2021 hat die Stadt Dortmund das Konzept „Housing First“ beschlossen. Die Linksfraktion fordert seitdem einen Modellplan. Die Verwaltung ist dieser Aufforderung bisher jedoch noch nicht nachgekommen.
Seit Jahren ist das Wohnungslosenhilfsprogramm „Housing First“ Thema bei den Dortmunder Fraktionen und im Rat. Es soll wohnungslosen Menschen zuerst eine Wohnung und dann weitere Hilfsangebote bereitstellen. Der Dortmunder Rat hat das Projekt am 20. Mai 2021 genehmigt. Schon im damaligen Antrag hat er festgehalten, dass die Verwaltung dafür ein Konzept erarbeiten soll. Umgesetzt hat die Stadt den Beschluss bisher nicht, das Projekt steht seit zwei Jahren still. Utz Kowalewski, Vorsitzender der Fraktion Die Linke+, äußert sich dazu folgendermaßen: „Irgendwas müssen sie uns vorlegen. Wir haben das Ganze seit zweiJahren in der Pipeline.“
Ende März dieses Jahres hat die Linksfraktion die Dortmunder Verwaltung zu einem Modellplan für das Projekt aufgefordert. Neben Die Linke+ fordern das auch die CDU und die Grünen. Der Modellplan soll unter anderem beinhalten, dass die Stadt 20 Wohnungen für wohnungslose Menschen bereitstellt.
Konkret sollte die Verwaltung bis zur Ratssitzung am 11. Mai auf zwei Punkte eingehen. Zum einen fordern die Parteien, dass die Verwaltung möglichen Wohnraum für Wohnungslose bereitstellt. Zum anderen soll sie ergänzende Angebote im Bereich der Sozialarbeit schaffen, um die soziale Inklusion und die individuellen Lebensumstände der Wohnungslosen zu verbessern. Nach der Sitzung beschwerte sich Utz Kowalewski darüber, dass die Verwaltung der Forderung erneut nicht nachgekommen sei. „Warum die Verwaltung das nicht hinkriegt, weiß ich nicht. Ich vermute, sie will es nicht.“ Für andere Projekte im Bereich der Wohnungslosenhilfe sei die Verwaltung durchaus in der Lage, Wohnungen zu finden. Die Stadt Dortmund äußerte sich dazu auf unsere Nachfrage nicht.
Das Konzept “Housing First”
Der Ansatz „Housing First“ wurde in den 90er Jahren in den USA im Bereich der Wohnungslosenhilfe entwickelt. Er ermöglicht es wohnungslosen Menschen, fast bedingungslos eine Wohnung zu bekommen. Sie erhalten zunächst die Wohnung und dann andere Angebote wie zum Beispiel einen Drogenentzug. Damit unterscheidet sich das Konzept von anderen Programmen, bei denen Wohnungslose zum Beispiel erst drogen- oder alkoholabstinent sein oder sich zu einer Behandlung bereiterklären müssen, um eine Wohnung bekommen zu können.
Tim Sonnenberg ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Dortmund und forscht im Bereich der Obdach- und Wohnungslosigkeit. Er sieht bei solchen Bedingungen ein Problem. „Es ist hochgradig bevormundend, zu unterstellen, dass jemand, der zwei Jahre auf der Straße gelebt hat, wegen Alkohol- oder Drogenkonsum nicht wohnfähig ist.“ „Housing First“ sieht Wohnen als ein Menschenrecht an. Auch Utz Kowalewski ist dieser Meinung: „Wir glauben, dass jeder Mensch ein Recht auf Wohnen hat.“
Im Projekt „Housing First“ sehen sowohl Die Linke+ als auch Tim Sonnenberg Vorteile für die Wohnungslosen. Laut Sonnenberg haben wohnungslose Menschen oft mit Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen. Wohnungslosen Personen wird aufgrund von Diskriminierung oft ihre Wohnfähigkeit abgesprochen. In der Konsequenz müssen sie oft viele Stationen betreuten Wohnens durchlaufen, ohne dabei in eigenen Wohnraum zu kommen. Housing First dreht es um – erst der Wohnraum, dann die weitere Hilfe. Die Streetworker*innen würden den Vermieter*innen die Sicherheit geben, dass das Mietverhältnis ohne Probleme ablaufen wird. „Sie leihen den Wohnungslosen die eigene Respektabilität. Einer der wesentlichen Effekte ist, dass man Diskriminierung zwar nicht überwinden, aber für den Moment aushebeln kann.“
Folgen für die Dortmunder Verwaltung
Wenn die Verwaltung weiterhin kein Konzept für „Housing First“ vorlegen kann, möchte Die Linke+ den Druck erhöhen. „Irgendwann wird die Kommunalaufsicht angerufen. Dann darf die Stadtverwaltung sich gegenüber der Bezirksregierung rechtfertigen, warum sie den Beschluss bisher nicht umgesetzt hat. Und zwar nach wiederholter Aufforderung“, sagt Kowalewski. Dann sei die Verwaltung gezwungen, zu handeln. Auf Landesebene ist der Ansatz von „Housing First“ bereits im Koalitionsvertrag festgehalten. Dadurch ist Utz Kowalewski zuversichtlich. „Insofern müsste man da eigentlich offene Türen einrennen, aber das wird man dann sehen.“
Beitragsbild: KI-generiert, keine echte Abbildung, erzeugt mit der Software Midjourney