Im Juli könnte es eine Hitzewelle in Deutschland geben. Die hohen Temperaturen stellen ein Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung dar. Ein Experte sieht Deutschland vor massiven Problemen und fordert Nachbesserung.
Temperaturen von bis zu 40 °C könnte es in einer Woche geben. Vor allem Mittel- und Süddeutschland werden voraussichtlich unter Extremtemperaturen leiden. Auch in NRW kann es sehr heiß werden, so Meteorologin Britta Siebert-Sperl vom „Wetterkontor“ im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Darüber hinaus erwartet der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine zweite Hochsommerperiode, die bis Ende August anhalten könne.
Nach EM-DAT, einer internationalen Datenbank für Katastrophen, traten für Deutschland in den letzten dreißig Jahren insgesamt achtzig Katastrophen mit etwa zehntausend Toten im Zusammenhang mit Naturgefahren auf. 96 Prozent dieser Todesfälle sind dabei extremer Hitze zuzuordnen. Und das, obwohl längere Hitzeperioden trotz vieler Todesopfer gar nicht als Naturkatastrophen in diese Statistik eingehen.
Eine Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und dem DWD zeigte zuletzt, dass es in den Hitzejahren 2018 bis 2020 in Deutschland jeweils zu tausenden hitzebedingten Sterbefällen gekommen ist. Die Forschenden schätzen für 2018 knapp neuntausend, in den Folgejahren knapp sieben- bzw. viertausend Tote. Die Schlussfolgerung: Hitzeereignisse stellen eine zunehmend bedeutende Bedrohung für die Gesundheit der Menschen in Deutschland dar.
Die Frequenz von Hitzesommern wird zunehmen. Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) warnen davor, dass bereits eine globale Erwärmung von 1,5 Grad Celsius die Wahrscheinlichkeit für einen Extremhitzesommer in Europa auf 50 Prozent erhöht, bei 2 Grad Celsius liege die Wahrscheinlichkeit für ein Hitzeereignis bei nahezu 100 Prozent.
Die “Lösung”: Hitzeaktionspläne
Das Bundesgesundheitsministerium stellte schon 2017 zusammen mit der Bund/Länder Arbeitsgruppe “Gesundheitliche Anpassung an die Folgen des Klimawandels” eine Anleitung für die Entwicklung von Hitzeaktionsplänen zur Verfügung. Umgesetzt haben diese die wenigsten Länder und Kommunen.
Auch in Dortmund gibt es derzeit noch keinen solchen Plan. Dieser sei aber in Arbeit, so die Pressestelle der Stadt. Bereits im “Masterplan integrierte Klimaanpassung Dortmund MiKaDo” vom April 2021 wurden Herausforderungen des Klimawandels für Dortmund erkannt und die Erstellung eines Hitzeaktionsplans als Schlüsselmaßnahme zum Ziel erklärt.
“Untragbar” nennt Dr. med. Martin Herrmann, Vorstandsvorsitzender von KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V., die Situation in Deutschland. Man steuere auf eine Katastrophe zu. Hitzeereignisse beträfen alle Lebensbereiche: Menschen, die im Büro sitzen, könnten bei den hohen Temperaturen nicht mehr arbeiten, Autofahrer*innen machten mehr Fehler und besonders litten Menschen mit Vorerkrankungen. Nicht zuletzt stünde der Gesundheitssektor deshalb vor massiven Problemen. Bereits jetzt muss coronabedingt auf vielen Intensivstationen Schutzkleidung getragen werden. Die zusätzliche Belastung der Arbeitskräfte durch die Hitze sei unzumutbar. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass mehr Patient*innen medizinisch versorgt werden müssen. “Eigentlich muss es für diese Szenarien in jedem Krankenhaus Notfallpläne geben. Aber faktisch gibt es die in keinem großen Krankenhaus. Wir sind total unvorbereitet. Es ist in Deutschland quasi noch gar nichts gelaufen”, sagt Herrmann.
“Der DFB nimmt auch nicht nur seine Funktionäre mit zur WM. Bei der Erarbeitung der Hitzeaktionspläne müssen die richtigen Akteure am Tisch sitzen”
Die ausgearbeiteten Hitzeaktionspläne seien fokussiert auf das Bauwesen und die Stadtplanung. Man solle doch die Akteur*innen, die am Ende die exekutiven Funktionen übernehmen, in die Erarbeitung der Pläne integrieren: Vereine, die Gesundheitsakteur*innen, Kitas und Schulen. Außerdem solle man darüber nachdenken, eine Hitzewehr in Deutschland aufzubauen. Hitze sei mittlerweile deutlich gefährlicher für die Gesundheit der Bevölkerung als zum Beispiel Feuer.
Vorbilder Berlin und Hessen
Ein Projekt, das laut Herrmann in die richtige Richtung gehe, sei Hitzeschutz Berlin. Das Aktionsbündnis aus Ärzt*innenschaft, Pflege, Katastrophenschutz, Rettungsdiensten, Kommunen, Zivilgesellschaft, dem Berliner Senat und auch KLUG erstellt einen umfassenden Hitzeaktionsplan. Bereits in diesem Sommer sollen kurzfristige Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit umgesetzt werden.
Auch am Land Hessen könne man sich orientieren. Hier werde sogar kontrolliert, ob der Hitzeaktionsplan umgesetzt werde.
“Am wichtigsten ist es aber, der Bevölkerung klarzumachen, dass Hitze tötet”, so Herrmann. In der RKI Studie heißt es, dass der Einfluss der hohen Temperaturen auf die Sterblichkeit insgesamt leicht zurückgegangen sei. Die Forschenden vermuten, dass das an individueller Verhaltensänderungen durch stärkere Sensibilisierung liegt. Das Tragen leichter Kleidung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr oder das Aufsuchen schattiger oder klimatisierter Räume spielen dabei eine zentrale Rolle.
Extremhitzeereignisse werden mit Fortschreiten des Klimawandels keine Seltenheit mehr sein. Ganz aufhalten lässt der Wandel sich nicht mehr, doch ist der Unterschied zwischen 1,5 Grad Celsius und 2 Grad Celsius Erwärmung enorm. Deutschland muss aber so oder so lernen, mit Hitzewellen zu (über-)leben.
Bild: Mike Erskine/unsplash