Selbstbestimmungsrecht für Frauen – auch bei Sterilisationen

Wenn junge Frauen in Deutschland entscheiden, sich sterilisieren zu lassen, müssen sie sich auf einen jahrelangen Kampf einstellen. Denn kaum Mediziner*innen führen den Eingriff bei ihnen durch. Dabei wird Frauen ihr Recht auf Selbstbestimmung genommen, findet unsere Autorin.

Fünf Prozent der deutschen Bevölkerung – etwas mehr als drei Millionen Menschen. So viele Männer und Frauen waren in Deutschland 2018 sterilisiert. Die Zahl würde deutlich höher liegen, wenn es Frauen nicht so schwer gemacht würde, den Eingriff durchführen zu lassen.

Denn viele Ärzt*innen in Deutschland sterilisieren Frauen erst, wenn diese mindestens 35 sind oder schon zwei Kinder haben. Einen medizinischen oder rechtlichen Grund gibt es dafür nicht, denn per Gesetz kann sich jede Frau ab 18 sterilisieren lassen. Klingt logisch, denn ab 18 kann ja auch jede*r Verträge unterschreiben, ohne Begleitung Auto fahren und heiraten. Trotzdem laufen Frauen oft jahrelang von Arzt zu Ärztin, um jemanden zu finden, der*die sie sterilisiert. Abgewiesen werden sie mit den unterschiedlichsten Argumenten.

Das große Bullshit-Bingo der Sterilisation

Ein Punkt, der oft angesprochen wird, ist der Kinderwunsch eines jetzigen oder zukünftigen (männlichen) Partners der Frau. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern ein Partner überhaupt über den Kinderwunsch einer Frau entscheiden kann. Wenn eine Frau sich entschließt, keine Kinder zu wollen, hat das nichts mit ihrem Partner zu tun. Das Streitthema Kinder ist keins, bei dem man sich mal eben in der Mitte trifft. Ein Kind ist kein Kompromiss. Wieso sollte ein Partner also mehr Rechte am Körper einer Frau haben als sie selbst?

Was viele nicht wissen: Sterilisiert zu sein heißt nicht, nie Kinder zu haben. Bei einer Sterilisation werden meist die Eileiter durchtrennt, verödet oder entfernt. Der Eingriff beeinflusst weder den weibliche Zyklus noch sorgt er für einen verfrühten Beginn der Menopause. Außerdem kann er mit einer OP rückgängig gemacht werden. Angaben zur Erfolgsquote schwanken von 25 bis 80 Prozent, denn die hängt von unterschiedlichsten Faktoren ab. Beispielsweise davon, wie sauber die Eileiter bei der Sterilisation durchtrennt wurden.

Wenn Eierstöcke und Gebärmutter nicht entfernt werden, können Frauen sich auch nach einer Sterilisation noch künstlich befruchten lassen. Und auch eine Adoption ist ein Weg, doch noch Mutter zu werden. Nach Angaben von ProFamilia bereuen Frauen in zwei bis dreizehn Prozent der Fälle eine Sterilisation. Nicht selten sind das aber Frauen, die bei ihrer Sterilisation bereits Kinder hatten. Frauen, die wissen, dass sie keine Kinder bekommen wollen und sich deswegen sterilisieren lassen, scheinen sich in ihrer Entscheidung also sehr sicher zu sein.

Und die Zahl an kinderlosen Frauen steigt. Waren 2008 noch 17 Prozent der 45- bis 49-jährigen Frauen in Deutschland kinderlos, so sind es 2018 schon 21 Prozent. Manche Frauen möchten einfach keine Kinder haben. Und niemand hat das Recht, sie trotzdem in die Mutterrolle zu drängen. Natürlich könnten sterilisierte Frauen den Eingriff später bereuen. Sie können es aber genauso bereuen, Kinder bekommen zu haben. Beides ist allein ihre Entscheidung und niemand – auch kein*e Mediziner*in – kann und sollte ihnen diese abnehmen.

Natürlich haben Ärzt*innen die Verantwortung, Patientinnen aufzuklären. Ich fordere nicht, jede Frau an ihrem 18. Geburtstag zu sterilisieren, dafür sind solche Fälle zu individuell. Gerade passiert allerdings das Gegenteil: Die Fälle werden pauschalisiert. Die Frauen sind zu jung, zu single, zu unsicher. Sie werden abgelehnt. Also erzählen Frauen ihre Geschichte jedes Mal aufs Neue, wenn sie eine Praxis aufsuchen. Und jedes Mal machen sie sich verwundbar, nur um wieder nicht ernst genommen zu werden. Wie viele geben auf diesem Weg irgendwann auf?

Eine Frau allein nach ihrer Gebärfähigkeit zu bewerten, ist sexistisch. Genauso sexistisch ist es, ihr eine Sterilisation zu verweigern, einfach weil sie fruchtbar ist. Vielleicht sollten Mediziner*innen also damit anfangen, ihr Frauenbild zu hinterfragen und auch jungen Frauen die Selbstbestimmung zusprechen, die ihnen zusteht.

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Beitragsbild: Lea Hollender

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