Superfoods statt regional: Was steckt hinter dem Hype?

In der Instagram-Story gibt es morgens grünen Smoothie. Rezept nach Augenmaß: exotisch, teuer und gehyped muss es sein. Daneben wirken regionale Produkte wie Blumenkohl, Hafer und Möhren wie Produkte zweiter Klasse. Was steckt hinter dem Essenstrend „Superfood“?

Der Begriff Superfood ist rechtlich nicht geschützt. Meist handelt es sich um pflanzliche Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Nährstoffen, besonders an Antioxidantien. Also entgiftende Stoffe, die den Körper reinigen sollen. Klassische Superfoods sind Avocados, Chia-Samen, Quinoa oder Goji-Beeren. Alle eint, dass sie lange Lieferwege haben und vergleichsweise teuer, aber nährstoffreich sind. 70 Prozent der Deutschen ist der Begriff „Superfood“ bekannt und 33 Prozent konsumieren die Lebensmittel mindestens einmal in der Woche. Der Umsatz der klassischen Superfoods steigt immer weiter: Laut Marktforschungsunternehmen imarc liegt der Wert des weltweiten Superfood-Markts aktuell bei circa 152 Milliarden Euro und soll bis 2028 weiter auf rund 211 Milliarden Euro steigen.

Regionale Superfoods als Alternative

Tatsächlich haben viele Superfoods einen hohen Nährstoffgehalt. „Bei Superfoods handelt es sich aber viel mehr um einen Marketingbegriff. Eigentlich ist jedes Lebensmittel schon eine Art Superfood, weil alle Lebensmittel für irgendetwas besonders super sind“, so Ernährungswissenschaftlerin Johanna Feichtinger. Sie verweist auf die regionalen Alternativen:

„Bei uns gibt es tolle Lebensmittel, die im Gegensatz nicht von weit herkommen, hoch verarbeitet und eingefroren werden müssen.“

Ernährungswissenschaftlerin Johanna Feichtinger. Foto: privat

Gesunde Ernährung sollte frisch, naturbelassen und jahreszeitengetreu sein. Hafer, Leinsamen, Spinat, Äpfel oder rote Trauben seien nur eine kleine Auswahl an regionalen Superfoods, die Feichtinger selbst zu sich nimmt.

Wie Superfoods genau wirken, ist bislang nicht ausreichend erforscht und die gesundheitlichen Folgen können noch nicht genau bewertet werden, so das Bundeszentrum für Ernährung. Es beschreibt Superfoods vor allem als Trend, das deshalb nachgekauft werden. Eine Forschung der Hochschule Düsseldorf hat ergeben, dass Motive für den Konsum von Superfood neben sozialen Aspekten eine Verbesserung der Lebensqualität, des Selbstbewusstseins und der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung sind. Superfoods seien verheißungsvoll und werden als Wundermittel vermarktet.

Auswirkungen von Superfoods auf die regionale Landwirtschaft

Die Landwirt*innen kritisieren den Trend. Johann Meierhöfer vom deutschen Bauernverband unterstreicht: „Uns machen Superfood-Trends natürlich Sorgen, speziell wenn es sich dabei um exotische Produkte handelt. Überall ist die Rede von Regionalität und Nachhaltigkeit. Mit neuen Trends ist das plötzlich nicht mehr gewünscht und die Produkte des Bauern um die Ecke werden nicht mehr konsumiert.“

Johann Meierhöfer ist Fachsbereichsleiter für Pflanzliche Erzeugung beim deutschen Bauernverband. Foto: MIKA-fotografie

Außerdem stelle er einen gesellschaftlichen Widerspruch fest. Zum einen wünschen sich immer mehr Menschen Nachhaltigkeit und Klimaschutz von der Politik, zum anderen konsumieren viele trotzdem die umweltschädlichen Hype-Produkte. Tatsächlich sei das Umweltbewusstsein im Jahr 2020 so hoch wie zuletzt in den 80er Jahren, so das Umweltbundesamt.

Johann Meierhöfer wünscht sich ein höheres Bewusstsein der Konsument*innen und der Öffentlichkeit. Superfoods finde er oft überhyped, nicht gut für die lokalen Märkte und die Natur, und nicht förderlich für die Diskussion um gesunde Ernährung. „Doch natürlich braucht auch der deutsche Nahrungsmittelmarkt Importe aus dem Ausland.

„Es ist nicht möglich, dass wir uns mit allen Produkten zu 100 Prozent selbst versorgen. Und auch die kühle Lagerung von Lebensmitteln, die nicht ganzjährig wachsen, verbraucht Energie und hat Umweltwirkungen“, räumt Meierhöfer ein. Aber bei den Importen sollte der Fokus auf den tatsächlich benötigten Nahrungsmitteln aus dem Ausland liegen, nicht aber auf Essen nach Trend, das die Natur am Produktionsstandort überlastet.

Superfoods können „natürliches“ Marketing

Die regionale Landwirtschaft wird in Trends oft vergessen. Foto: pexels.com/mark-stebnicki

Am Ende scheint es beim Superfood-Trend nicht um streng geplantes Marketing zu gehen, sondern eher um einen sich selbst verstärkenden Prozess. Influencer*innen und Stars promoten exotisches Essen, da es bunt, exklusiv und neu aussieht. Würde man den Apfel anders züchten und ihn unter einem neuen, spannenden Namen vermarkten, wäre er genauso schnell das neue Superfood, vermutet Meierhöfer. Hinzu komme jedoch auch, dass die regionale Landwirtschaft im Vergleich zu den großen Hersteller*innen nur wenig Geld für das Marketing vieler klassischer Produkte ausgeben kann. Und so könnten klassische und regionale Produkte nur zurück in die Trend-Ernährung, wenn die Gesellschaft sich der Problematik bewusst wird oder wenn es eine zufällige Wendung in den Ernährungstrend gebe.

Superfoods belasten durch ihre Transportwege die Umwelt und sind zuletzt auch nicht gesünder als regionale Produkte. Wie die regionale Landwirtschaft den heimischen Apfel, Hafer und Sauerkraut aber wieder mehr in den gesunden Ernährungsplan der Deutschen bekommen will, steht noch aus. Dass die regionalen Produkte genauso „super“ sind, das steht für Ernährungswissenschaftlerin Feichtinger und den Bauernverband auch heute schon fest.

 

Beitragsbild: pexels.com/los-muertos-crew

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