Alles nur geklaut? Wenn Fashion-Unternehmen von Designer*innen stehlen

Schon als Kind hat Rebecca genäht und hin und wieder Handgemachtes auf Ebay verkauft. Mittlerweile verkauft die Studentin aus Kassel über ihren Onlineshop einzigartige Kleidung, Schmuck und Taschen. Gefallen an ihrer Arbeit finden aber nicht nur ihre Kund*innen. 

Ein rosa glänzendes Korsett mit Blumenranken bedruckt. Ein Kleid in Seidenoptik mit violetten Farbverläufen und großen weißen Schleifen. Ein schwarzes Langarmshirt, verziert mit mystischen Tieren. Auf Rebeccas Website findet sich keine gewöhnliche Kleidung. Mit über 17.000 Followern auf Instagram scheinen die ausgefallenen Designs der 32-Jährigen gut anzukommen. Noch vor Kurzem trat die schwedische Sängerin Zara Larsson („Lush Life“) in einem ihrer Kleider auf. Interesse an Rebeccas Designs haben jedoch nicht nur ihre Käufer*innen. Immer wieder entdeckt Rebecca ihre Designs auf Modewebsites, die dort wohl günstig angeboten werden können, weil der Herstellungsprozess ein anderer ist. Ein Unternehmen schaltete mehrmals Werbung auf Instagram, die Rebeccas eigene Produktfotos zeigte.

Hinter Rebeccas Kleidungsstücken steckt eine Menge (Hand-)Arbeit: Nach der ursprünglichen Idee wählt sie zunächst passende Stoffe aus. Anschließend näht sie nach ihren eigenen Schnittmustern; oft bedruckt sie das Fabrikat zusätzlich mit aufwendigen Motiven. Zum Schluss erstellt sie Produktfotos für ihre Website und Instagram-Seite. Es entstehen handgemachte Einzelteile, die vermehrt aus Second-Hand-Stoffen fabriziert werden. Manchmal produziert Rebecca kleine Serien mit zwei bis zehn Teilen. Die Studentin erstellt etwa 10 bis 15 Teile im Monat. „Die Nachfrage ist auf jeden Fall viel höher, als ich Sachen einstellen kann“, sagt Rebecca. „Es geht mir auch nicht darum, dass Leute meine Kleidung konsumieren, sondern eher genießen und lange etwas davon haben.“

Massenkonsum vs. Nachhaltigkeit

Rebecca arbeitet nur dann an neuer Kleidung, wenn sie schöne Ideen oder Stoffe hat. Sie versuche ihr Bestes, um gegen die Verschwendung in der Mode vorzugehen. „Den Massenkonsum von billig und unethisch hergestellter Kleidung mit meinen Designs auch noch weiter zu fördern, ist einfach absurd“, sagt Rebecca. 2019 fing sie an, ihren handgemachten Schmuck, die Kleider, Hosen, Röcke und Korsetts via Instagram zu verkaufen. Mittlerweile verkauft sie ihre Artikel auch über ihre Website und andere ausgewählte Stores. Ein Kleid findet sich dort für 175 Euro. Ein Langarmshirt für 160 Euro. Preise, die sich an der aufwendigen und nachhaltigen Produktion orientieren. Gegen das Kopieren ihrer Designs auf günstige Stoffe und den Missbrauch ihrer Produktfotos fühlt sich Rebecca machtlos, sagt sie.

Das Top verkauft Rebecca als Set für ca. 95 Euro.  Mit Nutzung ihres Produktfotos wird angeblich das gleiche Top auf einer fremden Website (rechts) für €10,93 angeboten.

Bislang hat Rebecca lediglich selbst Initiative ergriffen, da sie nicht weiß, was sie anderes unternehmen kann. Sie schreibt den Stores und Shops, die sich ihrer Designs und Fotos bedienen über Instagram oder wendet sich an den entsprechenden Kundenservice. Sie bittet, ihre Designs und Fotos von ihren Websites zu nehmen. „Manche tun es. Witzigerweise, um dann ein paar Wochen später wieder Kopien auf ihren Websites zu verkaufen.“ Rechtlich gesehen wisse sie nicht, was sie weiter tun könne. Für Rebecca ist die Intention der Unternehmen klar: „Es geht darum etwas Virales, schnell zu vermarkten – real-time. Mikro Trends sofort auf den Markt zu bringen.“ Manche Shops würden sie einfach auf Instagram blockieren, wenn sie ihnen schreibt, dass sie das Design gestohlen hätten.

Das Recht am eigenen Design?

Dr. Benedikt Schneiders, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter der Ruhr-Universität Bochum für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht erklärt, dass Rebeccas Problematik keine Seltenheit ist: „Es geht überall um dasselbe Thema. Jemand hat etwas erfunden und das Recht sagt: Du hast jetzt zeitlich begrenzt, das ausschließliche Nutzungsrecht und wenn andere darin eingreifen, darfst du dagegen vorgehen.“

Laut Schneiders fällt Rebeccas Problem in den Bereich des geistigen Eigentums. Nach dem Eigentumsrecht darf man anderen verbieten, das eigene Werk zu verwerten. Das „geistige Eigentum“ ist nicht nur ein Oberbegriff. Mit diesem sind verschiedene Rechte verbunden. In Rebeccas Situation kommt hier zusätzlich das Urheberrecht zum Tragen. Gerade weil sich Rebeccas Kleidung stark von dem abhebt, was es schon gibt. Zudem kann die äußere Erscheinungsform eines Produktes auch als Marke schützbar sein. „Ansonsten haben wir es hier im Wesentlichen mit dem eingetragenen Design oder auch mit dem nicht-eingetragenen Design zu tun. Das ist ein eigenes Schutzrecht“, erklärt Schneiders. Es soll die äußere Erscheinungsform eines Produktes schützen.

Eingetragenes Design
Eingetragene Designs können von Unternehmen oder Privatpersonen angemeldet werden. Der Schutz entsteht durch Eintragung des Designs in das vom DPMA geführte Register und gilt im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die Schutzdauer eines eingetragenen Designs beträgt maximal 25 Jahre ab dem Anmeldetag.  Die Inhaber*innen eines eingetragenen Designs besitzen das ausschließliche Recht, das Design zu benutzen. Sie können Dritten verbieten, das Design bei der Herstellung, Veräußerung oder Ein- und Ausfuhr von Produkten zu verwenden. Das bedeutet: Designinhaber*innen können gegen jedes Design vorgehen, das beim informierten Benutzer*in keinen anderen Gesamteindruck als ihr eingetragenes Design erweckt.  Beim DPMA eingetragene Designs gelten ausschließlich für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Wenn ein Design in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in weiteren Ländern geschützt werden soll,  kann ein EU-weites Gemeinschaftsgeschmacksmuster angemeldet werden oder international registriert werden.

(Deutsches Patent- und Markenamt)

Der Weg zum Amt ist eine Möglichkeit für Rebecca, ihre Produkte und Marke zu schützen. „Dort kann sie Schutz beantragen, für ein eingetragenes Design oder für eine eingetragene Marke“, sagt Schneiders. „Die andere Variante ist, dass der Schutz aus sich heraus entsteht.“ Rebecca macht ihre Produkte im Internet zugänglich, dementsprechend können Personen aus der Modebranche diese sehen. Diese Personen gehören zu einem Fachkreis. Dadurch, dass sie das Modeprodukt zur Kenntnis nehmen können, entsteht ein nicht-eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster. So kann Rebeccas Design für drei Jahre nach der Veröffentlichung geschützt werden. „Hier reicht es zu zeigen, dass das Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt, an einem bestimmten Ort, zugänglich gemacht wurde“, erklärt Schneiders.

Bereits beim ersten Mal hätte Rebecca eine Abmahnung durch einen Anwalt schicken lassen können, so Schneiders. „Wenn sie etwas geschaffen hat, was Schutz verdient und dann in diesen Schutz eingegriffen wird, dann kann ich die Nachahmer abmahnen und mir die Kosten rausgeben lassen.“ Das habe Rebecca in Eigenregie bereits getan, in dem sie die Shops angeschrieben hat. Dafür bekäme sie aber keinen Kostenersatz. In dieser Thematik sei eines entscheidend, sagt Schneiders: Zeigen zu können, dass das, was man selbst entwickelt hat sich von dem abhebt, was es vorher gab.

Fehlende finanzielle Mittel

Im Folgenden könne Rebecca anwaltlich abmahnen lassen, dafür habe sie allerdings die Kosten zu tragen. „Die Größenordnung liegt hier bei 2000 Euro, es kann auch ein bisschen weniger sein. Das kommt darauf an, wie aufwendig das alles ist“, so Schneiders. Die Kosten würde man von der Gegenpartei einfordern. Ob diese die dann zahle, müsse man abwarten und dann könne Unterlassung und Schadenersatz verlangt werden. Wenn die Nachahmer*innen nicht reagieren, kann eine Unterlassungsklage eingereicht werden.

Rebecca erzählt, dass sie sich zurzeit keinen Rechtsbeistand leisten könne. Schneiders ist sich der finanziellen Lage vieler, vor allem junger Betroffenen, bewusst. Er weist darauf hin: „Wenn die Produkte auf Amazon angeboten werden oder auf ähnlichen Websites wie Alibaba oder Ebay, haben all diese größeren Internetseiten mittlerweile Möglichkeiten, dort auf Verletzungen hinzuweisen. Das führt dazu, dass die Gegenseite die Produkte aus dem Sortiment nehmen muss.“ Manchmal sei dies der bessere Weg, als zu klagen, weil es deutlich preiswerter sei. „Was man auf diesem Wege nicht bekommt, ist Schadenersatz“, merkt er an.

Hat die Gegenseite Kenntnis und mache trotzdem unverändert weiter, dann müsste man darüber nachdenken, ob es nicht eine vorsätzliche Verletzung geistigen Eigentums ist, zum Beispiel von Designrechten. „Dann hätte man noch eine strafrechtliche Komponente mit drin.“

Unternehmen können sich das leisten

Das Kopieren von Designs sei ein bekanntes Problem, sagt Schneiders. Andere Unternehmen würden dies gerade nicht tun, weil sie selbst darauf Wert legen würden, gutes Design herzustellen und das auch selbst zu schützen. Unternehmen, die so etwas machen, wie in Rebeccas Fall, würden natürlich davon profitieren, dass ihre Gegner nicht so wirtschaftlich aufgestellt seien, dass sie ein Gerichtsverfahren lostreten würden, sagt Schneiders. „Deswegen sitzen die auf einem ziemlich hohen Ross und wenn es mal dazu kommt, dass sie was zahlen müssen, dann können sie das einkalkulieren.“

Das Leiden der Kreativbranche

Die gesamte Kreativbranche leidet darunter, dass Ideen in identischer oder ähnlicher Form nachgeahmt und übernommen werden, sagt Benedikt Schneiders. „Sich dagegen zu wehren, um eben auch die eigene Tätigkeit zu kommerzialisieren, ist die Voraussetzung dafür, dass so eine Kreativwirtschaft überhaupt funktionieren kann.“

Den Diebstahl einfach so hinnehmen? Das möchte Rebecca nicht und hat dementsprechend ihre Arbeitsweise angepasst: „Ich habe dann wirklich angefangen noch mehr Details und komplizierte Arbeitsschritte einzubauen, noch hochwertigere Stoffe zu suchen und Stoff zu manipulieren, wie es meist nur liebevoll von Hand geht. Ich liebe es zwar auch ein schlichtes Top mit einem schönen Print zu machen, aber bewege mich jetzt langsam zu Designs, die vielschichtiger und damit schwerer zu stehlen sind.“

 

Beitragsbild: Willfried Wende/Pixabay

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