Mobilität im Wandel: Wie Müll den Treibstoff für Linienbusse liefert

Um die Klimaziele zu erreichen, muss vor allem im deutschen Verkehrssektor noch viel passieren. Während die Politik nach wie vor mit Planen beschäftigt ist, fahren in Wuppertal bereits erste Wasserstoffbusse.

Müll als Treibstoff – was utopisch klingt, ist in Wuppertal bereits Realität. Unter dem Motto „Müll macht mobil“ sind dort seit Mitte 2020 Wasserstoffbusse für den öffentlichen Nahverkehr im Einsatz. Möglich machen das die Wuppertaler Stadtwerke mit ihrem Vorreiterprojekt „H2W – Wasserstoff für Wuppertal“.

Andreas Meyer, Leiter des Projekts, erklärt, wie das Ganze funktioniert: „Wir verbrennen 450.000 Tonnen Müll aus Wuppertal und Umgebung. Bei dieser Verbrennung wird Energie erzeugt, die dann in einen Elektrolyseur gegeben wird.“ Mithilfe der Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. „Am Ende des Prozesses kommt der Müll, den wir vorne reingeben, hinten als Wasserstoff wieder raus und treibt Fahrzeuge an.”

Wasserstoff als Energieträger
Wasserstoff ist genau genommen kein Kraftstoff, sondern nur ein Energiespeicher. Mithilfe der Elektrolyse wird Wasser (H2O) in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) gespalten. Die im Wasserstoff gespeicherte Energie kann dann später die Wasserstoffbusse, also die Brennstoffzellenbusse, antreiben.

Damit Wasserstoff aus Müllverbrennungsanlagen als grün gilt, muss der Anteil biogener Abfälle, wie Holz oder Biomüll, rund 50 Prozent betragen. In Wuppertal sind es 52 Prozent. Busse, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden, gelten als klimaneutral und leisten einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende und dem Erreichen der Klimaziele.

Aller Anfang ist schwer

Bei der Frage nach Herausforderungen lacht Andreas Meyer. „Da könnte ich jetzt viel drüber erzählen”, sagt er. Zunächst habe er alle Verantwortlichen überzeugen müssen, damit er den Freiraum bekam, solch ein Projekt zu betreiben. „Das war ein großer Vertrauensbeweis.“ Bei der Umsetzung gelte es dann, flexibel zu bleiben und Probleme Schritt für Schritt zu lösen. Und vor allem: geduldig sein. „Bis heute sind immer noch Probleme da, weil wir wirklich Neuland betreten haben”, so Meyer.

Einer der Wasserstoffbusse im Einsatz. Foto: WSW

Die Technik ist dabei das kleinste Problem. Die weit größere Herausforderung seien die Mitarbeitenden, die mit enorm veränderten Arbeitsanforderungen konfrontiert werden. „Früher wurde der Bus vollgetankt, dann fuhr der“, erklärt Andreas Meyer. „Heute müssen die Mitarbeitenden selbst entscheiden, wie viel Wasserstoff produziert wird und daraus ableiten, wie lange der Brennstoffzellenbus eingesetzt wird, oder ob es günstiger wäre, stattdessen einen der Dieselbusse einzusetzen”, sagt Meyer.

Brennstoffzellenbusse
Brennstoffzellenbusse verfügen ebenso wie batteriebetriebene elektrische Busse über einen elektrischen Antrieb. Während der Fahrt werden in der Brennstoffzelle Wasserstoff (aus dem Speichertank im Fahrzeug) und Sauerstoff (aus der Umgebungsluft) zusammengeführt. Die beiden Stoffe reagieren miteinander und erzeugen so chemische Energie. Die Brennstoffzelle wandelt diese Energie in elektrische Energie um, mit der schließlich die Elektromotoren der Busse angetrieben werden.

Wasserstoffbusse für alle?

Nun liegt die Frage nahe, ob sich das Wuppertaler Projekt auch anderswo umsetzen lässt. Müll gibt es überall, mehr als genug. Fahren also bald deutschlandweit Wasserstoffbusse durch die Gegend, deren Antriebsenergie durch Müllverbrennung erzeugt wird?

„Sicherlich lässt sich ein solches Projekt auch replizieren”, meint Prof. Dr. Mark Jentsch von der Bauhaus-Universität Weimar.  „Allerdings kommt es am Ende auf den Preis an, zu dem sich der Wasserstoff erzeugen lässt.” Hintergrund: Wasserstoffprojekte sind aktuell noch sehr teuer, weil die notwendigen Komponenten nur in sehr kleinen Stückzahlen produziert werden. Das Wuppertaler Projekt wurde mit Fördermitteln finanziert. „Ohne die wäre es überhaupt nicht möglich gewesen”, erklärt Andreas Meyer. Wenn es in den nächsten Jahren nicht gelinge, die Preise für Elektrolyseure, Wasserstoffbusse und Wasserstofftankstellen massiv zu senken, werden die Wuppertaler auch weiterhin auf Förderung angewiesen sein.

Worauf es wirklich ankommt

Wie lange es dauert, bis Wasserstoff im Mobilitätssektor auch in der Breite angewendet werden kann? Professor Jentsch glaubt, wenn die Bundesregierung die selbstgesetzten Klimaziele ernst nimmt, könnte es schneller gehen, als gedacht. Denn gerade der Verkehrssektor hängt in Sachen Klimaschutz seit Jahren hinter. „Um die CO2-Emissionen ernsthaft zu verringern, muss also ordentlich was passieren. Je mehr passiert, desto günstiger werden Wasserstoffanwendungen”, meint Professor Jentsch.

Am Ende kommt es aber vor allem auf eins an: motivierte Pioniere wie Andreas Meyer und sein Team. „Am wichtigsten sind Protagonisten, die etwas umsetzen wollen, dranbleiben und einfach machen”, resümiert Professor Jentsch.

Und welches Fazit zieht Andreas Meyer selbst nach zweieinhalb Jahren Betrieb? Für die Wuppertaler Stadtwerke habe sich das Projekt allein schon aus Marketing-Gründen gelohnt. Besucher*innen aus aller Welt seien in den letzten Jahren nach Wuppertal gekommen, um sich das Konzept vor Ort anzuschauen. Es sei nichtsdestotrotz ein sehr herausforderndes Projekt. Für Replikationen an anderen Orten sei daher das wichtigste, ein Team zu finden, das an einem solchen Projekt Spaß hat. „Dann wird es zum Erfolg”, ist sich Andreas Meyer sicher.

 

Beitragsbild: WSW

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