Maël und Jonas haben sich in der Musikschule kennengelernt. Mit ihrem neuen Album „Two Spoons Sugar“ waren sie dieses Jahr auf Deutschland-Tour. Über ihre holprigen Anfänge und wie es den beiden nach ihrer kurzen Bandpause geht, davon erzählen sie im Interview.
Maël und Jonas – zwei Jungs aus Koblenz, die schon ziemlich lange Musik machen. So beschreiben sich die Musiker selbst. 2020 erscheinen die beiden erstmals auf öffentlicher Bühne bei „The Voice of Germany“, zwei Jahre später stehen sie auf der Bühne des Vorentscheids des Eurovision Song Contest.

Im Februar 2025 veröffentlichen sie ihr neuestes Album „Two Spoons Sugar“ und starten im Monat darauf ihre Deutschland-Tour. Wie es den beiden gelingen will, die „Zwei Löffel Zucker“ im Leben ihrer Hörer*innen zu sein, das erzählen sie im Interview.
Maël und Jonas kommen zurück vom Soundcheck und sind etwas erschöpft. Die beiden sitzen in ihrem Aufenthaltsraum in einem kleinen Gebäude neben dem Clubbahnhof Köln, wo sie später spielen werden. Der Raum erinnert stark an eine Abstellkammer.
Wie seid ihr zur Musik gekommen?
Maël: Meine Eltern haben mir ein Radio vorgesetzt, verschiedene Instrumente abgespielt und ich habe dann bei einem gesagt: „Das gefällt mir.“ Sie haben dann gesagt: „Das lernst du jetzt.“ In der Musikschule habe ich über Umwege Jonas in einem Bandprojekt getroffen.
Jonas: Ich komme aus einer Musikerfamilie. Mir wurde die Musik also in die Wiege gelegt, da führte kein Weg dran vorbei. Als ich sechs Jahre alt war, hat mein Vater gesagt: „Werde halt alles, aber bitte nicht Musiker.“ Und dann bin ich Musiker geworden.
Wann war der Beginn von „Maël und Jonas“?
Jonas: Wir hatten in der Musikschule ein Bandprojekt. Maël hat Bass gespielt und ich Gitarre. Erst bei „The Voice of Germany“ hat sich tatsächlich „Maël und Jonas“ als Duo gegründet, weil wir da zum ersten Mal gemeinsam gesungen haben. Wir waren selbst total überrascht, wie gut das ankommt. Wir haben vier Buzzer von der Jury bekommen. Das verstehe ich wirklich gar nicht.
Maël: Wir haben uns die Videos danach angeschaut, also komplett ungeschnitten und wir dachten uns nur: „Zum Glück hat sich irgendwer umgedreht.“
Wie kam es zu der Entscheidung, zu The Voice of Germany und damit ins Fernsehen zu gehen?

Jonas: Ich saß mit meinem Dad auf der Couch und er sagte: „Warum geht ihr nicht eigentlich mal zu The Voice?“ Ja, warum nicht? Lass uns doch dahin gehen. Das war‘s. Wir waren total nervös und haben uns wirklich gar nichts dabei gedacht. Aber die Leute haben eventuell das Potential gesehen.
Mittlerweile hat das Video von ihrem ersten Auftritt bei The Voice 1,1 Millionen Aufrufe auf YouTube und mehr als 18.000 Likes. Deutsch-Pop-Ikone Mark Forster fand den Auftritt der Jungs – damals 19 und 24 Jahre alt – „richtig geil“, „richtig krass“ und „richtig stabil“. Auch Juror-Kollege Rae Garvey hat das Potenzial erkannt: „Ihr seid keine Brüder und trotzdem habt ihr gesungen wie eine Einheit.“
Was waren für euch die einschneidendsten Erfahrungen bei „The Voice of Germany“?
Maël: Die Sing-Offs waren der Moment, in dem wir gemerkt haben, dass es richtig gut funktioniert. Da waren wir dann schon ein paar Runden weiter in der Show und hatten das erste Mal das Gefühl, dass wir uns stimmlich so nice ergänzen und es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Davor war The Voice zwar auch mega lustig, aber da war halt auch enormer Druck dabei.
Ihr habt euch 2022 dazu entschieden, am Vorentscheid des Eurovision Song Contest teilzunehmen. Wie kam es dazu?
Maël: Wir wurden von der Produktionsfirma von The Voice gefragt, ob wir nicht Lust hätten, bei dem “Vor-Vor-Casting“ teilzunehmen. Die Firma hat auch den ESC-Vorentscheid organisiert. Wir haben mitgemacht und sind überraschend weit gekommen, haben aber nicht gewonnen. Ich sage immer: „Wir sind Dritter geworden bei The Voice, Zweiter beim ESC-Vorentscheid, das nächste Mal muss es der erste Platz sein.“
Jonas: Aber wo denn? DSDS?
Maël: Egal was es ist. Keine Ahnung – so im Leben.
Jonas: Im Leben?
Maël: Im Leben werden wir Erste.
Jonas: Das mit dem ESC war cool, aber mir ist in der Zeit klarer geworden, dass Musik nicht das Einzige ist, wofür sich die Menschen interessieren. Sie brauchen eine Backstory, sie müssen sich emotional an einen binden, an eine Story, whatever. Ist ein bisschen unromantisch, aber it’s not all about the music.
Maël: Bei Castingshows wird viel darauf geachtet, ob jemand technisch gut ist. In der freien Branche geht es nur darum: Kommen Leute live zu deinen Konzerten oder nicht?
Jonas: Und das Problem bei Fernsehshows ist auch, dass die Industrie einen danach labelt, als die Person, die nur wegen der Castingshow Follower hat und nicht wegen der Kunst.
Ernüchtert euch das als Musiker? Nimmt das die Illusion vom Bild der Musikbranche?
Maël: Ich musste realisieren, dass es sehr lange dauert, bis man mit Musik wirklich Geld verdient. Vorher dachte ich: „Wenn ich so und so viele monatliche Hörer*innen habe, dann habe ich ausgesorgt.“ Aber die Realität ist härter. Die Erfahrung hat mich nicht ernüchtert. Nein, das würde ich nicht unbedingt sagen. Denn jeder einzelne Mensch, der zu einem Konzert kommt, ist ein Fan, der einen wahnsinnig unterstützt, egal ob finanziell oder emotional. Es ist super schön, wenn Leute die Musik feiern, aber wir müssen in irgendeiner Weise davon leben können.
Ihr legt viel Wert auf eure Social-Media-Präsenz. Warum?
Jonas: Das ist einfach der moderne Zeitgeist: ganz, ganz viel über soziale Medien zu machen. Es ist das Tool Nummer eins, um neue Fans und Follower zu generieren. Ich struggle sehr viel mit Social Media. Dieses ständige Vergleichen ist total scheiße. Auf der anderen Seite war es noch nie so einfach, aus dem Schlafzimmer heraus Reichweite zu generieren. Einfach mit einem Beat, den wir vor fünf Minuten gebaut haben. Das ist schon was Besonderes.
Musik aus dem Schlafzimmer – ist das die Art von Musik, die ihr macht? Wie beschreibt ihr selbst eure Musik?
Jonas: Bei unserem letzten Album „Two Spoons Sugar“ war es uns sau wichtig, dass es keinen Zwischenmann gibt. Sprich, wir sind diejenigen, die unsere Musik kreieren und die geht direkt an die Leute. Ich habe das ganze Album produziert und wir zwei haben 90 Prozent allein geschrieben. Wir machen die komplette Produktion selbst, spielen alle Instrumente selbst, machen den Mix selbst … also egal, ob man es gut oder scheiße findet, authentisch ist es auf jeden Fall.
Musik kann viele Funktionen haben: Als Ventil der Gefühle oder als Statement. Was ist der Kern eurer Musik, den ihr nach außen transportieren wollt?

Jonas: Positivität auf jeden Fall. Am Ende des Tages haben wir unser Leben immer selbst in der Hand und können entscheiden, wie wir mit Situationen und Vergangenem umgehen. Ich liebe auch schlechte Sachen, weil ich immer stärker rauskomme. Klingt ein bisschen kitschig, aber es ist leider so. Jede Erfahrung ist willkommen. Das Leben ist oft bitter, aber vielleicht können wir beide die zwei Löffel Zucker sein für das Leben anderer. Das war eine
Anspielung auf das Album.
Maël: Das hast du schön gesagt. Wir waren beide nicht die beliebten Kids in der Schule und ich finde es cool, anderen Menschen zu zeigen, was auch die Uncoolen schaffen können.
Davon erzählen Maël und Jonas auch, als sie später auf der Bühne stehen: „Wir versuchen, aufbauende Texte zu schreiben. Das ganze Album ist strukturiert aus negativen Erfahrungen. Jo, “I’m in love with you” ist ein toller Liebessong. Aber eigentlich entstand der Song aus einem Streit heraus. Ich habe hart an meiner Beziehung gezweifelt und wusste nicht, wie ich mit dem Streit umgehen soll, aber das ändert nichts an dem Fakt, dass ich
meine Freundin liebe. Wir wollen die zwei Löffel Zucker sein, um euer Leben ein bisschen zu versüßen. Ich hoffe, ihr habt einen schönen Abend und deswegen jetzt zwei Löffel Zucker.“
Gibt es Ängste, die ihr mit Blick auf die Zukunft habt, was Musik angeht?
Jonas: Klar, und ich glaube, das darf man nicht verstecken. Finanzielle Sicherheit ist in diesem Beruf nicht gegeben. Selbst wenn es jetzt für fünf Jahre extrem gut laufen würde, wissen wir nicht, was danach passiert. Und alles, was wir verdienen, können wir direkt wieder reinvestieren. Das ist der einzige Faktor, der ein bisschen suckt, aber sonst ist es schon geil. Sonst habe ich keine Angst.
Was stärkt euch gegen solche Ängste, was hilft euch gegen solche Gedanken?

Maël: Therapie. Dazu versuchen wir die Leute zu ermutigen. Vor allem Männer. Viele sind zu stolz für Therapie oder ihnen steht diese toxische Männlichkeit im Weg, von wegen: „Ich bin nicht traurig, ich bin ein Mann.“ Da reden wir zwei auch viel drüber. Jeder Mensch sollte mal mit jemandem Professionellem sprechen, egal, ob er jetzt gerade traurig ist oder nicht. Es hilft einfach, so ein bisschen den Blick zu schärfen, wenn dann mal schlechte Tage kommen.
Während des Konzerts trägt Jonas ein Hemd mit Krawatte und Maël eine rosa-pink karierte Weste mit der Inschrift „Soft As Shit“. Hinter den beiden hängt ein rosa Banner mit Blumen und ihrem Namen auf der Bühne. Sie singen über Liebe, Selbstzweifel und Verlustängste und werfen sich zwischen ihren Liebesliedern immer wieder gespielt romantische Blicke zu. Von toxischer Männlichkeit oder falschem Stolz ist da keine Spur.
Ihr tretet als öffentliche Person immer als Duo „Maël und Jonas“ auf. Was ist der Kern eurer Beziehung: Eher die Freundschaft oder die Musik?
Jonas: In unserer zwischenmenschlichen Beziehung, in unserer Freundschaft ist Musik und über Musik reden der Kern, um den sich alles dreht. Wir waren nie in einem anderen Modus. Ich würde nicht mal sagen, dass wir beste Freunde sind. Maël ist für mich einfach eine unfassbar vertraute Person. Wir geben voreinander nicht so gerne zu, dass wir uns sehr stärken und extrem gut kennen und immer ein offenes Ohr füreinander haben. Wenn wir reden, geht es um unsere Gefühle und das, was uns belastet oder glücklich macht. Wir versuchen, unsere Gefühle zusammen in Kunst umzuformen. Wir haben schon eine sehr intensive Beziehung.
Wie fühlt sich das für euch an, auch jederzeit die Bühne zu teilen und dieses Image als Musiker zu zweit zu durchleben?
Jonas: Voll geil. Wir sind beide gar nicht so die aufmerksamkeitsgeilen Selbstdarsteller. Was willst du mehr? Es ist zwar cool, allein auf der Bühne zu stehen, aber stell dir jetzt mal vor, du stehst mit einem Freund auf der Bühne. Es ist geil zu zweit.
Maël: Schön gesprochen.
Während sie ihren Song „Synthesized Butterflies“ spielen, stehen Maël und Jonas nebeneinander, mit synchron nickenden Köpfen. Ihre Körper sind nach rechts geneigt und ihre Gesichter zeigen denselben schmerzversehrten Blick. Während der Songs legen sie sich gegenseitig den Arm über die Schulter und grinsen sich an.
Spielen öffentlicher Druck und Karrierefragen zwischen euch trotzdem eine Rolle? Inwiefern belastet das die Freundschaft zwischen euch?
Maël: Ich würde nicht sagen, dass Karrierefragen eine Belastung für uns sind. Aber durch unsere Vorbildfunktion, gerade als männliche Band, spielt öffentlicher Druck schon eine Rolle. Wir möchten den Menschen zeigen, dass es besser geht. Das ist natürlich ein selbstkreierter Druck, weil wir am Ende auch nur Menschen sind. Digga, wir hau‘n hier nur irgendwelche Kalendersprüche raus. Was ich sagen will: Wir machen Fehler. Aber ich würde nicht sagen, dass das unsere Freundschaft belastet.
Wie seht ihr euch, eure Karriere und Musik in der Zukunft?
Jonas: Ich denke mir einfach jeden Tag: „Gib dein Bestes“ und… Digga, was ist das für ein Kalender-Spruch wieder? Aber es ist wirklich so. Du kannst nichts anderes machen, als morgens aufzustehen und alles Mögliche dafür zu tun, am Ende des Tages glücklich ins Bett zu gehen. Deswegen machen wir uns nicht so viel Stress. Meine Eltern sagen, ich mache mir viel zu wenig Stress.
Maël: Carpe diem, Alter.
Jonas: Boah, na dolce vita, bro.
Wenn euer übergeordnetes Ziel ist, glücklich ins Bett zu gehen: Wie sieht euer Weg aus, um glücklich zu werden?
Jonas: Gutes Essen. Das ist das Wichtigste. Und Erfüllung in Form von Musik. Und tolle Menschen, ich liebe viele Menschen.
Maël: Ziel für mein Glück ist es einfach, dass ich von anderen Menschen so gesehen werde, wie ich mich selbst sehe. Ich sehe mich als einen guten Menschen und möchte, dass andere Menschen das erkennen. Aber das kann ich natürlich nicht aufzwingen, sondern nur durch mein Handeln beweisen. Und ich bin einfach ein sehr sozialer Mensch. Musik gehört für mich zum Glück dazu, weil ich dadurch noch mehr Menschen zeigen kann, wer ich bin.
Wenn ihr gleich auf die Bühne geht, fühlt ihr euch dann gesehen? Welche Rolle spielen Konzerte für euch?
Maël: Aus der Sicht von zwei Musikern ist live spielen das Beste der Welt. Du kriegst jede Emotion mit. Wenn Fans uns auf Insta schreiben, ist das natürlich super schön, aber wenn wir auf der Bühne stehen und in lachende Gesichter gucken, dann ist das das schönste Gefühl.
Jonas: Live ist das Beste. Dafür machen wir den ganzen Bums. Wirklich.
Mit welchem Gefühl geht ihr dann von der Bühne?
Jonas: Erfüllt. Jetzt kommt der nächste kitschige Spruch, aber: Mein Herz ist voll. Das ist ein Gefühl von Energie, die ich sonst nirgendwo bekommt. Und da gehe ich, auch wenn es anstrengend ist, sehr glücklich und erfüllt ins Bett. Gutes Essen und Live-Konzerte. Mehr brauche ich nicht in meinem Leben.
Gibt es noch etwas, was ihr den Leser*innen mitgeben möchtet?

Maël: Habt Spaß am Leben. Geht auf Konzerte, egal welche und jetzt kommt der letzte KalenderspruchKalender-Spruch: Live is too short. Ich habe heute gelesen, dass wir sechs Stunden pro Tag am Handy sind, das sind 15 Jahre, wenn man es auf eine normale Lebenszeit herunterrechnet. Geht raus.
Voriges Jahr haben sich die beiden eine Auszeit genommen, erzählen sie auf der Bühne. Sie mieteten sich einen alten Zirkuswagen, eine Stunde entfernt von Berlin. Ohne gute Internetverbindung hatten sie Raum für tiefgründige Gespräche und für die Frage: Wo wollen wir hin? Die Antwort: Zurück zu dem, wie „Maël und Jonas“ angefangen hat. So entstand das neue Album.
Jonas: Sprecht miteinander.
Maël: Ohne Scheiß. Vor allem an Bushaltestellen – das ist so ein Bild in meinem Kopf. Da stehen alle Menschen mit dem Kopf auf der Brust, gucken konzentriert auf Handys. Und ich will jetzt nicht so ein Boomer sein, aber wir verlieren uns in Medien. Es ist so schön, auf Konzerte oder generell rauszugehen. Wenn wir etwas mit Menschen unternehmen, merken wir, dass wir das Handy meistens vergessen.
Jonas: Sprecht miteinander, egal wie die Person aussieht. Sprecht mit Leuten, dann werdet ihr nicht komisch.
Maël: Dann merkt ihr, dass ihr einfach nur andere Menschen braucht.
Jonas: Und gutes Essen.
Maël: Und Live-Konzerte. So sieht’s aus.
Fotos: Fiona Karin Fröhling