Alle Menschen sollen ab Juni einen Impftermin beantragen können – unabhängig von Alter, Beruf oder möglichen Vorerkrankungen. Genügend Impfstoff und Pläne für die Terminvergabe fehlen in Dortmund aber noch.
Wie Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag (6.5.) angekündigt hatte, soll der Astra-Zeneca-Impfstoff künftig an alle Menschen in Deutschland verimpft werden. Bei den anderen Corona-Impfstoffen ist das noch nicht der Fall. Die werden bevorzugt an Menschen mit hohem Risiko auf eine Infektion oder einen schweren Verlauf vergeben – in sogenannten „Priorisierungsgruppen“. Damit soll ab Juni 2021 Schluss sein. Kanzlerin Merkel kündigte nach dem Impfgipfel von Bund und Ländern am 26. April (Montag) an, im Laufe des Junis könne sich jede*r Bundesbürger*in auf einen Impftermin bewerben. Die Impfreihenfolge werde dann aufgelöst.
Der Hauptgrund dieser Entscheidung ist wohl, dass das Impftempo in Deutschland massiv gestiegen ist, seitdem auch die Hausärzt*innen Corona-Vakzine verimpfen. Mittlerweile haben knapp 27 Millionen Menschen in Deutschland mindestens eine Impfung erhalten (Stand 7. Mai), wie das Impfdashboard der Bundesregierung zeigt. Vor einem Monat waren es noch knapp 11 Millionen.
Im zweiten Quartal erwartet die Bundesregierung weitere 80 Millionen Impfdosen, wie Kanzlerin Merkel nach dem Impfgipfel sagte. Doch die Wahrheit zeigt auch: Viele Länder und Städte haben noch nicht angefangen, die Menschen der Prioritätsgruppe drei zu impfen – so auch NRW und Dortmund.
TU-Professor für Immunologie sieht Auflösung der Reihenfolge kritisch
Professor Dr. Carsten Watzl ist Leiter des Forschungsbereichs Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ am 26. April zeigte er sich skeptisch gegenüber der geplanten Auflösung der Impfreihenfolge.
„Der Grund, warum wir diese Impfreihenfolge haben, ist, um möglichst viele Menschenleben zu retten und verlorene Lebensjahre zu retten, und das schaffen wir am besten, indem wir die vulnerablen Gruppen zuerst impfen“, sagte Watzl.
Er ergänzte: „Wir haben de facto aktuell noch nicht genug Impfstoff, um uns aus dieser dritten Welle rauszuimpfen.“ Daher sei das Wichtigste, Todes- und Krankheitsfälle zu verhindern, indem die Menschen mit einem hohen Erkrankungsrisiko geimpft werden.
Hausärzteverband Westfalen-Lippe befürwortet Impfen ohne Priorisierung
Anders sieht dies Anke Richter-Scheer, erste Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe. Der Verband begrüße die Aufhebung der Impfreihenfolge. „Je früher diese möglich ist, desto besser“, so Richter-Scheer auf Kurt-Anfrage. Voraussetzung dafür sei aber, dass genügend Impfstoff vorhanden ist.
Unter diese Prämisse sieht sie nicht die Gefahr, dass vulnerable Gruppen beim Impfen vernachlässigt würden, wenn sich auch gesunde und junge Menschen massig auf Impftermine bewerben. „Auch mit einem Wegfall der Impfpriorisierung ist es selbstverständlich, dass Ärzt*innen die Patient*innen, die eine Impfung besonders dringend benötigen, im Blick haben und Impftermine verantwortungsvoll vergeben werden und nicht nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sagt Richter-Scheer.
Außerdem könne sie sich vorstellen, dass auch junge Menschen ohne Vorerkrankungen bald geimpft werden können. Das trifft zum Beispiel auf viele Dortmunder Studierende zu. Richter-Scheer: „Nach den aktuellen Prognosen gehen wir davon aus, dass jeder Impfwillige im Laufe des Sommers ein Impfangebot erhält.“ Das hatte auch Angela Merkel nach dem Impfgipfel vorausgesagt.
Stadt Dortmund dämpft Hoffnung auf priorisierungsfreies Impfen
Nach Angaben der Stadt auf Anfrage von Kurt werde Dortmund im Mai voraussichtlich 3.498 Dosen des BioNTech- und 2.550 Dosen des Moderna-Impfstoffs pro Woche erhalten. Damit könnten pro Woche 6.048 Menschen und im Mai insgesamt etwa 24.000 Menschen erstgeimpft werden. Das wären etwa vier Prozent aller Dortmunder*innen.
Stadtsprecherin Anke Widow sagt, das sei viel zu wenig Impfstoff, um bis Juni alle Menschen aus den Priorisierungsgruppen eins bis drei durchzuimpfen: „Das ist weit davon entfernt, dass wir darüber nachdenken können, die Impfreihenfolge aufzulösen.“ Nach Angaben der Stadt sind in Dortmund (Stand: 6. Mai) 178.908 Personen geimpft. Dabei laufen dem Impffahrplan der Stadt zufolge erst noch die Impfungen in den ersten beiden Priorisierungsgruppen.
Es ist darüber hinaus noch unklar, wie genau die Termine vergeben werden sollen, wenn die Impfreihenfolge aufgelöst ist: „Dazu gibt es keine Pläne, da wir davon ausgehen, dass wir zunächst noch die Menschen der Priorisierungsgruppen zwei und drei impfen müssen“, sagt Stadtsprecherin Anke Widow. Die Stadt weiß also noch nicht, ob dann alle Menschen die gleichen Chancen auf einen Impftermin haben oder ob Personen mit hohem Erkrankungsrisiko trotzdem noch bevorzugt werden.
Die Stadt könne auch keine Angaben darüber machen, welche Personen von Haus- oder Betriebsärzten oder welche im Impfzentrum geimpft würden. Gleiches sagt die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) auf Kurt-Anfrage. Die KVWL plädiere aber „für eine frühzeitige und umfassende Einbeziehung aller niedergelassenen Ärzte und der Betriebsärzte, um das Tempo der Impfungen zu erhöhen.“
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