Give Peas a Chance – Gentechnik als Chance für die Landwirtschaft

Luftaufnahme eines gleichmäßig bepflanzten Feldes mit grünen Pflanzenreihen.

Gentechnik in der Landwirtschaft ist seit Jahrzehnten umstritten. Zwischen Klimakrise, wissenschaftlichem Fortschritt und gesellschaftlicher Skepsis bleibt die Frage: Was kann Gentechnik wirklich leisten? Und wo liegen ihre Grenzen?

30.000 lachsrote Petunien auf einem fußballfeldgroßen Acker in der Nähe von Köln – damit fängt die Geschichte der Gentechnik in Deutschland an. Gleichzeitig hat auch die anhaltende Debatte um die Technologie hier ihren Ursprung. Neben den gentechnisch-veränderten Petunien, die Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts in einem ersten Feldversuch sähen wollen, sammeln sich nämlich auch Demonstrant*innen am Rande des Feldes. Sie wollen den Versuch aufhalten. Das war vor 35 Jahren. Die Gentechnik hat sich seitdem massiv verändert, die Debatte dauert an.

Rote und weiße Petunienblüten
Mit einem Feld voller Petunien beginnt die Debatte über Gentechnik in Deutschland. Foto: Unsplash/Rebecca Niver

Eigentlich blühen Petunien weiß. Ende der 80er-Jahre bringen Forscher*innen ein Gen aus Mais in die Pflanze ein. So entsteht eine transgene Petunie, also eine mit einem Gen aus einer anderen Art. Damals eine gängige Methode. Dadurch blüht im Fall der Petunie die Pflanze jetzt lachsrot statt weiß. Ziel des Versuchs ist es, ein springendes Gen in der Petunie nachzuweisen – also ein Gen, das seine Position verändern kann. Sobald es das Mais-Gen stört, verschwindet die rote Farbe wieder und die Blüte ist weiß. Die Forscher*innen rechnen mit drei Millionen rote Blüten und einigen wenigen weißen Ausreißern.

Das Ergebnis ist aber anders als erwartet. Circa 60 Prozent der Blüten waren weiß –für die Gegner*innen ein Beweis, dass die Natur sich nicht so einfach vorhersagen und kontrollieren lässt. Der Startpunkt der Debatte. Als dann 1996 die erste Lieferung von gentechnisch verändertem Soja und Mais in Europa ankommt, startet auch Greenpeace eine Kampagne gegen Gentechnik.

2003 legt die EU eine neue Verordnung fest: Alle Lebensmittel, die gentechnisch verändert wurden, müssen einer gründlichen Zulassungsprüfung unterzogen und gekennzeichnet werden. Seitdem herrscht in Sachen Gentechnik Stillstand in der der deutschen Landwirtschaft. Warum? Sind gentechnisch-veränderte Lebensmittel wirklich gefährlich für uns und die Umwelt? Oder können sie eine Chance im Kampf gegen die Klimakrise sein? Oder kann beides zutreffen?

Was heißt eigentlich „Gentechnik“? Ein Überblick über die wichtigsten Begriffe

Um über den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft sprechen zu können, ist es wichtig festzulegen, worüber genau diskutiert wird. Denn die Debatte ist von Fachbegriffen geprägt, die für Lai*innen nur schwer nachvollziehbar sind.

Das Ziel der Pflanzenzüchtung, und damit auch das der Gentechnik, ist eine bessere Pflanze – also eine, die an die Bedürfnisse der Menschen angepasst ist. Konkret kann das zum Beispiel bedeuten, dass die Pflanze widerstandsfähiger gegen Schädlinge, Krankheiten oder Wetterextreme ist. Oder, dass ihr Ertrag höher ist. Eigenschaften, die vor allem in Zeiten der Klimakrise von enormer Bedeutung sein können. Die Technik dahinter hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr verändert. Von ungerichteten Mutationen in der ganzen Pflanze durch Chemikalien zu punktgenauen Veränderungen an der gewünschten Stelle.

Klassische Pflanzenzüchtung

In jeder Generation entstehen durch zufällige Mutationen Veränderungen im Erbgut der Pflanze – ein ganz natürlicher Prozess, ohne Gentechnik und ohne Eingriffe der Menschen. Einige dieser Mutationen können Vorteile mit sich bringen, und genau diese Pflanzen werden von den Menschen dann über Generationen hinweg gezielt weitervermehrt. Ein Beispiel dafür ist die Kartoffel: Vor über 4000 Jahren enthielt sie noch viele Bitterstoffe und war somit für uns ungenießbar – eine Eigenschaft, die durch eine Mutation verloren ging. Das Verfahren dauert allerdings sehr lange. Deswegen musste irgendwann eine schnellere Lösung her.

Mutagenese

Anfang der 1930er griffen Wissenschaftler*innen deswegen zur Mutagenese. Dabei wird das Erbgut der Pflanze gezielt mit Strahlung (z.B. UV oder radioaktiv) oder Chemikalien verändert, so dass viele Mutationen gleichzeitig und überall im Genom, also dem Erbgut der Pflanze, auftreten. Die meisten dieser Mutationen sind für Mensch und Pflanze nutzlos. Aber die Wissenschaftler*innen machen sich nach der Behandlung auf die Suche nach interessanten Mutationen. Diese werden erkannt und dann in die gewünschte Pflanze übertragen.  So sind beispielsweise fast alle Braugerstesorten in Deutschland entstanden. Obwohl die Mutagenese sehr unspezifisch ist, ist sie bis heute in Deutschland erlaubt – im Gegensatz zur klassischen Gentechnik und den Neuen Genomischen Techniken (NGT).

Klassische Gentechnik

Die klassische Gentechnik verfolgt einen anderen Ansatz als die Mutagenese: Hier werden gezielt Gene von einer Pflanze in das Erbgut einer anderen Pflanze eingebracht. Zum Beispiel durch „Mini-Kanonen“ oder Bakterien. Dabei unterscheidet man zwei Formen: Transgene Pflanzen und Cisgene Pflanzen. Transgene Pflanzen enthalten Gene einer anderen Art – so wie die Petunie, die ein Mais-Gen in sich trägt. Cisgene Pflanzen dagegen erhalten nur Gene von derselben oder einer nah verwandten Art. Das Problem der klassischen Gentechnik: Die Wissenschaftler*innen können nicht steuern, wo genau das Gen eingebaut wird. Um das gewünschte Ergebnis zu erlangen, ist die richtige Stelle aber essenziell.

Neue Genetische Techniken (NGT) - CRISPR/Cas

Ein Problem, das durch NGT gelöst wurde. Durch sie können Mutationen jetzt ganz präzise an der richtigen Stelle eingefügt werden. CRISPR/Cas, oder auch die Genschere, ist dabei wohl die bekannteste Technik.

Die Technik besteht aus zwei wichtigen Teilen: einem Protein namens Cas9 und einer speziellen RNA, die als Guide-RNA bezeichnet wird. Das Cas9-Protein ist wie eine Schere, die die DNA an einer bestimmten Stelle schneidet. Die Guide-RNA fungiert wie eine Art Wegweiser, der der Genschere sagt, wo sie schneiden soll.

Um CRISPR/Cas9 zu nutzen, müssen Forscher*innen zunächst die genaue DNA-Sequenz finden, die sie verändern möchten. Auf Grundlage dieser Sequenz wird dann die Guide-RNA hergestellt. Diese RNA wird zusammen mit dem Cas9-Protein in die Zelle eingeführt. Dort führt das Cas9-Protein den Schnitt an der gewünschten Stelle in der DNA durch. An dieser Stelle können dann neue DNA-Sequenzen eingefügt, bestehende verändert oder unerwünschte entfernt werden. Auf diese Weise können sehr gezielt Veränderungen vorgenommen werden, um Pflanzen oder Tiere mit bestimmten gewünschten Eigenschaften zu züchten.

Ist das noch Gentechnik?

Heute ist mit Gentechnik vor allem CRISPR/Cas gemeint. Die Genschere war eine Revolution in der Molekularbiologie. Sie ist günstig, einfach einzusetzen und präzise. Ein weiterer wichtiger Unterschied: die gentechnisch-veränderten Pflanzen sind heute meist cisgen. Sie enthalten also keine Gene aus fremden Arten mehr.

„Das Einzige, was wir mit CRISPR/Cas machen, ist, den natürlichen Zuchtprozess zu beschleunigen. Wir müssen nicht warten, bis zufälligerweise die Mutation auftritt. Wir führen sie ganz gezielt herbei“, erklärt Dr. Tobias Jores, Biologe an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Wenn wir dann noch den nächsten Schritt gehen und sagen: Wir kreuzen die Pflanzen so, dass die CRISPR/Cas-Gene anschließend komplett aus der Pflanze entfernt sind, dann kann man an der Pflanze selbst auch nicht mehr feststellen: Ist die gentechnisch erzeugt oder ist das eine natürliche Mutation, die jemand mit Glück gefunden hat?“

Genau an diesem Punkt setzt die aktuelle Debatte über Gentechnik an: Sind Pflanzen, die durch CRISPR/Cas verändert wurden, überhaupt noch als gentechnisch verändert einzustufen?

Ein Baustein für die Zukunft

Über 280 wissenschaftliche Institutionen und mehr als 3.000 Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die neuen Verfahren der Gentechnik sicher für Umwelt und Verbraucher*innen sind. Unterstützung kommt dabei auch von großen Namen der Wissenschaft. Wissenschaftsorganisationen wie die Leopoldina, die Union der deutschen Akademien der Wissenschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft sprechen sich für den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft aus.

Die möglichen Vorteile gentechnisch-veränderter Pflanzen klingen überzeugend: weniger chemische Pestizide, eine bessere Anpassung an Hitze und Trockenheit, höhere Ernteerträge. Ebenso sollen die Gewinne der Landwirt*innen deutlich erhöht werden – vor allem in Entwicklungsländern. In Zeiten der Klimakrise, in der natürliche Ressourcen wie Land und Wasser immer knapper werden, während die Nachfrage nach Nahrung immer weiter steigt, werden neue technologische Ressourcen benötigt. Gentechnik könnte Teil der Lösung sein – zumindest als Baustein in einem größeren, nachhaltigen Ansatz.

Menschen profitieren, die Natur zahlt?

Trotzdem bleibt der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft kontrovers – nur jede*r dritte Deutsche spricht sich dafür aus. Der Rest bleibt misstrauisch. Manchmal aus Unwissen über die Methoden. Manchmal in dem Glauben, der Mensch habe nicht das Recht, Pflanzen genetisch zu verändern. Und oft wegen der Sorge um langfristige Folgen: Antibiotikaresistenzen, Krebsrisiken, Allergien – all das waren schon vor 30 Jahren Befürchtungen von Kritiker*innen. Inzwischen sind viele dieser Ängste wissenschaftlich weitgehend entkräftet. Die Sorge vor Langzeitfolgen bleibt in der Bevölkerung aber bestehen – vor allem bei neuen Techniken wie CRISPR/Cas, deren Auswirkungen durch ihre Neuheit schlicht noch nicht ausreichend erforscht sind.

Erschwert wird die Forschung an Langzeitfolgen aber auch durch die strengen Auflagen in der EU. Gentechnisch veränderte Pflanzen unterliegen hier der Kennzeichnungspflicht und einem aufwändigen Zulassungsverfahren. Grundlage dafür ist das Vorsorgeprinzip: Solange Risiken für Umwelt oder Gesundheit nicht ausgeschlossen werden können, greift der Gesetzgeber präventiv ein.

Befürworter*innen sehen das kritisch. „Wir haben eine Verantwortung. Auch der Ausschluss von Technologien kann relevant werden für die Gesellschaft ­– im negativen Sinne“ erklärt Prof. Chris-Carolin Schön vom Lehrstuhl Pflanzenzüchtung der TU München. Das Vorsorgeprinzip bedeute auch, gute Technologien zu nutzen, anstatt sie pauschal abzulehnen. Deshalb fordert beispielsweise die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Leopoldina, das Gentechnikrecht zu reformieren: Freilandforschung erleichtern, differenzierter über Züchtungsverfahren diskutieren und Landwirt*innen wie Verbraucher*innen echte Wahlmöglichkeiten geben.

Technik mit Nebenwirkungen

Kritiker*innen betonen aber nicht nur mögliche Risiken für die Gesundheit, sondern vor allem die Auswirkungen auf die Umwelt. Gentechnisch veränderte Pflanzen könnten die genetische Vielfalt in der Landwirtschaft verringen, weil Betriebe sich auf wenige, hochoptimierte Sorten konzentrieren könnten. Je einheitlicher die Pflanzen, desto anfälliger könnten sie für Schädlinge und Krankheiten werden.

Auch die Kreuzung mit Wildpflanzen könnte zum Problem werden – zum Beispiel, wenn sich Herbizid-Resistenzen unkontrolliert ausbreiten. Die eingesetzten Herbizide werden dadurch nutzlos und es entstehen Unkräuter mit Herbizid-Resistenzen, die nur schwer zu kontrollieren sind und den Einsatz stärkerer Mittel notwendig machen. Gerade deswegen sprechen sich Vertreter*innen beider Seiten dafür aus, Gentechnik nicht pauschal und ohne Zulassungsverfahren zu erlauben. Die Pflanzen müssen vor ihrer Aussetzung weiterhin auf Risiken geprüft werden.

Von Umweltrisiken zur Systemkritik

“Sie ermüden als Wissenschaftlerin auch, wenn Sie 20 Jahre etwas argumentieren und alle sagen: Ich will es trotzdem nicht.“ – Prof. Chris-Carolin Schön, TU München

Trotz der Revolution durch CRISPR/Cas scheint die öffentliche Debatte um Gentechnik in den Hintergrund gerückt zu sein. Es gibt heute dringendere Probleme. Und selbst die Akteur*innen der Debatte scheinen vom Pro und Contra, vom ständigen Hin und Her erschöpft. „Sie ermüden als Wissenschaftlerin auch, wenn Sie 20 Jahre etwas argumentieren und alle sagen: Ich will es trotzdem nicht“, erklärt Prof. Schön von der TU München.

Porträtaufnahme von Judith Düesberg vom Gen-ethischen Netzwerk
Judith Düesberg vom Gen-ethischen Netzwerk. Foto: Judith Düesberg

Auch wenn die Öffentlichkeit nicht mehr viel von der Debatte mitbekommt. Sie geht weiter. Wenn auch anders als zu ihrem Beginn vor 30 Jahren. Mit dem Fortschritt der Wissenschaft hat sich die Diskussion verändert. „Die Debatte wird oft aus einer sehr naturwissenschaftlichen Perspektive geführt“, kritisiert Judith Düesberg vom Gen-ethischen Netzwerk. „Dabei fehlt häufig die gesellschaftliche und sozialwissenschaftliche Ebene: Was hat Gentechnik bisher für die Landwirtschaft, die Natur und die Menschen gebracht? Wenige große Konzerne haben gut verdient. Sie haben das Geld und die Möglichkeiten, gentechnisch verändertes Saatgut herzustellen und es weltweit zu vermarkten. Häufig bieten sie gleichzeitig die passenden chemischen Pflanzenschutzmittel an, die aber mit der Zeit nicht mehr wirken. Auch mit den neuen gentechnischen Methoden kann die Industrie nicht gegen die Anpassung von Wildpflanzen, Insekten und Krankheitserregern ankommen. Sie werden immer mehr Mittel oder weitere Technologien brauchen. Am Ende wird es teuer für die Bäuer*innen und die Konzerne verdienen.“

Saatgut, Macht und Märkte

Es gehe den Gentechnik-kritischen Stimmen heute vor allem um gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen: Wer bestimmt darüber, welches Saatgut zur Verfügung steht? Welche Anbaumethoden werden gefördert und welche Konzerne, in welchen Ländern profitieren von technologischen Fortschritten? „Ich denke, ein großer Teil des Grabens zwischen Gentechnik-Befürworter*innen und Kritiker*innen liegt in den darunterliegenden Weltanschauungen.

So unterscheiden sich zum Beispiel die Standpunkte in dem, was Nachhaltigkeit im Detail bedeutet. Ist es der Wechsel zu einem weniger schädlichen Insektengift oder der vollständige Verzicht auf solche? Ist es für Bäuer*innen sinnvoller mehr zu investieren, um Mais für den globalen Markt zu produzieren oder auf lokales Getreide, Gemüse und Obst für regionale Märkte zu setzen? Meine Kritik an Gentechnik ist immer auch die Kritik an bestehenden Machtverhältnissen, die lokalen, selbstbestimmten und ökologischen Lösungen entgegenstehen.“

“Was hat Gentechnik bisher für die Landwirtschaft, die Natur und die Menschen gebracht? Wenige große Konzerne haben gut verdient.” – Judith Düesberg, Gen-ethisches Netzwerk

Hermann Dedert, Landwirt und Vorsitzender des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands, bringt eine andere, aber ebenso dringliche Perspektive in die Debatte ein: „Landwirtschaft stellt keine 8×50 Schraube in der Halle her. Jedes Jahr sind die Bedingungen für den Anbau anders. Mal regnet es viel, mal regnet es wenig, mal weht der Wind, mal ist es warm, mal ist es kalt. Und das ist der Unterschied zu allen anderen Industrieprodukten“, beschreibt er. Jedes Jahr gibt es neue Krankheiten, durch die Klimakrise müssen die Landwirt*innen sich schneller an neue und sich immer wieder ändernde Bedingungen anpassen, und die wirtschaftliche Situation der Landwirt*innen ist angespannt.

CRISPR ja – Patente nein?

Porträt von Hermann Dedert, Landwirt und Vorsitzender vom Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband
Hermann Dedert ist Landwirt und Vorsitzender des Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverbands. Foto: Hermann Dedert

Hermann Dedert wünscht sich deswegen eine Lockerung der Regulationen. Er sieht in der Züchtungsmethode CRISPR/Cas eine Teil der Lösung für seine Probleme. Judith Düesberg sieht das anders – sie wünscht sich einen Systemwandel. In einem Punkt sind beide sich einig: Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen würden die Situation für Landwirt*innen noch weiter verschärfen.

Solche Patente könnten durch die Macht und die Mittel der großen Agrarunternehmen zu einem Monopol über landwirtschaftliche Produktion und Ernährung führen. „Patentierungen können dazu führen, dass nachher wenige Leute den Daumen draufhaben“ erklärt Hermann Dedert. Patentierungen könnten zu einem Verlust der Saatgutvielfalt führen. Sie könnten die Landwirt*innen abhängig von großen Agrarunternehmen machen. Und zu ihrem wirtschaftlichen Ruin führen.

Bei allen Sorgen um die möglichen Folgen von Gentechnik bleibt trotzdem die Frage: Muss ein Systemwandel neue Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas ausschließen? Oder kann beides Hand in Hand gehen? Dedert wünscht sich jedenfalls eine Lockerung der Regulierungen, ohne Patente. Dadurch hoffen er und andere Landwirt*innen auf viele Möglichkeiten, um auf die verschiedensten Anbaubedingungen schnell reagieren zu können. Dabei steht für ihn ein verantwortungsvoller Umgang im Vordergrund – mit Dünger, Pflanzenschutzmitteln, der Züchtung und Gentechnik. Und er wünscht sich eine andere Debattenkultur: „Das Wort an sich führt schon dazu, dass es zwei Lager gibt. Davon müssen wir wegkommen.“

Zeit, dass sich was dreht

Am Ende stellt sich die Frage: Um wen geht es bei dieser Debatte wirklich? Geht es um den Schutz der Landwirt*innen, um die Wissenschaft oder um die eigene Vorstellung der Welt? Klar ist: Die Landwirtschaft braucht jetzt sofort schnelle Lösungen. Hermann Dedert fordert: „Wir benötigen die Akzeptanz für neue Züchtungstechniken, weil wir sonst hinter dem Klimawandel und all den Dingen, die uns gesellschaftlich beschäftigen, nicht mehr hinterherkommen.“

Es bleibt das unbefriedigende Fazit: Es gibt keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme. Gentechnik wird nicht die Welt retten, den Hunger lösen oder die Klimakrise bewältigen – aber sie ist auch nicht per se gefährlich für Umwelt und Landwirtschaft.

 

Beitragsbild: Unsplash/Tim Mossholder

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