Vor dem Gesetz gleich? Leben als Trans* Mensch in Deutschland und den USA

Der neue US-Präsident Joe Biden hat eine höchst umstrittene Anordnung von Donald Trump rückgängig gemacht: Den Ausschluss von transsexuellen Menschen aus dem Militär. Damit setzt er ein Zeichen gegen Diskriminierung und steuert einen Teil für die Menschenrechte von Transsexuellen bei. Wie sieht es im Vergleich eigentlich in Deutschland aus? Eine Analyse.

Gleich am Anfang seiner Präsidentschaft nahm Joe Biden einige Anordnungen seines Vorgängers zurück. Am Montag unterzeichnete er die Entscheidung, den Militärbann auf Trans* Menschen aufzuheben, nachdem Donald Trump diesen 2019 wieder eingeführt hatte. Die Thematik hat in den USA eine lange Geschichte.

19601980Obamas Präsidentschaft (bis 2016)Trumps Präsidentschaft (2017-2020)Bidens Präsidentschaft (seit 2021)
Die Executive Order 10450 versuchte erstmals offiziell, Transsexuelle vom Militär zu verbannen. Drei Jahre später wurde dies durch die Army Regulation 40-501 durchgesetzt.
Das Militär setzte medizinische Regulationen ein; Hormontherapie und geschlechteranpassende Maßnahmen wurden nicht unterstützt, ebenso psychologische Beratung. Menschen, die solche Therapiemöglichkeiten durchführten, wurden vom Militär entlassen.
2014 wurde ein Bericht veröffentlicht, der nachwies, dass es keine medizinischen Gründe für einen Bann für Transsexuelle im Militär geben sollte. Im Juni 2016 wurde der Bann mit der Directive-Type Memo 16-005 (DTM 16-005) effektiv aufgehoben.
Im Juli 2017 verkündigte Ex-Präsident Donald Trump auf Twitter, dass er den Bann wieder einführen würde.  Einen Monat später wurde das Presidential Memorandum on Military Service by Transgender Individuals veröffentlich, die Gerichte verschoben allerdings das in Kraft treten. Im Januar 2019 wurde der Bann nach wiederholter Anfrage aktiv als Directive-type Memorandum-19-004. Dieser sollte im März 2020 ablaufen, wurde jedoch verlängert und erneuert als DoD Instruction 1300.28.
Joe Biden kündigte häufig an, den Bann auf Transexuelle aufzuheben. Am 25. Januar 2021 unterzeichnete Biden nun die Anordnung, dass der Bann aufgehoben wird.

In Deutschland dürfen Trans* Menschen dem Militär angehören. Auch sonst gibt es zwischen beiden Staaten einige Unterschiede in der rechtlichen Lage von Transsexuellen.

Grundlagen

In den USA gibt es keine landesweite gesetzliche Grundlage zum Schutz von Transsexuellen. Auch in den einzelnen Staaten  gibt es nur wenige schützende Rechtsgrundlagen. Nicht alle Staaten schützen beispielsweise vor Diskriminierung in Wohnangelegenheiten oder Arbeitsverhältnissen. Nur 22 und damit weniger als die Hälfte der Staaten verboten 2018 der Human Rights Campaign zufolge Diskriminierung aufgrund von Geschlechteridentität grundsätzlich.

Darüber hinaus hätten lediglich 20 Staaten und einige Gemeinden die Konversionstherapie, umstrittene Methoden zur Therapie homosexueller und geschlechtlicher Neigungen, bei Minderjährigen abgeschafft. Auch ein großes Problem sind die sogenannten Bathroom Bills. Dieser beschränken den Zugang zu öffentlichen Toiletten für Trans* Menschen mit der Begründung, man solle sich dem biologischem Geschlecht anpassen.

In Deutschland hingegen ist seit 1981 das sogenannte Transsexuellengesetz gültig, kurz TSG. In diesem Gesetz wird die “kleine” und “große Lösung” definiert, welche eine Namens- und Geschlechtsänderung oder beides im Geburtsregister beinhalten. Die Abgrenzung regelt das Personenstandsgesetz, was seit 2018 auch die Möglichkeit zu einer geschlechter-nicht-konformen Option gibt.

Kritisiert werden beispielsweise das medizinische Begutachtungsverfahren und das gerichtliche statt behördliche Verfahren, das deutlich weniger zeitaufwändig wäre. Zudem liegt dem Bundestag seit 2017 ein Entwurf vor, das Transsexuellenschutzgesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen.

Auf Europa-Ebene sichert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Rechte zur Anerkennung von Geschlechtsidentität und Ehen. Auch der Europäische Gerichtshof entschied schon in den 1990er-Jahren, dass wegen Geschlechtszugehörigkeit niemandem gekündigt werden darf. 2015 wurde im Europarat eine Resolution veröffentlicht, die besagt, dass Diskriminierung verhindert werden und der Geschlechtseintrag “einfach, transparent und zugänglich” gemacht werden soll.

Namensänderung

USA: Die Gesetze sind unterschiedlich von Staat zu Staat. Einige erlauben eine einfache Namensänderung, andere hingegen fordern ein gerichtliches Verfahren. Einige Gerichte verlangen medizinische und psychologische Berichte, welche eine Namensänderungen rechtfertigen sollen. Das gilt nur bei geschlechtergebundenen Änderungen. Auch kann eine Veröffentlichung der Änderung in Zeitungen angeordnet werden.

Deutschland: Laut §1 Abs.1 Nr.1-3 TSG kann eine Trans* Person ihren Namen ändern, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren nicht mehr dem bei Geburt eingetragenen Geschlecht angehörig fühlt. Auch eine Voraussetzung ist, dass die Annahme besteht, dass sich das Geschlecht in Zukunft nicht ändern wird.

Geschlechtszuordnung

USA: Die meisten Staaten gestatten eine Änderung des Geschlechts auf der Geburtsurkunde, manche verlangen medizinischen Beweis für eine geschlechtsanpassende Operation. Tennessee erlaubt beispielsweise eine Änderung des eingetragenen Geschlechtes unter keinen Umständen. Für Führerscheine ist die Änderung meistens einfacher durchzusetzen. Häufig werden geschlechtsanpassende Eingriffe als Voraussetzung für eine legale Änderung der Geschlechtsidentität verlangt. Doch nicht jeder transsexuelle Mensch benötigt für eine Zuordnung eine körperliche Anpassung oder möchte die Fähigkeit zum Reproduzieren aufgeben.

Deutschland: Hier gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei der legalen Namensänderung.

Eltern-Kind-Verhältnis

USA: Da es keine Rechtsgrundlage gibt, ist die Entscheidung in jedem Fall individuell. So machen manche Gerichte die Entscheidungen über das Sorgerecht oder Adoptionen unabhängig davon, ob Elternteile transsexuell sind. Andere sehen das als negativen Faktor, der sie als Eltern unpassend macht. So gibt es einige Fälle, in denen Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder verloren haben aufgrund ihrer Geschlechtsidentität.

Deutschland: In dem Fall, dass nur eine Namensänderung vorgenommen wurde, wird diese nach der Geburt eines Kindes, was nach der Änderung gezeugt wurde, ungültig. Die Änderung kann aber wieder beantragt werden. Bei einer Änderung der Geschlechtszugehörigkeit wird das Geschlecht der Elternteile so vermerkt, wie es vor der Entscheidung nach TSG war.  Bei einer Adoption gilt immer die aktuelle Geschlechtsidentität und der Name.

Gesundheitssystem

USA: Die zwei größten Probleme in den USA sind die Diskriminierung von Trans* Menschen im Gesundheitssystem, bei medizinischen Behandlungen und beim Zugang zu geschlechtsanpassenden Maßnahmen. Alleine sieben Staaten ziehen in Betracht, Health Care im Zusammenhang mit Geschlechtsidentität für Minderjährige zu verbieten und unzugänglich zu machen. Häufig werden Hormontherapie und operative Eingriffe als kosmetisch und nicht notwendig eingestuft, weswegen private und nicht-private Versicherungen meist eine finanzielle Beteiligung ablehnen.

Der Patient Protection and Affordable Care Act (PPACA), besser bekannt unter Obamacare von 2010, verbietet offiziell Diskriminierung wegen Geschlechtsidentität. Im Juni 2020 kippte Donald Trump diese Regelung.

Patient Protection and Affordable Care Act
Das PPACA ist ein US-Bundesgsetz, was 2010 in der zweiten Amtszeit von Obama eingeführt wurde und den Zugang zu Krankenversicherungen erleichtern sollte. Sie ist besser bekannt als Obamacare. Die Republikanische Partei versuchte Obamacare immer wieder aufzuheben – die Versuche scheiterten jedoch.

Deutschland: In den 1950er-Jahren verfestigte sich die Idee, dass Transsexualität eine psychische Erkrankung sei. Dementsprechend wurde sie in internationalen Klassifikationen der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme als “Störung der Geschlechtsidentität” eingestuft. 2012 beantragte das Europaparlament die Streichung aus der Liste der psychischen und Verhaltensstörungen. 2018 wurde Transsexualität aus dem Katalog der Erkrankungen gestrichen. Geschlechtsangleichende Maßnahmen sollen seit 1987 in Deutschland kassenpflichtig sein. Allerdings werden Kosten nur in medizinischer Notwendigkeit übernommen. Dabei orientieren sich Krankenkassen an einer Begutachtungsanleitung. Diese formuliert die Voraussetzungen, unter denen für geschlechtsmodifizierende bzw. -angleichende Behandlungen bezahlt werden muss.

Fazit

Im Vergleich schneidet Deutschland beim Thema Rechtsschutz für Transsexuelle weitgehend besser ab als die Vereinigten Staaten. Dennoch gibt es in den USA und Deutschland Aspekte, die Verbesserung benötigen. Wichtig wäre in den Vereinigten Staaten ein landesweites Schutzgesetz und allgemein bessere Rechte für die LGBTQ+ Community – nicht nur gruppenausschließende Klauseln und Vorschriften.

Gesetze wachsen mit der Zeit und benötigen Reformen und Verbesserungen. So ist es auch im Fall Deutschland. Ein großer Punkt ist und bleibt das zweigeschlechtliche Denken. Geschlechter sind Spektren und nicht unbedingt zwei unterschiedliche Schubladen, in die jeder passen soll und muss.

Beitragsbild: unsplash.com/Türkiye LGBTİ Birliği

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