Apothekerskandal: Panscher vor Gericht

Angeklagt für die Gefährdung von Menschenleben: Der Bottroper Apotheker Peter S. soll tausendfach Krebsmedikamente gepanscht und die Krankenkassen um Millionen betrogen haben. Vor dem Essener Landgericht muss sich der 47-Jährige jetzt  verantworten. Vor allem die über 1000 betroffenen Patienten warten auf ein gerechtes Urteil.

Deutschland blickt auf einen der größten Medizin-Skandale der vergangenen Jahre. Am 29. November 2016 wurde Peter S. festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, seit Anfang 2012 Arzneimittel für Krebstherapien herausgegeben zu haben, welche zu gering dosiert waren. Die Medikamente soll er bei den Krankenkassen trotzdem voll abgerechnet und dadurch einen Gesamtschaden von über 56 Millionen Euro verursacht haben. In fast 62.000 Fällen soll er gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen haben, 27 mal wird ihm eine versuchte Körperverletzung vorgeworfen.

Ich möchte leben und kämpfe dafür, dass es ein gerechtes Urteil geben wird.

Heike B., Betroffene vor Prozessbeginn

Bisher wartet die Öffentlichkeit vergebens auf eine Stellungnahme des Bottropers, der seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt. Laut der Staatsanwaltschaft sei es ihm um “eine erhebliche Einnahmequelle” gegangen. Die Ermittlungen beziehen sich auf sechs betroffene Bundesländer, 37 Arztpraxen und etliche Patienten. Peter S. droht eine Haftstrafe von 10 Jahren und ein Berufsverbot.

Nebenkläger im Prozess sind etwa 20 Kunden der Apotheke sowie einige Angehörige. Viele weitere Kunden verfolgten am Montag den Prozessauftakt. Sie hoffen auf Antworten. Ihre wohl wichtigste Frage: Hat das mutmaßliche Handeln des Angeklagten bleibende Schäden oder gar eine Verkürzung der Lebensdauer zur Folge? Sollte dem so sein, wird wohl eine weitaus höhere Strafe gefordert. “Ich möchte wissen, ob er mir Lebensjahre geklaut hat”, sagt Cornelia T., eine weitere Betroffene vor dem Prozess. Besonders schlimm sei die Ungewissheit. Sie möchte, dass der Angeklagte nachempfinden kann, was er für ein Leid über krebskranke Menschen gebracht hat.

Der Angeklagte hat es in Kauf genommen, dass eine Vielzahl von Patienten vorzeitig verstirbt

Hans Reinhardt, Anwalt einer an Krebs erkrankten Frau

Die Anwälte wollen noch einen Schritt weitergehen: Sie fordern, dass der Fall von Peter S. vor das Schwurgericht kommt. Dort werden Mord und Todschlag verhandelt. Nebenklagevertreter Anwalt Siegmund Benecken spricht von «grenzenloser Menschenverachtung, eiskaltem Gewinnstreben und Habgier».

Aufgedeckt wurde der rechtswidrige Umgang mit den Medikamenten von zwei Mitarbeitern der Bottroper Apotheke. Nach ihrer Kontaktaufnahme hagelte es viel Kritik an den bisherigen Standards: Es gebe zu wenige Kontrollen, die so einen Skandal hätten verhindern können. Alle Apotheken, die Krebsmedikamente an Patienten herausgeben, müssten anders als bisher viermal im Jahr überprüft werden. Das verlangt der Vorsitzende der Stiftung Patientenschutz, Brysch. In Deutschland gibt es 300 Schwerpunktapotheken für Krebsmedikamente.

Beide Mitarbeiter, die das illegale Treiben von Peter S. ans Tageslicht gebracht haben, sind jetzt Träger des internationalen Whistleblower-Preises. Er wurde ihnen im Oktober verliehen. Der Preis zeichnet ihren Beitrag zur Enthüllung der schweren Straftat aus.

Beitrags- und Teaserfoto: pixabay.com/darkostojanovic, lizensiert durch Creative Commons (CC0)

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