„Dieses Mal wird alles anders“, hat Heidi Klum zu Beginn der 13. Staffel Germany’s Next Topmodel stolz verkündet. Mindestens zehnmal pro Folge wurde die „Diversity“ der Sendung betont. Trotzdem hat am Donnerstag eine weitere hübsche, junge und vor allem dünne Frau gewonnen. Ein Kommentar über eine eher semi-diverse Staffel.
Die Siegerin steht fest: Oluwatoniloba Dreher-Adenuga darf sich über 100.000 Euro, ein Coverfoto auf der deutschen “Haper’s Bazar”, einen Modelvertrag mit Heidis Papa und den obligatorischen Opel freuen.
Oluwatoniloba, eher bekannt als Toni, ist dunkelhäutig und hat sogar einen schwierig auszusprechenden Namen. Das ist so außergewöhnlich und fortschrittlich, dass Mentor und Jury-Mitglied Michael Michalsky die Übertragung des Finales mit einem gekreischten „Team Diversity“ abschließen muss.
Schaut man sich aber alle Siegerinnen einmal genauer an, sind sie vom Typ, abgesehen von unterschiedlichen Haut-, Haar- und Augenfarben, relativ gleich. Ist GNTM etwa gar nicht so vielfältig und divers wie die Zuschauer glauben sollen?
Selbstlob im Übermaß
Das ProSieben-Team gibt sich auf jeden Fall größte Mühe, Diversität vorzugaukeln. Während in den ersten drei Staffeln nur weiße Mädchen ins Finale kamen, ist Toni jetzt schon die dritte dunkelhäutige Gewinnerin. Natürlich ist es wichtig zu zeigen, dass Schönheit nicht von der Hautfarbe abhängt. Die Art und Weise, wie sich GNTM im Laufe der Staffel für diese unglaubliche Diversität auf die Schulter klopft, ist aber einfach nur übertrieben.
Ähnlich häufig lobt sich die Sendung dafür, dass sich nun auch „curvy“ Kandidatinnen zwischen die Masse der Hungerhaken mischen dürfen. 2006 musste noch eine Kandidatin den Wettbewerb verlassen, weil sie nach Ansicht eines Jurors zu dick war. In diesem Jahr schaffte es Pia, die keine klassischen Modelmaße hat, sogar ins Finale.
Wer sich Pias angeblich kurvige Figur allerdings genauer anschaut, erkennt, dass sie ungefähr eine Kleidergröße 38 trägt. Eine Frau, die diese Größe trägt, ist aber nicht „curvy“. Sie hat einfach eine Figur wie der Großteil der Frauen auf diesem Planeten.
Demnach ist es auch nicht wie von den Juroren betont „mutig“ oder „vorbildlich“, dass Frauen wie Pia bei einer Show mitmachen, die hübsche Mädchen sucht. Denn auch wenn das bei ProSieben noch nicht ganz angekommen ist: Frauen sind nicht nur schön, wenn jeder ihre Rippen zählen kann.
“We love sausages”
Ebenso unauthentisch ist ProSiebens Unterstützung der LGBT-Gemeinschaft. Neben der Transgenderkandidatin Soraya, die übrigens schon zu Beginn der Sendung herausflog, spazierten in diesem Jahr zweimal Dragqueens mit den Mädchen über den Laufsteg. Auch im Finale hatten sie einen Auftritt und durften sich sogar zu Heidi, Thomas und Michael auf die Couch setzen.
Dort gab es als Beispiel für die Vielseitigkeit der deutschen Küche klassisch bayrische Würstchen. Die wurden den Gästen auch gleich in die Hand gedrückt und von ihnen mit den Worten „We love sausages“ verspeist. Denn wie jeder weiß: Schwule lieben Würste. Bei solchen Fremdschäm-Witzen hilft es auch nicht, im Hintergrund eine riesige Regenbogenflagge zu schwenken.
Wer braucht schon Personality?
Ein kleiner Lichtblick hätte die Verleihung des „Personality-Awards“ sein können. Es hätte die Botschaft herübergebracht werden können, dass die Kandidatinnen vielfältige Persönlichkeiten haben. Es hätte gezeigt werden können, dass Schönheit auch durch den Charakter bestimmt wird. Diese Chance wurde aber in dem Moment vertan, in dem die Personality in der Zahl der Instagramfollower gemessen wurde.
Die Gewinnerin des Awards, Klaudia mit K, setzte dann zu einer Rede über Selbstbewusstsein und Selbstakzeptanz an – und wurde direkt von Heidi unterbrochen, damit auch ja genug Zeit für die Werbeblöcke bleibt. Klaudia musste den Rest ihrer Rede bei Instagram posten. Persönlichkeit gilt bei GNTM wohl als überbewertet.
Nicht mehr zeitgemäß
Es scheint, als sei die Sendung in der Vergangenheit stecken geblieben. Die Show stammt aus einer Zeit, in der nur Frauen aus dem dünnen, strahlend lächelnden Einheitsbrei als schön gelten.
Dabei verändert sich gerade einiges in der Modeindustrie: Modemarken setzten immer auf Diversität. “Good American” , die Marke von Reality-Show-Teilnehmerin Khloé Kardashian, präsentiert beispielsweise die Kleidung auf ihre Seite an Models mit drei verschiedenen Kleidergrößen. Halima Aden lief als erstes Model mit Kopftuch auf der Mailänder Modewoche. Der britische Einzelhändler Missguided retuschiert die Dehnungstreifen ihrer Fotomodels nicht mehr.
Und so sollte auch Germany’s Next Topmodel die Möglichkeit ergreifen, bei diesem Trend mitzumachen und in der 14. Staffel echte Diversität zeigen. Anstatt sie nur vorzugaukeln. Vielleicht gilt dann im nächsten Jahr wirklich: „Dieses Mal wird alles anders.“
Teaser- und Beitragsbild: flickr.com/macardore, lizenziert nach CC.