Corona-Regeln: Jugendliche brauchen Party-Alternativen

Immer mehr junge Leute nutzen öffentliche Plätze wie die Möllerbrücke als Spot zum Trinken und Feiern. Das stört viele Kommunen. Vielerorts gibt es daher Kontrollen und Verbote. Das kann aber nicht alles sein. Es braucht dringend alternative Angebote für junge Leute in Partylaune. Ein Kommentar.

2.500 Leute im Hamburger Stadtpark, 1.600 auf Karlsruhes Plätzen, 1.500 auf der Heidelberger Neckarwiese —  am Wochenende wurden in deutschen Großstädten wieder zahlreiche Partys an öffentlichen Plätzen aufgelöst. Die Politik, die Polizei und Anwohner beklagen sich über die feierwütige Jugend. Im Party-Rausch seien die Corona-Regeln schnell vergessen. Aber nicht nur darum geht es. Laut, gewalttätig und verantwortungslos seien die jungen Menschen. “Irgendwann hat das auch gar nichts mehr mit dem Infektionsgeschehen zu tun, sondern dann muss Ordnung herrschen”, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher bezeichnenderweise dazu.

Die scheinbar einfachste Lösung: Verbote. Deshalb wird von vielen Städten auch die komplette Ordnungsmaschinerie aufgefahren, um Partys aufzulösen und Versammlungen zu verhindern. Die CDU-Fraktion in Dortmund will zum Beispiel das “Möllern”, also die Tradition von Partys auf der Möllerbrücke und dem Sonnenplatz, eindämmen. Die Fraktion hat etwa ein generelles Alkoholverbot und ein temporäres Ansammlungsverbot geprüft, um die unliebsamen Störer loszuwerden. Solche Ansätze sind allerdings nicht sinnvoll. Sie führen nur dazu, dass die Jugendlichen sich woanders treffen – am besten noch drinnen in einem versteckten Partykeller.

Zoo oder Museum statt Party?

Aber dennoch haben Politiker wie die Dortmunder CDU nicht vollkommen unrecht. Unregulierte Partys wie zum Beispiel am Wochenende sind sicherlich nicht förderlich für das Infektionsgeschehen. Deshalb versuchen viele Kommunen auch, jungen Menschen alternative Angebote zu machen. In der Praxis sind diese Angebote allerdings oft eher mau: Statt Party zu machen, können junge Menschen in vielen deutschen Städten inzwischen kostenlos Zoos und Museen besuchen. Oder im Dortmunder Fall umsonst in den Westfalenpark. Städte wie München, Berlin oder Kamen brüsten sich mit ihrem großzügigen Angebot, das auch noch die Schwimmbäder mit einschließt.

Ein attraktives Alternativprogramm für junge Leute in Party-Laune sieht anders aus. Denn man kann es sich schon direkt vorstellen, wie massenhaft junge Leute nächste Woche mit ihren Freunden nachmittags in den Dortmunder Zoo gehen. Davon sind sie dann so erschöpft und erfüllt, dass sie um 21 Uhr ins Bett fallen und keinen Gedanken mehr ans Feiern verschwenden.

Solche Angebote sind vielleicht nett gemeint, aber Partys werden sie nicht eindämmen. Genauso wenig wie Verbote und ermahnend gehobene Zeigefinger. Wie wäre es stattdessen damit, die Jugendlichen ernst zu nehmen und zu versuchen, sie zu verstehen? Denn die Jugend findet eben statt. Und die lässt sich nicht eben mal zwei Jahre anhalten.

Deshalb braucht es echte Alternativen zur Möllerbrücke und Co. Also nicht Zoo statt Party, sondern Party statt Party – nur eben in coronafreundlich. Es ist klar, dass es nicht gleich der vollgepackte Nachtclub sein kann. Das erwartet auch niemand.

Echte Alternativen gesucht

Und dafür gibt es sogar schon positive Beispiele: In Bonn gibt es das “BonnLive“, ein Outdoor-Festival mit Konzerten, Kabarettisten und EM-Public-Viewing. Die Zuschauer können sich mit Freunden Biertische oder Liegestühle in abgetrennten Parzellen reservieren. Shows im Freien und im Grünen gibt es über den Sommer verteilt auch bei den Picknick-Konzerten in Köln, Paderborn, Münster und weiteren Städten. Das sind die Art von Angeboten, die die Politik fördern sollte. Auch dafür sollte es für Schüler*innen und Student*innen kostenlose oder vergünstigte Tickets geben.

Diese schwimmen nämlich nicht gerade in Geld. Deshalb ist es ja auch so praktisch, beim nächsten Discounter eine Flasche Billig-Fusel zu kaufen und sich damit auf die Straße zu setzen. Eine Idee: Eigene Plätze ausweisen, an denen die jungen Menschen dann feiern können. Diesen Vorschlag hatte zum Beispiel die Münchner Stadtratsfraktion Die Linke/Die Partei. Durch extra Party-Flächen könnte man das entzerren und auch leichter dafür sorgen, dass Corona-Bestimmungen eingehalten werden.

Noch einen Schritt geregelter und definitiv gemütlicher wäre das Trinken in Bars oder Kneipen. Um die jungen Leute von den öffentlichen Plätzen zu holen, könnten Getränke-Marken ihr Comeback feiern. Diese Papierschnipsel, mit denen man sich früher bei Sommerfesten in der Schule umsonst was zu Trinken holen konnte. Wenn Jugendliche solche Marken bekommen würden, wäre es eine Win-win-win-win-Situation: Die Jugendlichen würden unter Corona-Auflagen trinken, die Polizei müsste keine Plätze mehr räumen, die Anwohner müssten sich nicht mehr über Lärm und Müll aufregen und die angeschlagene Gastro-Branche würde gestärkt.

Es gibt also sinnvolle Möglichkeiten, um die Partys auf der Straße zu entzerren — ganz ohne wirkungslose Holzhammer-Verbote. Und die lauten eben nicht: Zoo-, Park- oder Museumsbesuche. Statt sich nur zu beschweren und die Jugendlichen von oben maßzuregeln, sollte die Politik sich für das Partymachen in Coronazeiten Konzepte einfallen lassen. Die “Lass das sein!”-Einstellung hilft nicht, sondern gibt den Jugendlichen nur noch mehr das Gefühl, von der Politik nicht verstanden zu werden.

Teaser- und Beitragsbild: pixabay.com/EnginAkyurt

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