Bienvenue en France? Drei Blickwinkel auf das Auslandsstudium in Frankreich

Jasmin aus Deutschland, Éric aus Kamerun und Abdou aus dem Jemen studieren als Ausländer*innen in Paris. Drei Perspektiven auf das Studium in einem der beliebtesten Zielländer für internationale Studierende.

Frankreich ist weltweit das beliebteste nicht-englischsprachige Land für ein Auslandsstudium. Im vergangenen akademischen Jahr waren rund 283 000 internationale Studierende an französischen Hochschulen eingeschrieben. Aber Auslandsstudium heißt nicht gleich Auslandsstudium: Jasmin aus Deutschland, Éric aus Kamerun und Abdou aus dem Jemen sind aus völlig unterschiedlichen Situationen und mit unterschiedlichen Motivationen an die Pariser Universitäten gekommen.

  • Durch die Kolonialgeschichte verbindet Frankreich und viele Länder Afrikas noch heute die gemeinsame Sprache. Das erklärt, warum fast die Hälfte der internationalen Studierenden in Frankreich aus afrikanischen Ländern kommt. So ist auch der 27-jährige Éric aus Kamerun für sein Masterstudium in „Ökonomische Entwicklung und Internationale Finanzen“ nach Paris gegangen.
  • 16 Prozent der ausländischen Studierenden kommen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten. Darunter ein großer Teil aus Deutschland – genau wie Jasmin. Die 24-Jährige macht gerade ein Erasmussemester in Kunstgeschichte an der Sorbonne-Universität in Paris.
  • Auch der 23-jährige Abdou aus dem Jemen möchte in Frankreich studieren. Das ist allerdings nicht der Grund, weshalb er nach Frankreich gekommen ist: Er musste vor dem Bürgerkrieg in seinem Land flüchten. Nun besucht er von montags bis freitags einen Sprach- und Vorbereitungskurs an der Sorbonne, damit er bald ein Studium beginnen kann.

Jasmin, Éric und Abdou machen ganz unterschiedliche Erfahrungen mit der Integration in die französische Gesellschaft, bei der Wohnungssuche, mit Einsamkeit und dem Studentenleben. Aber die Gespräche mit den drei jungen Studierenden in Paris haben gezeigt, dass sie auch einiges gemein haben.

Warum studierst du in Frankreich?

Abdou: Ich bin vor fast zwei Jahren wegen des Krieges im Jemen nach Frankreich gekommen. Warum Frankreich? Gute Frage. Ich konnte ein bisschen Französisch und konnte mit einem Schengen-Visum einreisen. Hier habe ich dann Asyl beantragt und auch bekommen. Meine ganze Familie ist aber noch im Jemen oder Saudi-Arabien. In Frankreich habe ich niemanden gekannt bevor ich gekommen bin. Ich war ganz allein, das war sehr kompliziert.

Aber kurz nach meiner Ankunft habe ich jemanden getroffen, der mich gefragt hat, ob ich Bock habe, französisch zu lernen. Direkt zwei Wochen später habe ich dann auch mit meinem ersten Sprachkurs begonnen.

Erasmusstudentin Jasmin aus Dortmund

Éric: Frankreich ist erstmal sehr renommiert für die Ausbildung in Finanzwirtschaft, deswegen dachte ich mir, dass es sinnvoll wäre, hier zu studieren. Außerdem wollte ich ein neues Land entdecken und Europa sehen. Dass Französisch meine Muttersprache ist, hat mir die Entscheidung dann natürlich leicht gemacht.

Jasmin: Ich bin total frankophil und habe eigentlich meine gesamten Sommermonate der Kindheit in Frankreich verbracht. Jetzt wollte ich diese Sprache endlich mal fließend lernen.

Und Paris ist natürlich auch ein ganz besonderer Ort für mein Studienfach. Für die Bekleidungsforschung ist Paris ein Zentrum in Europa: Es gibt ganz viele Museen, die sich hier dezidiert mit Kleidung und Mode beschäftigen.

Hintergründe:
Eigentlich studiert Jasmin in Dortmund den Master „Kulturanalyse und Kulturvermittlung mit dem Schwerpunkt der Kulturanthropologie der Moden“. Um sich das Studium und Leben in Paris leisten zu können, muss sie trotz der Erasmus-Förderung und eines zusätzlichen Stipendiums auf Erspartes zurückgreifen.

Was hast du durch deinen Aufenthalt und dein Studium in Frankreich gelernt?

Éric: Durch meinen Aufenthalt allgemein lerne ich jeden Tag, dass das Leben nicht einfach ist, dass man sehr oft kämpfen und sein Maximum geben muss, um zu erreichen, was man möchte. Das ist ein bisschen traurig, aber es ist die Realität.

Masterstudent Éric aus Kamerun

Man muss lernen, seinen Platz in einer Gesellschaft zu finden, in der man manchmal allein lebt. Weil man nicht die Zeit hat, Freunde zu besuchen oder mit der Familie zu telefonieren. Oder weil man in der Uni gut sein muss, aber gleichzeitig auch im Supermarkt arbeiten muss, um überleben zu können.

Ich musste auch lernen, dass manche Menschen mich nicht akzeptieren – wegen meiner Herkunft, oder einfach, weil sie meine Kultur nicht verstehen. Aber es geht auch darum, die anderen kennen- und lieben zu lernen, trotz ihrer Unterschiede.

Hintergründe:
Als Bildungsmigrant eines außereuropäischen Landes braucht Éric ein Studenten-Visum, das er jedes Jahr neu verlängern lassen muss. Da es für Studierende aus Afrika in Frankreich keine Austauschprogramme gibt, die dem Erasmus+ -Programm ähneln, muss Éric seine Studiengebühren selbst aufbringen.

Abdou: Ich habe viel gelernt über die Kultur, die Sprache, das Studentenleben. Das ist hier in Frankreich – wahrscheinlich überall in Europa – ganz anders als im Jemen oder in Saudi-Arabien. Erstmal dauert ein Bachelor hier nur drei, dort vier Jahre. Aber auch das ganze System, die Klausuren, die Methoden, das ist alles anders.

Abdou aus dem Jemen

Hier sind die Leute bei der Arbeit und bei eigentlich allem so viel ernster als in meinem Land. Das mag ich aber eigentlich. Deswegen fällt es mir nicht schwer, mich anzupassen. Ich finde es auch nicht schwierig, Kontakte zu knüpfen. Mittlerweile habe ich habe viele Freunde aus der ganzen Welt hier.

Jasmin: In der Uni lerne ich gerade wahnsinnig viel über die Kunstgeschichte, was auch viel mit Kulturanthropologie gemein hat. Ich verstehe jetzt auf einmal Mondrian* – total verrückt.

Es war eine große Herausforderung, dass ich hier komplett auf Französisch studiere. In Kursen zur Geschichte der Abstraktion ist das natürlich ein ganz anderes Französisch als im Alltag. Aber man kommt da recht schnell rein. Am Anfang dachte ich, „oh Gott – das wird nichts mit den Klausuren“. Aber jetzt verstehe ich fast alles. Man merkt, dass man da an den Aufgaben wächst.

* niederländischer Maler der Moderne

Wie wohnst du in Paris?

Abdou: Ich wohne in einem internationalen Studentenwohnheim. Da habe ich sehr, sehr viel Glück gehabt. Es ist wirklich schön und es wohnen Studierende aus der ganzen Welt dort. Es werden immer viele Aktivitäten angeboten. Und es gibt sogar ein Restaurant und eine Bar.

Jasmin: Paris ist wahnsinnig teuer. Da hatte ich Glück, dass ich an eine ganz gute Wohnung gekommen bin: Ein ganz kleines Ein-Zimmer-Appartement im 13. Arrondissement, das ich mir mit meinem Freund teile.

Es gehört einem Freund, der das Appartement nur an gute Freunde vermietet. Dementsprechend ist die Miete recht günstig. Eigentlich blöd, weil es so ausschließend ist, dass man nur durch das Privileg, jemanden zu kennen, an eine günstige Wohnung kommt.

Éric: Beim Wohnen hatte ich sehr viel Glück. Noch bevor ich mein Visum hatte, habe ich jemanden kennengelernt, der mich bei jemandem empfohlen hat. Und dann, als ich angekommen bin, hatte ich schon eine Wohnung, mein Zimmer war schon bereit. Ich brauchte keinen Bürgen, es ist nicht zu teuer, ich bezahle jeden Monat meine Miete und habe meine Ruhe.

Fühlst du dich hier Willkommen?

Éric: Ja, ich fühle mich aktuell wohl in Paris, aber das war nicht immer so. Als ich letztes Jahr in Frankreich angekommen bin, war es schwierig. Ich habe mich schwer damit getan, die Verhaltensweisen und die Kultur der Franzosen zu verstehen. Sie sind beim ersten Kennenlernen verschlossener gegenüber Fremden. Aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Mein Vorteil ist, dass ich Basketball und Fußball spiele und durch den Teamsport kann man sich sehr schnell in die Gesellschaft integrieren.

Jasmin: Jein. Eigentlich schon, ich mag diese Stadt wahnsinnig gerne. Ich habe so hilfsbereite Leute getroffen. Zum Beispiel hatte mein Fahrrad einen Platten und dann hat das ein Handwerker gesehen und mir das einfach repariert.

Auf der anderen Seite ist es auch eine Stadt, die ganz rasant an einem vorbeirauscht. Man geht sehr unter, weil einfach alles überfüllt ist. Die Schwimmbäder sind überfüllt, die Museen sind überfüllt, die Metro ist überfüllt. Es sind gar nicht mal die Menschen, die einen nicht willkommen heißen – sondern eher diese Stadt, die manchmal sehr viel ist und sehr harsch. Und das macht dieses Gefühl aus.

Abdou: Ja und nein. Sie nehmen hier Flüchtlinge auf, aber es gibt viel zu wenig Unterbringungsmöglichkeiten. Du kannst nicht so einfach einen Studienplatz oder eine Arbeit finden. Es gibt also schon Schwierigkeiten.

In der französischen Bevölkerung gibt es geteilte Meinungen zu Flüchtlingen. Ich persönlich fühle mich aber sicher und kann Französisch lernen. In Paris gibt es viele Chancen, weil es viele Schulen und Universitäten gibt. An der Universität fühle ich mich willkommen: In unserem Kurs akzeptieren sie jeden, egal ob mit oder ohne Papiere.

Hintergründe:
Als anerkannter Flüchtling hat Abdou das gleiche Recht, wie Franzosen, sich an einer Universität einzuschreiben. Allerdings braucht er dafür mindestens das Sprachniveau B2. Vom französischen Staat können Geflüchtete wie Abdou, die an einer Universität eingeschrieben sind, Unterstützung bekommen. Zum Beispiel bei der Unterbringung in Wohnheimen und mit Stipendien. Gerade in Paris leben viele Flüchtlinge aber auch in illegalen Camps am Rand der Autobahn, da es zu wenig Unterbringungsmöglichkeiten gibt.

Wie stellst du dir deine Zukunft vor?

Abdou: Ich weiß es nicht, manchmal sehe ich schwarz für meine Zukunft. In den Jemen kann ich nicht zurück. Ich denke schon, dass ich hier in Paris bleiben werde.

Hier würde ich gerne Politikwissenschaften oder Jura studieren, aber ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Erstmal ist mein Ziel, die französische Sprache richtig zu lernen. Ich würde das Studium gerne in einem Jahr beginnen, falls mein Französisch dann ausreicht. Ansonsten spätestens im Jahr danach.

Jasmin: Auf längere Sicht gesehen kann ich mir sehr gut vorstellen, hierher zurückzukommen, hier vielleicht an einem Museum zu arbeiten – weil es ein wirklich toller Ort ist, der Spaß macht. Aber jetzt bin ich erstmal froh, bald wieder in Deutschland zu sein, weil dort einfach vieles auf mich wartet.

Die Studienkultur in Frankreich ist schon sehr anders, deswegen freue ich mich auch, an die Uni in Dortmund zurückzukehren und dort meine Masterarbeit zu schreiben. Ab Herbst würde ich dann gerne anfangen zu promovieren. Aber ich würde nie ausschließen, wieder nach Frankreich zu gehen.

Éric: Mein Ziel ist es, irgendwann eine eigene Firma in Kamerun zu gründen, die die Kriterien für Umwelt- und Sozialverträglichkeit einhält. Denn ich möchte etwas wirklich Sinnvolles für die Gesellschaft tun und meinem Land helfen, es aus der Armut zu schaffen.

Wenn ich mit dem Studium fertig bin, würde ich deswegen erst einmal gerne Erfahrungen in dem Bereich sammeln und zum Beispiel bei einer Firma arbeiten, die sich für Nachhaltigkeit einsetzt. Dafür plane ich, noch einige Zeit in Frankreich zu bleiben. Am Ende will ich aber in mein Heimatland, nach Kamerun, zurück. Das ist der Ort, an dem ich aufgewachsen bin und mich wohl fühle. Gleichzeitig fühle ich mich verantwortlich für die Entwicklung des Landes. Ich mag Frankreich gerne, aber am Ende bleibt Kamerun der Ort, an dem ich bleiben möchte.

Beitragsbild: bantersnaps auf Unsplash

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