Loveparade: Frage nach Verantwortung bleibt

Unglücksort am Fuß der Hauptrampe. Foto: Beademung/wikipedia

Als die Loveparade am Mittag des 24. Juli 2010 in Duisburg ihre Tore für die feiernde Menge öffnet, ahnt noch keiner von ihnen, dass genau dieser Eingangsbereich nur wenige Stunden später zur Todesfalle werden soll. Gegen 17 Uhr kommt es durch den großen Besucherandrang zu einer Massenpanik. Eingepfercht zwischen Betonmauern und Bauzäunen versuchen die Menschen durch zwei Tunnel zu entkommen, wo sich nun alles staut. Bei dem Versuch über eine schmale Nottreppe die Wände hochzuklettern, fallen Personen auf den Boden, werden niedergetrampelt oder erdrückt.  Andere reißen die Bauzäune nieder und klettern Böschungen hinauf. 21 Menschen sterben, mindestens 652 werden verletzt.

Über acht Jahre später ist der Strafprozess gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen immer noch nicht abgeschlossen. Das soll sich nun zumindest teilweise ändern. Am Dienstag, dem 100. Verhandlungstag, haben die Duisburger Staatsanwaltschaft sowie sieben der insgesamt zehn Ange

klagten einer Einstellung des Verfahrens ohne weitere Auflagen zugestimmt. Sie folgten damit einem Vorschlag des Landgerichts Duisburg. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Prozess gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und einen Mitarbeiter der Veranstalterfirma Lopavent schon Mittwoch eingestellt wird.

Drei weitere Angeklagten, ebenfalls Mitarbeiter von Lopavent, lehnten die Einstellung des Verfahrens gegen sich jedoch ab. Als Begründung ließ einer von ihnen über seine Anwältin mitteilen, er verzichte nicht auf sein Recht, freigesprochen zu werden. Die drei Angeklagten hätten auf Forderung von Staatsanwaltschaft und Landgericht eine Auflage erfüllen müssen, welche die Staatsanwaltschaft mit einer Zahlung von jeweils etwa 10.000 Euro betitelte. Da die Angeklagten dem Vorschlag von Landgericht und Staatsanwaltschaft nicht zustimmte, muss der Prozess gegen sie weitergeführt werden.

Tat verjährt schon 2020

Sollte das Gericht bis zum 28. Juli 2020 zu keinem Urteil gelangen, wird es jedoch auch für diese drei keine Verurteilung mehr geben, da die Tat dann bereits verjährt. Mitte Januar hatte das Landgericht Duisburg den Prozessbeteiligten aus diesem Grund die Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen. Das Verfahren sei so komplex, dass dies nahezu unmöglich sei. Die angeführten Beweise, Zeugenvernehmungen und Sachverständigengutachten hätten außerdem gezeigt, dass viele Institutionen und Personen Schuld an dem Unglück haben, hieß es als Begründung. Die individuelle Schuld der Angeklagten stufte das Gericht als gering bis mittelschwer ein.

Hinterbliebene der Opfer, die im Verfahren als Nebenkläger auftreten, hatten den Vorschlag des Landgerichts kritisiert. Schon im Herbst 2018 hatten ihre Anwälte einen Brief an Justizminister Peter Biesenbach geschrieben, in dem sie ihn darum baten, der Staatsanwaltschaft die Zustimmung zu untersagen. Der Minister lehnte dies mit der Begründung ab, dass der zuständige Generalstaatsanwalt nicht Unrecht gehandelt habe.

Mehr als sieben Jahre bis Prozessbeginn

Dass der Prozess gegen die drei verbliebenen Angeklagten nun ohne Urteil auszugehen droht, ist auch dem späten Prozessbeginn zuzuschreiben. Fast siebeneinhalb Jahre dauerte es, bis nach der Katastrophe das Verfahren eröffnet werden konnte. Zunächst ermittelte die Duisburger Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt. Dann gerieten der Einsatzleiter der Polizei, Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und der Stadt Duisburg in den Fokus der Ermittlungen, während Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) sowie der Lopavent-Chef Rainer Schaller außen vor blieben. In einem Zwischenbericht erläuterte die Staatsanwaltschaft, dass die Loveparade so nicht hätte genehmigt werden dürfen. Zwei Gutachten stellten schwere Planungsfehler und Versäumnisse beim Sicherheitskonzept fest.

Anfang 2014 reichte die Staatsanwaltschaft Klage gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen der Katastrophe ein. Es kam jedoch zu Zweifeln an einem der Gutachten, welches jegliche Schuld der Polizei zurückweist. Eine Mitarbeiterin des entsprechenden Gutachters hatte zuvor für das Innenministerium gearbeitet, dem auch die Polizei unterstellt ist. Die Anwälte der Beschuldigten vermuteten deshalb, dass die Mitarbeiterin bei der Erstellung des Gutachtens befangen gewesen sei.

Landgericht zunächst gegen Verfahren

Nach weiteren Befragungen des Gutachters beschloss das Landgericht Duisburg im April 2016 schließlich, dass es keinen Prozess eröffne und die Anklage der Staatsanwalt nicht zulasse. Die Anklage habe keine Aussicht auf Erfolg, da das Gutachten Mängel habe und der Sachverständige möglicherweise befangen sei. Die Staatsanwaltschaft reagierte mit Unverständnis und reichte zusammen mit mehreren Nebenklägern Beschwerde ein.

Damit lag die Entscheidung nun beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Dies entschied etwa ein Jahr später, dass der Strafprozess nun doch zugelassen werde, da es eine Verurteilung der zehn Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung für hinreichend wahrscheinlich halte. Das Gutachten sei außerdem verwertbar, der Sachverständige nicht befangen gewesen. Daraufhin begann das Landgericht Duisburg den Prozess am 8. Dezember 2017.

Acht Jahre, sechs Monate und zwölf Tage nach der Katastrophe ist ein Urteil unwahrscheinlicher denn je geworden. Die Opfer von damals und ihre Hinterbliebenen hätten dann vergeblich darauf gewartet, eine Antwort auf die Frage zu bekommen, wer dafür die Verantwortung trägt.

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