Ein Schnelltest-Erklärvideo der Augsburger Puppenkiste sorgt zunächst für einen Shitstorm, doch die Fans der Marionetten reagieren schnell und machen das Video zu einem viralen Hit.
“Und jetzt kommt’s beschde: Jetzt dürfts ihr in der Nas’ bohre!” – das klingt erst einmal nicht gerade pädagogisch wertvoll. Gemeint ist aber nicht die schlechte Angewohnheit, sondern das Nasebohren mit dem Teststäbchen für einen Corona-Schnelltest. So formuliert es zumindest der Kasperl aus der Augsburger Puppenkiste in einem neuen Erklärvideo für Kinder. Das Video hat wegen vieler Hasskommentare der Querdenken-Bewegung in den sozialen Netzwerken eine Menge Aufmerksamkeit bekommen und wurde inzwischen mehr als 700.000-mal geklickt.
In Bayern dürfen Personal und Schüler*innen zur Zeit nur mit einem negativen Coronatest in den Präsenz-Unterricht. Um den Test und seine Funktionsweise kindgerecht zu zeigen, hat das bayrische Kultusministerium bei dem Marionettentheater Augsburger Puppenkiste ein Video in Auftrag gegeben. Ziel war es, mit dem Film jüngeren Schüler*innen Berührungsängste und Vorbehalte vor den Tests zu nehmen. Das Traditionstheater der Stadt Augsburg ist für Klassiker wie “Jim Knopf” oder “Urmel aus dem Eis” bekannt. Neben Filmen und Live-Aufführungen für Kinder produziert die Puppenkiste auch jährlich Kabarett-Programme.
Der wohl bekannteste Vertreter der Puppen, der Kasperl, erklärt in dem Video dem Erdmännchen Erwin, wie man sich richtig testet. Alles natürlich ganz regelkonform per Videokonferenz, während das Coronavirus in Kasperls Labor in einen Käfig gesperrt warten muss. Erwin ist zum Glück negativ und darf am Unterricht teilnehmen. Natürlich trotzdem mit Maske, Abstand und regelmäßigem Händewaschen. “Denn Corona ist ein WIR-us – das heißt WIR alle müssen mitmachen bei den Hygieneregeln” erinnert Kasperl, bevor er das Coronavirus aus dem Käfig zum Mond schießt.
Der kindlich-witzelnde Charme des Videos hat es jedoch nicht vor Anfeindungen geschützt – im Gegenteil: Unter den ersten Kommentaren finden sich diverse heftige Vorwürfe. Unter anderem wird das Video als “Propaganda für Kinder” und “total krank” bezeichnet. Taucht dazwischen ein positiver Kommentar auf, finden sich darunter ähnliche Anfeindungen. Viele davon stammen von Profilen, die erst am Tag des Shitstorms erstellt wurden – ein starkes Anzeichen, dass hier auch Trolle am Werk waren. Inzwischen erhält das Video aber so viele positive Kommentare, dass die Hassbotschaften überdeckt werden. Denn die Querdenker hatten die Rechnung ohne die Fans der Augsburger Puppenkiste gemacht: Viele Accounts mit hohen Followerzahlen machte auf den Shitstorm um das Video aufmerksam. Daraufhin bekam die Puppenkiste jede Menge Zuspruch und positives Feedback. In den sozialen Netzwerken gab es viele unterstützende Posts, wie diese Abwandlung des Klagelieds des Seelöwen aus “Urmel”:
https://twitter.com/Mudditanzt01/status/1381898733961482241
Das bayerische Kultusministerium sagte auf Anfrage, es habe Lob von Schulen aus ganz Deutschland gegeben. Außerdem hätten sich auch eigentlich eher skeptisch eingestellte Eltern gemeldet, die sich wegen des Videos nun weniger Sorgen machen. Die inzwischen überwiegend positive Rückmeldung zeigt sich auch in den mehr als 23.000 Likes auf Youtube. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) verteidigt die Teststrategie: Die Selbsttests in Schulen “sorgen für mehr Sicherheit und eröffnen die Perspektive für mehr Präsenzunterricht”. Die etwa 5.000 Dislikes führt das Kultusministerium hauptsächlich auf eine Ablehnung der Testpflicht und der generellen Corona-Schutzmaßnahmen zurück.
Auf den lautstarken Protest des kleinen Coronavirus im Video sagt der Kasperl: “Wenn dir Tests ne gefalle, vielleicht probier mer’s halt a mal mit Impfen?” – vielleicht ist es also nicht das letzte Mal, dass der Kasperl die Bekämpfung des Virus erklärt.