Wer eine Glutenunverträglichkeit hat, muss manche Lebensmittel strikt vermeiden. Für Studierende kann das im Uni-Alltag schwierig werden. Was tun die Universitäten im Ruhrgebiet für die Teilhabe der Studierenden? Drei Betroffene erzählen.
Gian-Luca Boller, 26 Jahre alt, studiert an der Universität Duisburg-Essen:
Bei mir äußert sich die Zöliakie durch große Einschränkungen im Alltag, wenn es darum geht, spontan etwas zu essen. Diätfehler wirken sich direkt auf mein Wohlbefinden aus.
Die universitären Umstände sind okay. Prinzipiell möchte ich mich nicht beschweren, da ich immer etwas zu essen in der Mensa finde. Es gibt zwar nicht immer ein glutenfreies Hauptgericht, aber ich kann so gut wie immer Beilagen essen und satt werden. Natürlich war das zu Beginn etwas frustrierend, aber daran gewöhnt man sich. Die Allergene werden angegeben und ich vertraue auf eine transparente und gewissenhafte Angabe. Ein glutenfreies Angebot gibt es aber nicht.
Dabei gibt es einige glutenfreie Alternativen. Mensen müssten nicht einmal auf überteuerte Alternativprodukte zurückgreifen, da ohnehin viele Gerichte völlig ohne Gluten auskommen. Das Wichtigste: Anstatt Mehl oder Soßenbinder, der mit Weizen gestreckt ist, könnten sie einfach und preiswert Mais- oder Speisestärke verwenden. Dieser Aufwand wäre organisatorisch tragbar. Dann könnten alle zusammen essen.
Ein großes Problem stellt die Kreuzkontamination dar, die auch bei glutenfreien Beilagen nie ganz verhindert werden kann. Zudem sind glutenfreie Alternativen immer teurer. Sie sind zu wenig sichtbar und oft gibt es die unglückliche Auffassung, dass glutenfreie Ernährung nur ein „Trend“ sei.
Ich würde mir mehr Sichtbarkeit wünschen und dass die Gesellschaft Zöliakie zumindest ein bisschen ernster nimmt. Es handelt sich zwar nicht um eine tödliche Krankheit, aber es betrifft viel Essentielles wie die Nahrungsaufnahme und alle sozialen Aspekte, die damit einhergehen. Trotz der Schwierigkeiten sind wir aber auf einem guten Weg.
Sofie Richter, 22 Jahre alt, studiert an der TU Dortmund:
Die universitären Umstände sind nicht besonders Zöliakie-freundlich. Zu Beginn meines Studiums habe ich noch ab und zu versucht, mit meinen Freund*innen in der Mensa zu essen, bin damit allerdings immer auf die Nase geflogen. Natürlich kommt es auf die Mensa und die Gegebenheiten an. An der TU Dortmund kann ich weder in der Mensa noch in der Galerie oder in der Food Fakultät irgendetwas essen. Dafür muss noch einiges geändert werden.
Häufig gibt es zwar glutenfreies Angebot: Kartoffeln, Gemüse, Salat. Hier geht es weniger um die Grundlebensmittel als um die Kontaminationsgefahr: Es darf kein glutenfreies Lebensmittel mit glutenhaltigem in Berührung kommen. Vielleicht lag der Löffel für den Salat kurz im Couscous oder die Mitarbeitenden übersehen ein wenig Soße am Löffel, wenn sie die Kartoffeln auf den Teller legen. Da müsste man sichergehen, dass alles korrekt ist und vielleicht eine*n Expert*in heranholen, um das Personal zu schulen.
Die Universitäten tun aktiv nichts. Ich habe sehr oft nachgefragt. Viele wissen gar nicht, was bestimmte Allergene bedeuten. Zum Beispiel stand beim Gemüse auf einem Schild, dass Gluten enthalten ist. Ich habe jemanden vom Personal gefragt, der meinte: „Oh, das muss glaube ich falsch sein” und hat es einfach weggewischt. Gegessen habe ich das Essen nicht – woher weiß ich denn, ob es stimmt? Und was, wenn andere Schilder auch falsch geschrieben wurden? Verständnis ist selten da. Viele denken, das sei einfach eine Allergie, so schlimm könne das nicht sein.
Ich würde mir mehr Verständnis, mehr Aufklärung und vor allem mehr Bewusstsein für „unsichtbare Krankheiten“ wünschen. Ich möchte ernstgenommen werden, wenn ich sage: „Ich habe Zöliakie und kann deswegen kein Gluten oder Spuren von Gluten essen, haben Sie etwas?“ Ich will nicht erst meine gesamte Leidensgeschichte erzählen müssen, damit man mir glaubt.
Besonders an glutenfreie Nudeln kommt man sehr leicht und durch Angebot und Nachfrage gibt es immer günstigere Marken. Auch glutenfreie Bäckereien liefern gerne ihre Produkte aus. Lebensmittel, die von Natur aus glutenfrei sind, gehen auch.
Das Wichtige ist einfach, dass es richtig und sorgfältig zubereitet und ausgeschenkt wird. Das heißt, in einem separaten Teil der Küche, mit eigenen Küchenutensilien. Dann kann ich mich sicher fühlen. Eigene Schneidebrettchen, Messer, Pfannen, Töpfe, all das gehört dazu – das ist möglich, mit mehr Hygiene und Organisation. Es müsste auch einen Ofen oder Geräte zum Warmhalten der Speisen spezifisch für glutenfreie Gerichte geben, oder alles müsste immer abgedeckt und verschlossen sein. Das Personal müsste zum Beispiel die Handschuhe vorher wechseln.
Sonst gäbe es die Möglichkeit, Speisen extern bei Lieferanten zu bestellen, die auf Zöliakie-freundliche Kost spezialisiert sind. Diese müssten dann vielleicht noch in der Mensa erwärmt werden. Wenn die Speisen verpackt sind, ist alles gut.
Meiner Meinung nach wirkt der Aufwand auf den ersten Blick mehr, als es eigentlich ist. Solange man sorgfältig und sauber arbeitet und sich an die Regeln hält, ist es machbar. Es gibt genug Zöliakie-freundliche Restaurants und einige Catering-Unternehmen, die es schaffen – warum sollte dies also nicht in der Mensa möglich sein? Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man mit kleinen Tricks etwas ändern oder mit einer Schulung Bewusstsein schaffen könnte. Dann könnten alle zusammen essen.
Lara Heumann, 25 Jahre alt, studiert an der TU Dortmund:
Ich nehme mir mein Essen größtenteils von zuhause mit. In die Mensa gehe ich nur sehr selten, da es häufig nur ein oder kein glutenfreies Gericht gibt. In seltenen Fällen gibt es ein gesamtes glutenfreies Menü. Meistens setzt es sich aus glutenfreien Lebensmitteln wie Kartoffeln, Reis, Gemüse oder Pommes zusammen. Glutenfreie Ersatzprodukte gibt es in der Mensa nicht. In Essenssituationen habe ich immer eine besondere Rolle und muss auf viele Dinge verzichten. Dadurch fühle ich mich häufig ausgegrenzt.
Für Menschen mit Zöliakie besteht, meines Wissens, kein sicherstellendes Angebot. Vereinzelt bieten die Mensen glutenfreie Speisen an. Für Menschen mit Zöliakie ist es schwierig, da das Essen nicht mit glutenhaltigen Lebensmitteln in Kontakt treten darf. Menschen mit Zöliakie brauchen häufig eine eigene Küche und separate Kochutensilien, um die Trennung von glutenhaltigen Lebensmitteln sicherzustellen.
Räumliche und personelle Ressourcen könnten eventuell Probleme darstellen. Zudem besteht die Gefahr, dass doch glutenhaltige Spuren enthalten sind. Glutenfreie Alternativen könnten den Preis des Essens anheben, da die Ersatzprodukte häufig sehr teuer sind.
Ich würde mir mehr glutenfreie Angebote in der Mensa wünschen, sodass ich zwischen alternativen Gerichten auswählen kann. Zudem wären Schulungen und Fortbildungen im Bereich Zöliakie sinnvoll. Für Zöliakie-Betroffene könnte es eine separate Essensausgabe geben. Dann müsste zusätzlicher Platz für eine ‚Extra-Küche‘ geschaffen werden. Das Essen müsste um glutenfreie Alternativen wie glutenfreie Nudeln oder glutenfreie Riegel erweitert werden. Man könnte auch abgepackte Mahlzeiten von anderen Lieferanten bestellen.
Für die Glutenunverträglichkeit könnte, meines Erachtens, ein Angebot gut umgesetzt werden. Dieser Aufwand wäre organisatorisch gut umsetzbar, da es keine separate Küche braucht. Auch hier gäbe es die Möglichkeit, glutenfreies Essen von anderen Lieferanten zu bestellen oder Menüs in der Mensa zu erweitern. Wenn die Gegebenheiten in der Mensa ausgebaut werden und die Universität sich mit dem Thema weiterhin auseinandersetzt, wäre ein gemeinsames Essen möglich.
Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V.:
Laut der deutschen Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG) ist das Angebot von glutenfreien Speisen in der Gemeinschaftsverpflegung von mehreren Faktoren abhängig. Zum einen spielen zeitliche und räumliche Ressourcen sowie das Wissen der Mitarbeiter*innen eine Rolle. Zum anderen ist es auch die Frage, ob vor Ort gekocht wird oder ein Caterer glutenfreie Speisen liefert.
Außerdem würden zeitliche und räumliche Ressourcen sowie das Wissen der Mitarbeiter*innen eine Rolle spielen. Die größte Herausforderung für Anbietende ist der Umgang mit Kontaminationen. Bereits 125 Milligramm Weizenmehl könnten bei Zöliakie-Betroffenen zu einer autoimmunen Reaktion führen. „Das bedeutet, dass es nicht ausreicht, einfach die glutenhaltigen Brotcroutons vom Salat zu nehmen oder glutenfreie Nudeln zu kochen”, sagt die DZG.
Ein möglicher Ansatz, um glutenfreie Speisen zu integrieren, sind laut der DZG neu geplante Küchenabläufe und die Erstellung eines Kozepts. Dazu gehöre, glutenfreie Lebensmittel zu bestellen, geeignet zu lagern, Gerichte zu planen und sie bei der Ausgabe als glutenfrei zu kennzeichnen. Die Verwendung von frischen, sauberen Pfannen, Töpfen und Arbeitsmaterialien sollte in jedem Fall Voraussetzung sein, um Kontaminationen zu vermeiden. Bei Salaten könne es so zum Beispiel einen Arbeitsschritt sparen, frische Kresse anstelle von glutenhaltigen Croutons zu verwenden.
Beitragsbild: picjumbo_com