Sommer ohne Freibad? Für viele undenkbar. Doch der Personalmangel bringt Schwimmbäder an ihre Grenzen und beeinträchtigt das Badeerlebnis der Gäste. Verkürzte Öffnungszeiten und ein reduziertes Angebot sind die Folge. Ein Report vom Beckenrand.
Das Naturfreibad Froschloch im Dortmunder Stadtteil Hombruch wirkt wie ausgestorben. Leere Strandkörbe, leere Liegewiesen und leere Schwimmbecken. Weit und breit sind keine Badegäste zu sehen. Statt Kindern, die im Nichtschwimmerbecken toben, fährt ein gelber Sauger hindurch. Langsam bewegt er sich durch das Wasser. Vor und zurück. Von links nach rechts.
Am Beckenrand steht die 21-jährige Amy Bernhardt. Sie befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr zur Fachangestellten für Bäderbetriebe. In ihrer Hand hält sie eine Fernbedienung, mit der sie den Sauger sicher durch das Nichtschwimmerbecken bewegt. Ihren Blick richtet sie dabei konzentriert auf das Wasser. Im Freibad ist es ruhig. Nur das leise Zwitschern einiger Vögel und das gleichmäßige Summen des Saugers unterbrechen die Stille.
Mehr als nur Aufsicht

Der Sauger ist mit einer Mülltonne verbunden, die am Beckenrand steht. Das Wasser, das er einsaugt, fließt über einen Schlauch in die Tonne. Dort werden die Schmutzpartikel aus dem Wasser gefiltert und über einen Schlauch in eine Kammer unter einen Steg geleitet. Dieser trennt das Nichtschwimmer- und das Schwimmerbecken voneinander. In der Kammer sammeln sich auch größere Gegenstände wie Spielzeug oder Äste an. Diese bleiben bis zur jährlichen Säuberung dort. Das Froschloch setzt einen besonderen, natürlichen Wasserfilter ein, der Partikel wie Algen entfernt und so für klares und sauberes Wasser sorgt.
„Das Saugen nimmt morgens immer die meiste Zeit in Anspruch. Das dauert jeden Tag ungefähr drei Stunden“, erzählt Amy Bernhardt. Doch das ist nicht alles. Bevor das Bad um 13 Uhr öffnet, gibt es einiges zu tun. „Viele meiner Freunde denken, dass wir achteinhalb Stunden lang Beckenaufsicht machen. Aber das stimmt nicht“, sagt sie. „Als Fachangestellte für Bäderbetriebe, umgangssprachlich Bademeister*innen, kümmern wir uns auch um die ganze Technik im Bad.“
Verantwortung am Beckenrand
Außerdem gibt es Aspekte, die weit über das technische Know-how hinausgehen. Egal, ob in der Ausbildung oder ausgelernt – wenn jemand kurz davor ist, zu ertrinken, muss das Personal ins Wasser springen. „Wir bekommen wenig Geld, aber haben schon als Auszubildende viel Verantwortung“, sagt Amy.
Das bestätigt auch Peter Harzheim, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schwimmmeister: „In unseren circa 6000 Bädern, die wir bundesweit betreiben, haben wir eine Verantwortung gegenüber etwa 600 Millionen Badegästen pro Jahr. Deswegen ist es wichtig, dass in den Bädern kompetente Personen Aufsicht machen und die Sicherheit der Badegäste garantieren.“
Dabei wird es jedoch immer schwieriger, Angestellte zu finden, die diese Verantwortung übernehmen wollen. In den vergangenen drei Jahren mussten laut Harzheim einige Schwimmbäder entweder schließen oder ihre Öffnungszeiten verkürzen – eine Entwicklung, die vor allem durch die Corona- und die Energiekrise bedingt worden sei. Diese Unsicherheit habe dazu geführt, dass viele Fachkräfte ihre Positionen verließen, da sie um ihre berufliche Zukunft fürchteten. „Deshalb haben wir momentan einen steigenden Personalmangel. Aktuell fehlen mindestens 3000 Kolleg*innen, Tendenz eher steigend“, sagt Harzheim.
Ausbildungsberuf in der Krise
Der Personalmangel ist auch im Froschloch spürbar. „Viele schließen die Ausbildung ab, machen dann aber etwas anderes. Generell gibt es immer weniger Personen, die den Beruf erlernen. Dieses Jahr haben wir keinen einzigen neuen Auszubildenden“, sagt Ellen Höltke, Betriebsleiterin und Ausbilderin im Froschloch. Das liege unter anderem am Schichtdienst und an der Bezahlung.
Zwar wurden in diesem Jahr erstmals wieder mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen als in den Vorjahren, berichtet Verbandspräsident Harzheim.140 neue Verträge seien es in NRW. Doch diese Zahl deckt bei weitem nicht den tatsächlichen Bedarf. Besonders betroffen sind Freibäder, da sie nur für einen bestimmten Zeitraum im Jahr Personal benötigen.
Sicherheit geht vor: Warum die Politik gefordert ist
„Unser Wunsch wäre, dass jedes der 6000 Bäder eine Ausbildungsstelle bereitstellen oder diese finanziell fördern würde. Gleichzeitig müsste natürlich eine gleiche Anzahl an ausbildungswilligen Personen zur Verfügung stehen, was mit Sicherheit nicht leicht sein wird. Dann könnten wir in drei Jahren so weit sein, dass der Mangel nicht mehr so groß ist. Aber das ist Wunschdenken“, sagt Harzheim. Die Finanzierung der Freibäder obliegt den Kommunen und wird oft auf einer freiwilligen Ebene gesehen. „Es gibt kein Bad, das Gewinn abwirft. Alle Bäder werden subventioniert“, fügt der Präsident hinzu. Schwimmbäder kosten Kommunen und Betreiber viel Geld für Wartung, Personalkosten und den Betrieb – gerade im Bereich der Hygiene und Wasseraufbereitung, um die Sicherheit der Badegäste zu gewährleisten.
Das heißt, wenn kein Geld da ist, können auch keine Bäder geführt werden. „Die Sicherheit unserer Kleinsten und ältesten Badegäste darf nicht am Geld hängen. Schul-, Familien- und Sportbäder müssen zur Pflichtaufgabe werden. Die Politiker müssen stärker zur Verantwortung gezogen werden“, fordert Harzheim. Für ihn sind Schwimmbäder unverzichtbar. „Bäder müssen sein. Von Säuglingen bis zu den Ältesten können alle schwimmen gehen. Es ist eine Sportart, die für alle da ist“, betont er.
Wasserqualität im Fokus: Tägliche Messungen und Kontrollen

Wie in jedem Schwimmbad muss die Auszubildende Amy täglich in jedem Becken Hygienewerte kontrollieren, unter anderem den pH-Wert, den Sauerstoffgehalt und die Temperatur. Amy schnappt sich das Messgerät und ein Klemmbrett und geht zum ersten Becken. Das Gerät ist mit einem Stab verbunden, den sie nun in das Becken steckt. Mit dem Stab zieht sie langsame Kreise im Wasser und schaut dabei konzentriert auf die Anzeige in ihrer Hand.
Die Werte sind gut. Der pH-Wert liegt bei 8,03 und der Sauerstoffgehalt bei 141 Prozent. Der pH-Wert sollte zwischen 6,0 und 9,0 liegen, die Sauerstoffsättigung zwischen 80 und 120 Prozent. Ein Sauerstoffwert von 141 Prozent gilt auch noch als gut. Bei jedem Richtwert gebe es Spielraum nach unten und oben.
Perfekte Bedingungen: Temperatur und Sauerstoffgehalt im grünen Bereich
Im Planschbecken ist der Sauerstoffgehalt immer etwas höher, heute liegt er bei 150,3 Prozent. Das liegt daran, dass das Becken weniger Wasser als die anderen Becken enthält und dort mehr Bewegung ist. Daher lässt das Personal regelmäßig das Wasser im Planschbecken ab und füllt neues ein. Auch in den anderen Becken liegen die Werte im grünen Bereich. Das Bad kann später bedenkenlos öffnen.
Anschließend misst Amy Temperatur und Volumenströme des Wassers. Der Volumenstrom ist die Menge Wasser, die innerhalb einer Zeitspanne durch das Becken fließt. Die Temperatur des Wassers sollte zwischen 21 und 24 Grad liegen. Temperaturen über 24 Grad würden die Bakterien zerstören, die dafür sorgen, dass das Wasser auch ohne Chlor und andere Chemie klar bleibt. Heute liegen die Werte im exakt richtigen Bereich.
Personalmangel: Wenn Improvisation zum Alltag gehört
Wegen des Personalmangels mussten in der vergangenen Sommersaison alle Freibäder in Dortmund eine Stunde später öffnen. Das liegt daran, dass in jeder Schicht mindestens ein*e Fachangestellte*r für Bäderbetriebe vor Ort sein muss. Allerdings gibt es nur wenige, die diese Ausbildung abgeschlossen haben. „Kümmi, ein weiterer Fachangestellter hier, ist seit diesem Jahr eigentlich nur noch im Büro. Manchmal muss er aber als Bademeister einspringen, damit wir zumindest einen Fachangestellten in der Schicht haben. Aus demselben Grund mussten schon öfter Schichten zeitlich verschoben werden“, berichtet Amy.
Der Personalmangel geht auch auf Kosten der Besucher*innen: Amy erzählt, dass es in Mengede kein Frauenschwimmen mehr gebe und in Hombruch kein Frühschwimmen mehr angeboten werde. Plätze für Kinderschwimmen seien ebenfalls deutlich reduziert worden. Im Hallenbad Hombruch habe der Personalmangel aufgrund von Krankheit nicht kompensiert werden können, sodass das Bad für einige Tage geschlossen bleiben musste.
Ein Beruf mit Druck

Ohne Bademeister*innen kann ein Schwimmbad nicht öffnen. Im Notfall sind sie Lebensretter*innen. Das sollte sich in den Ausbildungsbedingungen widerspiegeln, fordert Auszubildender Rico Mutari: „Man muss uns Bademeister*innen besser bezahlen und die Prüfungen müssen realistischer werden.“ Anfang 2024 haben die Fachangestellten im öffentlichen Dienst zwar eine Gehaltserhöhung von etwa 450 Euro pro Monat erhalten. Das Einstiegsgehalt, das zuvor bei 2500 Euro lag, beträgt nun 2900 Euro. Dennoch zeigt sich Verbandspräsident Harzheim besorgt: „Mit diesem Gehalt kann man immer noch keine Familie ernähren.“
Während Amy die Hygienewerte kontrolliert, säubern Ausbilderin Ellen Höltke und ein weiterer Mitarbeiter das Schwimmerbecken. Sie halten einen langen Stab mit einer Scheibe, einen Kärcher, in das Becken. Das Gerät löst mit einem Druck von 200 Bar alles, was sich am Boden abgesetzt hat, wie zum Beispiel Algen. Dadurch, dass das Wasser ständig in Bewegung ist, fließen die gelösten Partikel über eine Rinne nach draußen. Auch von den Wänden entfernen sie so die Algen. Gekärchert wird einmal pro Woche in jedem Becken.
Der Ansturm
Die letzten Vorbereitungen sind in vollem Gange: Die Mitarbeiter*innen stellen die Rettungsringe und -stangen auf und ein Hochdruckreiniger befreit die Rinne entlang der Becken von Algen. Es ist 12.35 Uhr, jetzt können die Gäste kommen. Aktuell sind es 27 Grad und es wird ein großer Ansturm erwartet. Das Team nutzt die verbleibenden Minuten, um sich noch einmal abzustimmen: Wer steht wo am Becken? Wer übernimmt die Kasse? Zwei Mitarbeiter*innen stellen sich im Bereich des Häuschens auf, an dem Besucher*innen einen Strandkorb mieten können. Sie sind für das Schwimmerbecken zuständig. Zwei andere positionieren sich bei der Rutsche. Amy soll heute die Kasse übernehmen. Auch an diesem Tag unterstützen zusätzliche Rettungsschwimmer*innen das Bad.
Unterdessen hat sich draußen schon eine Schlange gebildet. Besonders beliebt ist das Naturfreibad bei Familien und Studierenden. Um Punkt 13 Uhr öffnen sich die Tore und die ersten Gäste strömen herein. Die Taschen sind schnell abgestellt, die Hose und das T-Shirt ausgezogen und schon geht es rein ins Becken. Eine Familie übt gemeinsam Kopfsprünge, während andere gemütlich ihre Bahnen ziehen oder Ball spielen.
Sicherheit steht an erster Stelle
Eine Gruppe Jugendlicher nähert sich dem Eingang. Bevor sie sich auf der Liegewiese im Schatten niederlassen können, bittet ein Mitarbeiter sie höflich, ihre Glasflaschen abzugeben – das gehört zum Sicherheitskonzept. Ständig kommen weitere Gäste in das Freibad. Die morgendliche Ruhe ist längst verflogen. Eine Frau wird freundlich darauf hingewiesen, ihren Schnorchel nicht zu benutzen. „Kinder kommen mit der Atmung nicht gut zurecht. Erwachsenen könnte man das natürlich erlauben, aber bei uns gibt es das nicht“, erklärt Rico. Die Frau lächelt verständnisvoll und nimmt den Schnorchel ab. Das bunte Treiben geht weiter. Die ersten Kinder holen sich die beliebten Schwimmbadpommes, während sich andere in der Sonne bräunen.
Der Blick der Bademeister*innen ist stets auf die Becken gerichtet. Die Augen wandern konzentriert von links nach rechts, damit ihnen nichts entgeht. Zwei Kinder im Massagebecken erhalten den Hinweis, dass sie nicht von dort aus ins Nichtschwimmerbecken springen dürfen. Die Kinder nicken und setzen ihr Spiel fort.
Angesichts des zunehmenden Personalmangels in Schwimmbädern sind Auszubildende wie Amy und Rico unverzichtbar. Beide sind hoch motiviert und sehen ihre Zukunft in diesem Berufsfeld. „Wir werden so ausgebildet, dass wir ein Bad leiten können. Da habe ich Bock drauf“, erzählt Amy. Auch Auszubildender Rico will auf jeden Fall in dem Bereich weiterarbeiten.
Beitragsbild: Hendrik Galow