Wehmütig blickt Metin Tolan, Professor für Experimentelle Physik, auf seine Zeit an der TU Dortmund zurück. Ab April wird er der neue Rektor der Georg-August-Universität Göttingen sein. In Dortmund machte sich Tolan insbesondere durch Filmausschnitte von James Bond, Star Trek und Co. einen Namen, die er in seine Vorlesungen einbezog. Dabei wurden jegliche Szenen auf Herz und Nieren auf ihre physikalische Machbarkeit hin überprüft – Tolan ist quasi ein Mythbuster.
Mit hoher Geschwindigkeit rast das Flugzeug auf die Klippe hinzu. Niemand sitzt am Steuer, um das Flugzeug retten zu können – eine schlichtweg aussichtslose Situation. Doch dann kommt James Bond ins Spiel. Er schwingt sich auf ein Motorrad und gibt Gas. Dann die Klippe. Motorrad und Bond fallen hinab, genauso wie das Flugzeug.
Doch ein Bond-Film wäre kein Bond-Film, wenn er es nicht schaffen würde, in das Flugzeug zu klettern, um es in letzter Sekunde vor dem Zerschellen zu retten. “Das ist doch ein absurder Stunt”, ging es allen, wie auch Metin Tolan damals durch den Kopf, als sie den Film “James Bond 007 – GoldenEye” 1995 das erste Mal im Kino sahen. “Aber du bist doch Physiker. Könnte das nicht theoretisch klappen?”, fragte sich Tolan, setzte sich an seinen Computer und rechnete die Gleichung. “James Bond müsste schon sehr stromlinienförmig sein, damit das funktioniert.” Mit diesem Stunt und der Frage, ob die Szene physikalisch machbar sei, entstand die Idee, anhand solcher Beispiele die Physik einfach zu erklären.
Der erste Tag an der TU Dortmund
Seit März 2001 arbeitet Metin Tolan nun als Dozent an der TU Dortmund. An seinen ersten Arbeitstag kann er sich dabei noch sehr gut erinnern. “An dem Tag gab es eine Hochschullehrerkonferenz”, sagt er und grinst dabei. “Da wurde sich lustigerweise gestritten. Intensiv gestritten. Es ging um den Berufungsbericht, wer diesen schreibt.” Als Neuling bot sich Tolan an, den Berufungsbericht zu schreiben – “so habe ich gleich am ersten Tag meinen ersten Job bekommen”, erzählt er und muss erneut dabei grinsen. Der Streit auf sachlicher Ebene ist ihm jedoch nicht negativ hängen geblieben.
Generell entschied sich Tolan vor 20 Jahren für die TU Dortmund aufgrund des guten kollegialen Umgangs miteinander: “Ich hätte an mehrere Plätze gehen können. Bei der ganzen Vorstellung war Dortmund am besten – am kollegialsten. Das ist nicht jede Universität.” Nun heißt es nach zwanzig Jahren Abschied nehmen.
“Es fällt mir extrem schwer Dortmund zu verlassen.”
Wenn alles gut verläuft wird Metin Tolan spätestens zum 1. April Göttinger Bürger sein. Zu diesem Zeitpunkt beginnt auch sein Leben als Rektor der Georg-August-Universität Göttingen. Vorerst für die nächsten sechs Jahre. Was danach kommt, ist bislang unbestimmt. Dennoch fällt es ihm sehr schwer, Dortmund zu verlassen. “Es ist ja so, dass ich keinen einzigen Tag ausmachen kann, an dem ich es bereut habe, in Dortmund zu sein.”
Besonders jetzt, während Corona, sei es doppelt schwer, Abschied zu nehmen. Tolan denkt auch an die Doktoranden. Diese würde es ebenfalls genauso treffen wie ihn, dass es keinen Abschied oder eine Feier gibt. Es werde zwar immer betont, man wolle eine Feier nachholen, doch da hat Tolan eine klare Meinung zu: “Man kann nur die Feier nachholen, nicht aber den Moment.” Und wann die Feier letztlich stattfinden soll, ist aufgrund der Pandemiebestimmungen derzeit ohnehin ungewiss.
Die Entscheidung für Göttingen
Auch wenn Metin Tolan bald keine Filmszenen mehr in seinen Physikvorlesungen an der TU Dortmund analysieren wird, verbindet ihn weiterhin vieles mit der Uni. Beispielsweise muss er nun die Dortmunder Elektronenspeicherringanlange, kurz DELTA, zurücklassen. “Wegen DELTA bin ich ja hier hergerufen worden”, erklärt er.
Trotz der vielen Erinnerungen und Erlebnisse, die er mit der Uni verknüpft, habe es ihn nicht von dem Amt des Rektores in Göttingen zurückziehen können. “Göttingen hat mich einfach schwach gemacht. Es ist die Wiege der Quantentheorie”, mit einem Schmunzeln fügt er hinzu, dass sich ein Physiker einen solchen Ort nicht ergehen lassen könne. Schließlich forschten viele berühmte Persönlichkeiten wie Werner Heisenberg oder Max Born in Göttingen.
Beitragsbild: Privat / TU Dortmund