Nicht nur Materielles bleibt, wenn jemand stirbt – auch digitale Spuren wie Social-Media-Profile und Online-Konten werden zum Erbe. Den digitalen Nachlass zu regeln, stellt Hinterbliebene vor neue Herausforderungen. Ein Überblick über die aktuellen Möglichkeiten.
Wenn ein Mensch verstirbt, lässt er vieles zurück. Bei materiellen Dingen wie Autos, der Plattensammlung oder dem Gemälde ist meist zügig geklärt, was mit ihnen passiert. Ein Testament oder die Angehörigen der verstorbenen Person regeln das. So ist es seit Jahrhunderten gelernt. Doch es gibt auch Erbstücke, deren Verbleib nicht so schnell organisiert ist. Sie lassen sich nicht einfach mitnehmen, denn sie sind digital. Die Rede ist von Accounts, Konten und Datensätzen, die für die Angehörigen oft gar nicht so präsent und zugänglich sind. Wer kümmert sich um den digitalen Nachlass?
Wie geht man um, mit einem Profil, welches in der digitalen Welt weiter lebendig wirkt, deren Inhaber*in aber verstorben ist? Ein Freundschaftsvorschlag für eine tote Person oder ein lustiger Beitrag auf der Chronik des Verstorbenen – keine schöne Vorstellung, nicht nur für Hinterbliebene. Solche Vorkommnisse können vereinzelt sogar traumatisierend wirken und den Tod eines geliebten Menschen noch trauriger machen. Genug Gründe für die Auseinandersetzung mit dem eigenen digitalen Tod und der dazugehörigen Vorsorge.
Das Statistische Bundesamt berichtet 2024, dass 96 Prozent der 16- bis 74-Jährigen das Internet nutzen. 58 Prozent sind in sozialen Netzwerken aktiv. Je jünger die Altersgruppen, desto höher ist die Quote. Nutzer*innen hinterlassen Spuren – etwa durch Instagram-Posts, Chatverläufe oder Online-Bestellungen. Die Möglichkeiten im Netz sind grenzenlos, und fast alle machen mit – Tendenz steigend. Doch die Anzahl der Internetnutzer*innen, die sich bisher mit ihrem digitalen Tod beschäftigt hat, ist überschaubar. Zahlen des Digitalverbands Bitkom aus 2023 zeigen, dass nur 16 Prozent bereits vollständig festgelegt haben, was nach dem Tod mit ihren Accounts, Konten und Profilen geschehen soll. Die Zahl hat sich in den vorigen Jahren nur wenig verändert.
Juristisches Neuland
Auch für die Justiz war das digitale Erbe bis zu einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs 2018 schwer zu greifen. Die entscheidende Frage für die Fachwelt war: Geht auch das digitale Hab und Gut an die rechtmäßigen Erb*innen über? In der Entscheidung des BGH ging es konkret um den Zugang zu einem Facebook-Account: Die Mutter wollte Zugriff auf den Account ihrer verstorbenen Tochter. Der Bundesgerichtshof bestätigte das und das Netzwerk musste ihr alle erforderlichen Rechte einräumen.
Das Urteil setzte die großen sozialen Plattformen unter Zugzwang. Seitdem haben Nutzer*innen je nach Anbieter unterschiedliche Möglichkeiten. Sie können etwa zu Lebzeiten im eigenen Profil Regelungen festlegen. Auch gibt es verschiedene Optionen für die Angehörigen nach dem Tod. Die Bandbreite ist groß und wenig standardisiert, so dass bei einzelnen Anbietern, der Zugang zum Konto der verstorbenen Person kaum möglich ist. Wenn Angehörigen die Anmeldedaten inklusive Passwort fehlen, wird es kompliziert.
Große Bandbreite
Eine Bewertung der vorhandenen Möglichkeiten ist schwierig. Die verstorbene Person lässt sich nicht befragen, ob ihre Wünsche und Einstellungen wirklich umgesetzt wurden. Ein Blick in unterschiedliche Foren im Internet lässt vermuten, dass zumindest nicht alle Verfahren halten, was sie versprechen. Teilweise sollen Profile weiter online sein, obwohl sie auf Antrag gelöscht werden sollten. Auch Diskussionen im Bereich Datenschutz und Persönlichkeitsrecht sind Grund für Zweifel. Die sozialen Plattformen treten scheinbar nicht immer verbraucherfreundlich auf. Doch ebenso lässt sich nicht überprüfen, ob die Angehörigen wirklich die korrekten Schritte unternommen haben, um das gewünschte Konto löschen zu lassen.
Den Umgang mit Profilen von verstorbenen Menschen kennt auch Alexander Lategahn. Er ist Inhaber eines Bestattungsunternehmens und möchte mit seiner Dienstleistung den Hinterbliebenen so viel Arbeit wie möglich abnehmen. Bei Accounts oder Profilen im Internet gibt es jedoch Hindernisse. „Der Themenbereich digitaler Nachlass ist bisher nicht standardisiert. Es gibt kein Portal, in das ich den Namen eintragen kann und das dann alle potenziellen Orte anschreibt, an denen eventuell ein Account bestehen könnte“, sagt der Bestattermeister. Er und seine Mitarbeitenden gehen bisher nur direkten Hinweisen auf einen Account nach und setzen sich dann mit dem Unternehmen in Verbindung, um eine Regelung im Sinne der Hinterbliebenen zu finden – je nach Einzelfall.
Digitale Vorsorge liegt im Trend
Dass das Thema in seinem Berufsalltag wenig präsent ist, hängt laut Lategahn auch mit der Generation zusammen, die aktuell vor ihrem Lebensende steht. Viele hätten gar keine oder nur wenige Konten im Internet. Doch die Zahl werde definitiv steigen. Daher rücke das Thema „Digitaler Nachlass“ in der Branche und in seinem Unternehmen weiter in den Fokus. „Wir werden so ein Portal brauchen. Wir selbst werden keinen digitalen Nachlass-Service bauen können“, wirft Alexander Lategahn einen Blick in die Zukunft. Er selbst versucht, auf Messen die aktuellen Entwicklungen im Blick zu behalten und berichtet von ersten Anbietern, die digitale Lösungen für den Nachlass bereitstellen – auch wenn diese Lategahn aktuell nicht voll überzeugen.
Die beste Möglichkeit der Vorsorge bietet die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema. Er rät: „Jeder Mensch, der mehr als fünf Internetaccounts hat, sollte sich frühzeitig zu Lebzeiten Gedanken über den Nachlass machen.“
Eigene Vorkehrungen die beste Lösung
Eine Empfehlung, die auch Christine Steffen unterstützt. Sie ist Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW und benennt die Vorteile einer eigenen Vorsorge: „Zum einen kann ich selbst entscheiden, was mit meinen Daten passieren soll und so für alle Accounts und Dienste meinen eigenen Wunsch hinterlegen. Zum anderen erspare ich meinen Hinterbliebenen sehr viel Aufwand.“
Damit die Auflistung von Accounts und Konten im World Wide Web nicht im Chaos endet, empfiehlt die Juristin, sie systematisch zu ordnen. Sie schlägt vor, Profile zu priorisieren, die viele öffentliche Informationen enthalten und viel über eine Person verraten. Zum anderen sollte der Zugang zum Mail-Account den Hinterbliebenen, falls gewünscht, ermöglicht werden, da der E-Mail-Account oft als Generalschlüssel für viele andere Konten dient. Eine Liste der wichtigen Accounts kann entweder ausgedruckt oder mit einem Passwortmanager angelegt werden. Diese Zusammenfassung sollte dann einer Vertrauensperson oder den Angehörigen zugänglich gemacht werden, damit klar ist, wie mit den Konten verfahren werden soll.
Digitale Vorsorge spart Geld
Steffen kritisiert die Angebote von Dritten, also von Unternehmen, die mit der Unterstützung beim digitalen Nachlass werben. Die Kosten für diese Dienstleistung könne man sich mit einer eigenen Auseinandersetzung sparen. Zudem sei die Weitergabe von Accountdaten an unbekannte Dritte nicht empfehlenswert, und ob der Anbieter bis zu dem eigenen Ableben noch existiert, sei ebenso nicht garantiert.
Ein Überblick:
Soziale Netzwerke
Mail-Anbieter
Beitragsbild: Unsplash (dole7777)