sah es vor ein paar Monaten noch ganz anders aus. Da flogen goldene Schokomünzen und Tennisbälle auf die Spielfelder, bald darauf auch ferngesteuerte Flugzeuge. Schließlich fuhren Spielzeugautos mit Rauchdosen durch die Stadien. Mit diesen Mitteln erzwangen die Fans immer wieder Spielunterbrechungen. Schließlich kam es zu Programmverzögerungen im deutschen Privatfernsehen.
Im Internationalen Vergleich ist die Bundesliga nicht mehr wettbewerbsfähig
Der entscheidende Auslöser dafür war eine aus Sicht der DFL erfolgreiche Abstimmung am 11. Dezember letzten Jahres. In einem Flughafenhotel in Frankfurt hatte die Deutsche Fußball Liga entschieden, über einen Deal mit Investoren zu verhandeln. Wie aus den öffentlichen Plädoyers verschiedener Klubs hervorging, stimmten 24 Clubs für Verhandlungen mit externen Geldgebern.
Zusätzliche Gelder hat die Bundesliga laut der DFL mehr als nötig, die den Spielbetrieb der Bundesliga organisiert und deren wirtschaftliche Lage verbessern will. Die Bundesliga sei verglichen mit anderen Ligen nicht mehr wettbewerbsfähig. Deshalb soll sie als “Produkt” internationaler etabliert und digitalisiert werden. Aufmerksamkeit aus dem Ausland soll Einschaltquoten, Fernsehgelder und Umsätze steigern. Das wäre ein Vorteil für jeden. Darüber sind sich die Vereine einig.
Doch dazu braucht es mehr Geld. Dafür wollte die DFL die Medienrechte aus der ersten und der zweiten Bundesliga in der “DFL MediaCo GmbH & Co. KGaA” zusammenzuführen. Diese Tochterfirma sollte dann Gewinnanteile an ein Unternehmen weiterverkaufen. Das berichtete erstmals die Sportschau. Im Raum stand der Verkauf von acht Prozent der Gewinnanteile aus den Medienrechten. Im Gegenzug hätte es für die DFL eine Finanzspritze von rund einer Milliarde Euro gegeben.
Der große Investitionsplan der DFL
Wie die DFL die zusätzlichen Mittel einsetzen wollte, dazu lagen der Sportschau konkrete Unterlagen vor: 600 Millionen Euro waren für gemeinschaftliche Projekte vorgesehen. Priorität hatte eine Videoplattform für internationales Publikum. Sie sollte sich durch Neuheiten im TV-Bereich auszeichnen. Hier wären etwa neue Kameraperspektiven denkbar gewesen.
Doch das Vorhaben war nicht unumstritten. Fans und Verbände befürchteten, dass ein Investor Einfluss auf den Spielbetrieb nehmen könnte. Diese Befürchtung kommt nicht von ungefähr. Schließlich blieb mit CVC Capital ein Verhandlungspartner übrig, der schon im Bereich der Bundesliga agiert. Seit 2016 gehören dem Unternehmen etwa 60 Prozent der Anteile des Sportwettenanbieters Tipico. Der ist Partner des FC Bayern und Sponsor der DFL.
Laut DFL ist die befürchtete Veränderung am Spielbetrieb vertraglich ausgeschlossen gewesen. Allerdings sollte der Investor bei “wichtigen Geschäften” ein Vetorecht haben, wie die Sportschau aufdeckte. Das deutsche Fanbündnis “Unsere Kurve” warf den Verantwortlichen sogar vor, Informationen zurückgehalten zu haben. “Da wurde von einigen offenbar bewusst mit Informationen gehaushaltet, um die eigene Politik durchzubringen”, äußerte sich “Unsere Kurve”-Sprecher Thomas Kessen dazu.
Das Bundesliga-Investor-Thema wurde “ad acta” gelegt – ein Sieg für die Fans
Die Investorenträume der DFL zerplatzten am 21. Februar 2024. Da verkündete DFL-Präsidiumssprecher Hans-Joachim-Watzke, dass der Deal “ad acta” gelegt worden sei. “Eine erfolgreiche Fortführung des Prozesses scheint in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht mehr möglich”, so Hans-Joachim-Watzke.
Mit den “aktuellen Entwicklungen” meint Hans-Joachim-Watzke die anhaltenden Fanproteste und Unterbrechungen während der Spiele. Die Fans hatten hier also einen großen Anteil daran, dass die Verhandlungen beendet wurden. Das Thema wurde sogar im Polit-Talkformat “Hart aber Fair” in der ARD aufgegriffen. Der Investoreneinstieg war zum Gegenstand der öffentlichen Debatte geworden.
Thomas Kessen wertet die abgebrochenen Verhandlungen als Erfolg. Sie zeigen, “dass der deutsche Fußball mitgliederbasiert ist, demokratisch ist; und dass man eben diese Mitglieder mitnehmen muss in solchen richtungsweisenden Entscheidungen”, wird Kessen vom SPIEGEL zitiert.
Trotzdem sind sich Klubs und Expert*innen wie Christopher Giogios einig, dass eine bessere Vermarktung der Liga nötig ist. Giogios ist Redakteur des Fanmagazins “schwatzgelb.de” und hat sich intensiv mit dem Investoreneinstieg beschäftigt: “Dass da Investitionsbedarf herrscht, ist wahrscheinlich unbestritten. Es ist wahrscheinlich auch unbestritten, dass die Liga im Bereich der Auslandsvermarktung noch Nachholbedarf hat”, so Giogios Kommentar im Interview mit KURT.
Ein Ausblick
Wie es in der kommenden Saison weitergeht, ist fraglich. Zunächst hat sich das Bundeskartellamt eingeschaltet. Die Grundlage dafür liefert Hannover 96-Geschäftsführer Martin Kind. Ihm wird von zahlreichen Fans und Vereinsfunktionären vorgeworfen, dass er das Abstimmungsverhalten regelwidrig beeinflusst haben soll. Über die kommenden Spielzeiten hinweg wird das Kartellamt Martin Kind genauer untersuchen. Nach den Protesten der Fans hat das DFB-Sportgericht Geldstrafen an die Vereine verhängt. Diese müssen nämlich nun für die dadurch entstandenen Spielunterbrechungen Strafen zahlen.
Fotos: https://schwatzgelb.de/