Das Greenwashing mancher Unternehmen nimmt langsam groteske Züge an. Schamlose Ölkonzerne können sich heutzutage sogar „Klimaneutralität“ erkaufen. “Absurd“, findet unser Autor und fordert klare Regeln, dafür wer sich „klimaneutral“ nennen darf.
Mit jedem Bier ein Stück Regenwald retten! Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an die Krombacher-Kampagne „Saufen für den Regenwald“ aus 2002. Das ungewöhnliche Angebot: mit dem Kauf eines Kastens Krombacher einen Quadratmeter Regenwald retten. Noch im selben Jahr stoppte der Bundesgerichtshof die Regenwald-Werbung. Der Grund: ein falsches Werbeversprechen. Die fränkische Brauerei pflanzte nicht ansatzweise so viele Bäume, wie sie an Bierkästen verkauften.
2006 hob der Bundesgerichtshof das Verbot wieder auf. Krombacher brachte umgehend den nächsten Werbecoup auf den Weg. Dieses Mal sollte die Anzahl der aufgeforsteten Quadratmeter mit der Menge der verkauften Bierkästen übereinstimmen. Zusätzlich kombinierte das Unternehmen die Kampagne mit einer Verlosung. Zu gewinnen gab es einen fabrikneuen Verbrenner von VW.
CO2-Kompensation: eine Einladung zum Greenwashing
Solche Nachhaltigkeitsoffensiven -wie effektiv sie auch sein mögen- waren vor 20 Jahren eher noch die Ausnahme. In den letzten Jahren ist jedoch ein klarer Trend zu beobachten. Umweltbewusstsein ist zum Markttreiber geworden. Weltweit setzen sich große Unternehmen ambitionierte Klimaziele und wollen schnellstmöglich Klimaneutralität erreichen. Google will bis 2030 kein C02 mehr ausstoßen. Amazon möchte 2040 klimaneutral sein. Deutsche Autobauer wie Audi und VW planen ihre Klimaneutralität immerhin bis 2050. Bei der internationalen UN-Kampagne „race to zero“ machen fast 5000 Unternehmen weltweit mit; darunter auch deutsche Unternehmen wie Lufthansa, Bayer und BMW. Dafür reicht ein Klimaziel, ein Plan, wie die Firma das Ziel erreichen will und ein jährlicher Fortschrittsbericht. Klare Regeln gibt es nicht. Betreiben die Firmen wirklich ernstzunehmenden Klimaschutz oder doch nur Image-Politur?
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Klimaneutralität ist der Schlüsselbegriff des Pariser Abkommens von 2015. Dabei existiert die Idee schon seit knapp 25 Jahren. In den Kyoto-Protokollen von 1997, eines der wichtigsten Klimaschutzabkommen der UN, taucht das Konzept zum ersten Mal auf. Die Idee dahinter: Manche Emissionen lassen sich nicht vermeiden. Daher bekommen Dienstleistende die Möglichkeit, CO2 zu kompensieren. Im Regelfall investieren die Unternehmen in Aufforstung, um ihr emittiertes CO2 wieder auszugleichen. Nach den Kyoto-Protokollen sollen die Konzerne jedoch nur kompensieren, wenn die Einsparung von CO2 nicht möglich ist. Das Problem hierbei: Bis heute existiert keine richtige Prüfungsinstanz, die entscheidet, ob Emissionen vermeidbar sind oder nicht. Eine Einladung zum Greenwashing – handgeschrieben von der UN.
Der Begriff Klimaneutralität ist nicht geschützt. Zwar gibt es Prüfungssiegel, aber die sind weder verpflichtend noch sehr aussagekräftig. Die Auswüchse dieses Schlupflochs zeigen sich schon längst. So wirbt eine Tankstelle mit klimaneutralem Benzin und eine deutsche Supermarktkette verkauft klimaneutrales Hähnchen. Auf diese Weise können sich Klimasünder mit CO2-Zertifikaten und Kompensationsprojekten „freikaufen“.
Bäume soll´s nun richten – wohl kaum!
Die meisten CO2-Emissionen werden mit Aufforstung im globalen Süden kompensiert. Der Baum als umgekehrte Lunge. Einfach zu verstehen und gut zu vermarkten.
Es ist scheinheilig zu denken, Energiekonzerne könnten jeden Tropfen Öl so kompensieren. Schon jetzt warnen erste Forscher*innen davor, dass es nicht genügend Platz für die Kompensations-Bäume gäbe. In der Zwischenzeit wird auf der Chef*innenetage munter weiter kompensiert, ohne auch nur an CO2-Einsparungen zu denken.
Ebenfalls fragwürdig ist, wie effektiv die Pflanzungen im globalen Süden wirklich sind. Denn der ist schon längst von den Folgen des Klimawandels betroffen. Die Biodiversität auf dem afrikanischen und südamerikanischen Kontinent ist schon so weit geschwächt, dass es unklar ist, ob die Setzlinge überhaupt lange genug leben. Junge Bäume produzieren wenig Sauerstoff. Ob sie so groß werden, um ausreichend Kohlenstoff zu binden, ist ungewiss. Kurz gesagt: Baumpflanzungen sind Zukunftsprojekte, der Klimawandel ist Gegenwart
Billige CO2-Preise-Konzerne auf Schnäppchenjagd
Das Prinzip der Kompensation ist recht einfach. Möchte ein Unternehmen etwas gegen seinen CO2-Ausstoß tun, wendet es sich an eine Kompensationsinitiative. Die verlangt einen festen CO2-Preis, der dann reinvestiert wird.
Seit Januar 2021 verlangt auch die Bundesregierung für Unternehmen einen CO2-Preis. Die Regierung investiert das Geld ebenfalls in Kompensationsmaßnahmen oder entlastet damit die Bürger*innen. Der Preis liegt bei 25 Euro. Jedoch ist er nur verpflichtend für die Branchen Wärme und Verkehr. Unternehmen aus anderen Bereichen können sich, wenn sie an einer schnellen C02-Kompensation interessiert sind, an unabhängige Kompensationsanbieter wenden. Der Schritt lohnt sich. Sie können sich als klimaneutral vermarkten und zahlen meist viel weniger als die Energie- und Verkehrsunternehmen. Denn ab einem gewissen CO2-Ausstoß erhalten die Unternehmen einen Rabatt auf ihren Kompensationspreis. Bei der beliebten Initiative myclimate kann der Preis für Unternehmen bis auf fünf Euro pro Tonne CO2 sinken. Zum Vergleich: Eine Privatperson zahlt bei dem gleichen Anbieter im Durchschnitt zwischen 15 und 28 Euro für eine Tonne CO2.
Nur wenige bis gar keine Initiativen bilden die tatsächliche Kostenwahrheit ab. Die Schätzung des Umweltbundesamtes, wie viel eine Tonne C02 tatsächlich kostet, liegt etwa bei 200 Euro. Die Kompensation passiert so also nur auf dem Papier. Rein rechnerisch können sich die Unternehmen Klimaneutralität erkaufen; und kommen dabei viel zu billig weg.
Erwacht aus eurem Märchenschlaf
Klimaneutralität ist und bleibt der Weg zu einer klimagerechten Welt. Erreichen Konzerne die Klimaneutralität jedoch nur durch Kompensation, entwickelt sich diese zunehmend zu einem Kampfbegriff aus der PR-Abteilung. Ähnlich wie in der Politik, braucht es in der Wirtschaft klare Regeln und einheitliche Klimaziele. Denn: Solange der Begriff nicht geschützt ist, kann sich jede*r klimaneutral nennen.
Und das rückt die bemühten Absichten anderer in ein schlechtes Licht und verschleppt den Anreiz, CO2 nachhaltig einzusparen. Es ist an der Zeit, dass multinationale Konzerne anerkennen, dass Kompensation langfristig nicht zielführend ist. Ihre ambitionierten Klimaziele erreichen sie nämlich nur durch effektive Einsparung von CO2, und nicht durch schnelle Kompensation der ohnehin schon zu hohen Emissionen.
Beitragsbild: Gerd Altmann, pixabay.com