Hört mit den Musicals auf – mit toten Künstlern wurde genug verdient

„Ich will die Menschen unterhalten. Das ist mein ganzes Leben. Bis zu meinem letzten Atemzug“, sagte Elvis Presley zu seinen Lebzeiten. Und was dann? War es auch in seinem Sinne, dass über 40 Jahre nach seinem Tod immer noch Musicals über ihn laufen? Dass aus bislang unveröffentlichten Tonspuren „neue“ Alben und die x-te Best-Of-Platte veröffentlicht wird? Trotzdem: Das Geschäft mit toten Musikkünstlern brummt. Das Angebot an Musicals und “neuen” Songs ist riesig. Damit muss nun endlich Schluss sein: Erben, Labels und andere Beteiligte haben nun wirklich genug Geld mit den Toten verdient.

An drei aufeinanderfolgenden Tagen im April können diejenigen, die seit dem Tod von Elvis Presley, Michael Jackson und Falco die Rechte an der Verbreitung der musikalischen Geschichte der drei Ikonen haben, wieder ordentlich Geld scheffeln. Dann nämlich führen die Westfalenhallen am 12. April „Elvis – Das Musical 2019“, am 13. April „Beat it! – Die Show über den King of Pop“ und zu guter Letzt am 14. April „Falco – Das Musical 2019“ auf. Die Veranstalter versprechen werbewirksam, an das musikalische Schaffen der großartigen Künstler erinnern zu wollen, auch indem Weggefährten und Zeitzeugen in das Musical eingebunden werden. Klar mag das eine Motivation sein. Realistischer ist jedoch, dass hinter den Veranstaltungen Erben, Labels und einige weitere Akteure stehen, die knallharte finanzielle Interessen vertreten, die also mit Toten Geld verdienen wollen. Nun ist das zwar nicht verboten, aber die Ausmaße, die die Geldmacherei inzwischen angenommen hat, sind mit Sicherheit moralisch fragwürdig.

“Thriller – Live” – eine Enttäuschung

Am 25. Juni 2009 starb der King of Pop in Los Angeles an einem Herzstillstand. Weltweit führen verschiedene Ensembles seit seinem Tod mehrere Bühnenshows über Michael Jackson auf (alleine in Deutschland gibt es mit “BEAT IT!” und “Thriller – Live” schon zwei Musicals). Diese Shows können und wollen der einzigartigen und komplexen musikalischen Persönlichkeit des Kings of Pop entgegen ihrer Werbesprüche gar nicht gerecht werden. Für das Musical “Thriller – Live” wurden zwar einige täuschend echt aussehende Michael-Jackson-Doubles gefunden, seine Lebensgeschichte dafür aber maximal angerissen. Vielmehr ist in einer etwa zweistündigen Show auch gar nicht möglich. So verliert sich das Musical größtenteils in einer chronologischen Abfolge seiner größten Songs, ohne aber das vielfältige Leben des Kings of Pop zu beleuchten, mit all seinen Erfolgen aber auch dunklen Seiten.

“Thriller – Live” ist nicht die einzige Show, an die viele Fans hohe Erwartungen knüpfen und von der sie anschließend enttäuscht werden. “Bitte hört mit den ganzen Musicals auf”, möchte man allen, die Jacko seit seinem Tod vermarkten, zurufen. Aber da es anscheinend immer noch nicht genügend Shows gibt, planen seine Nachlassverwalter für 2020 bereits ein weiteres Musical, diesmal am New Yorker Broadway. Das zeigt: Auch über zehn Jahre nach Michaels Tod können Erben und Labels den Hals immer noch nicht voll bekommen. Mit der Suche nach immer neuen Einnahmequellen sollte nun endlich Schluss sein. Alle Beteiligten haben nun wirklich genug Geld nach dem Tod des Kings of Pop verdient.

Umsätze nach dem Ableben 

Dabei sind Musicals leider nicht die einzige Möglichkeit mit bereits verstorbenen musikalischen Legenden Kasse zu machen. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes veröffentlicht jährlich ein Ranking toter Prominenter, die das meiste Geld „verdienten“. Unangefochtene Nummer eins seit sechs Jahren, der King of Pop, der im letzten Sommer 60 Jahre alt geworden wäre: Michael Jackson. Von Oktober 2017 bis Oktober 2018 nahmen Erben, Labels sowie Veranstalter der Bühnenshows etwa 400 Millionen US-Dollar (ca. 350 Millionen Euro) ein. Zum Vergleich: Michael Jackson „erwirtschaftete“ mehr als die Top Drei der noch lebenden Musikkünstler U2, Coldplay und Ed Sheeran im Jahr 2018. Nach Angaben des Forbes-Journalisten Zack O’Malley Greenburg wuchs Michaels Vermögen seit seinem Tod von 2009 bis 2015 um mehr als sagenhafte 700 Millionen US-Dollar (etwa 500 Millionen Euro). Umsatztreiber sind zum einen die Tribute-Show “Michael Jackson One” im Mandalay Bay Resort and Casino in Las Vegas sowie zum anderen weltweite Musikverkäufe und Anteile an Songrechten. In den nächsten Jahren sollen weitere Alben mit bislang unveröffentlichtem Material herauskommen. Außerdem ist eine Welttournee mit Michael-Jackson-Hologrammen in Planung. Der Wahnsinn kennt keine Grenzen.

Knapp hinter Michael Jackson folgt Elvis

Nicht anders ergeht es dem King of Rock’n’Roll, Elvis Presley, seit seinem Tod. Der 1977 an einem Herzinfarkt verstorbene King belegt in der aktuellen Liste der Forbes den zweiten Platz: Mit 40 Millionen US-Dollar (etwa 36 Millionen Euro). Die Pilgerstätte Graceland (Elvis’ ehemaliges Anwesen) und die Cirque du Soleil Show in Las Vegas sowie Merchandising-Artikel wie Poster und Elvis-Puppen lassen jedes Jahr die Kassen von Erben und Show-Veranstaltern klingeln. Außerdem verdient das Label Sony BMG noch kräftig an Elvis’ Songs mit, indem Alben neu aufgelegt werden. Dafür hatte Elvis selbst 1973 gesorgt: Da verkaufte er die Rechte für mehr als 1000 Lieder für ungefähr fünf Millionen Dollar an sein Plattenlabel RCA Records. Das Label heißt heute Arista Music und ist inzwischen Teil von Sony.

Falco auf Trap-Beats braucht niemand

­Rap-Legende Falco starb 1998 in der Dominikanischen Republik bei einem Autounfall. Der Wiener taucht in der aktuellen Forbes-Liste nicht auf. Trotzdem wird auch mit ihm nach wie vor Geld gescheffelt, siehe Casinowerbungen, Shows und „neue“ Alben. Im Jahr 2018 brachte das Label Sony BMG in Zusammenarbeit mit zwölf Deutschrappern ein aus alten Falco-Songs zusammengeschustertes Kollabo-Album heraus. Die Begeisterung von Sido und Kontra K, die unter anderem mitmachten, war riesig, die der Fans eher nicht, wenn man sich die Bewertungen bei Amazon anschaut. Ob Falco die Interpretation seiner Lieder auf langsamen Trap-Beats mit ständigen Autotune-Elementen gefallen hätte, darf bezweifelt werden. Denn das einzige, was auf dem Kollabo „Sterben – um zu leben“ noch Falco-typisch ist, sind die Titel und Refrains.

Lasst die Künstler durch ihre Musik sprechen

Die Geldmacherei mit toten Musiklegenden hat inzwischen groteske Züge angenommen. Plattenlabels überschwemmen den Markt mit aus alten Tonspuren zusammengebastelten Alben. Regisseure produzieren ständig neue Musicals, die die Lebensgeschichte der toten Künstler erzählen sollen und daran scheitern. Erben überlegen sich teils abstruse Konzepte, um immer mehr Geld zu verdienen. Das alles braucht kein Mensch. Niemand wird Elvis Presley, Michael Jackson, Falco und all die anderen Legenden jemals vergessen. Dafür hat ihre einzigartige Musik schon gesorgt.

 

Beitragsbild: Rob Van Der Meijden via Pixabay

Artikelbild Michael Jackson: janeb13 via Pixabay

Artikelbild Elvis Presley: Tullio Saba via Flickr

Artikelbild Falco: zeitfaenger.at via Flickr

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